Helmuth Schönauer
Donald Gast als angebiederter König
Stichpunkt
Als dieser Tage penetrant aufreizend von einem NATO-Gipfel berichtet wurde, der letztlich gerade mal drei Stunden gedauert hat, rieben sich manche Tiroler die Augen und dachten, das kenne ich von irgendwoher.
Gesendet wurde eine Schleimspur, die zu einem gewissen Donald führte, und als ausgebildetem Tiroler, der von klein auf an Unterwürfigkeit gegenüber dem Tourismus gewöhnt ist, stieß einem sofort die Parade-Fügung auf: Der Gast erwartet sich das!
Wann immer in Tirol etwas geschehen soll, ob der Flughafen ausgebaut, die Windräder an einer für das Panorama anfälligen Kante verhindert, ob eine Dirndl-Pflicht an der Rezeption eingeführt oder gar ein landesüblicher Empfang ausgerufen werden sollen, immer lautet die Begründung: Der Gast erwartet sich das!
Selbst Eingriffe gegen den Hausverstand, wie etwa das Versengen der Böden mit Parkplätzen, das Zusammenlegen der letzten Gletscher zu einem Schmelzschi-Paradies oder gar das Einbringen von Plastik ins Trinkwasser, um den letzten Gletscherhaufen unter einer Plastikfolie zu schützen, gehen locker von Zunge und Hand, wenn man an den Gast denkt. Dieser schwebt als Voodoo über allen Arbeitskräften, die ihm als Bücklinge zu Füßen liegen.
Finanzdesaster wie Schi-WM, olympische Spiele oder der zur Queershow mutierte ESC (Songcontest) werden nicht damit begründet, dass vielleicht die Tiroler etwas davon haben könnten, sondern ausschließlich mit touristischer Umweg-Rentabilität.
Als man während des Nato-Gipfels die Bilder sah, wurde einem ganz tirolerisch warm ums Herz. Endlich hatte man den hochgelobten Gast am Bildschirm. Donald Gast grüßte von der Gangway aus den untergebenen Kontinent, schwenkte die Mütze, und betrat als Welt-Souverän ein Stück Boden, dessen Preis durch diese Würdigung sofort in die Höhe schnellte.
In einer abgedunkelten Limousine ging es aus dem Schwenkbereich der Kamera hinaus, ehe der Gast an der Rezeption der Nato Dutzende aufgeregte Funktionäre locker an der Schulter abklopfte, wie ein eben Eingecheckter seinen Herbergsvater für eine Nacht abklopft und fragt, ob er auch einen Golfplatz im Asset habe.
Am nächsten Tag betrat der inzwischen königliche Gast die Bühne auf Augenhöhe mit dem König und der Königin, die ihn in Echtzeit in ihrem Märchenschloss hatten nächtigen lassen. Sie sollten die Präsidentensuite in Königssuite umbenennen, forderte der Gast, und zur gleichen Zeit wurden in Tirol zweitausend Präsidentensuiten in Königssuiten umbenannt. Nach drei Stunden war der Nato-Gipfel zu Ende. Der Gast bleibt heutzutage immer kürzer, heißt es im abschließenden Kommentar. Die Nato soll ihre Kohle zusammenkratzen und was Anständiges bieten, forderte der Gast für das Kommuniqué, und im ganzen Land wurde Kohle zusammengekratzt.
Dann entschwand Donald Gast und mutige Kameraleute filmten die baffen Funktionäre, Hoteliers und Wirtschaftstreibenden von hinten, ob sie vielleicht verdächtige Flecken an den Hosen hätten. Aber alle waren professionell pragmatisch aufgestellt und zeigten keinerlei Emotion für das historische Foto.
Selten war übrigens die Sprache so weitschweifig und klar wie in den schönen Vokabeln great und wonderful, mit denen sonst im Tourismus jeder zweite Satz eingeleitet wird.
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