Helmuth Schönauer bespricht:
Christoph Janacs / Ludwig Laher / Gerhard Ruiss
O du mein Österreich
(K)eine Lobeshymne
Über die Frage, wer hinter den österreichischen Hymnen steht.
Wo gibt es die schönste Nationalhymne der Welt? – In Spanien. Dort hat die Hymne keinen Text und wird umso inniger gesummt.
Unter dem typisch süßlichen Titel O du mein Österreich gehen ein Übersetzer, ein Germanist und ein Urheberrechtsspezialist (Janacs / Laher / Ruiss) der Frage nach, wie zeitgemäß die Bundeshymne und die einzelnen Landeshymnen noch sind. Bei dieser Gelegenheit kommt auch das Politisch Unbewusste an die Oberfläche der Analysen, denn jede Hymne trägt eine geheime Botschaft in sich, die beim Absingen gerne verschluckt wird.
Im Vorspann wird auf den besonderen Charakter der Hymne hingewiesen. Im Griechischen ist ein besonderes Tongefüge gemeint, das erhabene Stimmung evoziert. Bei der Bildung der Nationalstaaten ist es daher sinnvoll, mit Hymnen zu arbeiten, die ein besonderes Gefühl der Identität erzeugen sollen.
Selbst bei der Wiedervereinigung Deutschlands spielt die Hymne eine entscheidende Rolle. Die DDR-Hymne ist zwar die bessere, aber es gilt, die Unterwerfung zu zeigen, weshalb die BRD-Hymne beibehalten wird.
In Österreich wären wohl heute noch alle schläfrig zufrieden mit dem Paula Preradovic-Song vom Land der Berge, zumal ab einer gewissen Getragenheit der Melodie der Text herausfällt und sich in Nichts auflöst. In einem Anfall von Gender-Wahn müssen freilich 2012 die Töchter in die Hymne, was zu ziemlichen Verwerfungen mit dem Kulturverständnis und dem Urheberrecht führt. Kann der Staat in Kunstwerke eingreifen und sie zum Gendern zwingen? – Er kann, weil es sich bei der Hymne um einen Gebrauchstext handelt, der eigenen Spielregeln unterliegt.
Eine besondere Spielregel heißt Hymnenschutz, wie im Anhang erklärt wird. Als man in Österreich 1962 ein Bodenseeschiff statt auf Vorarlberg auf Karl Renner taufen will, kommt es zur sogenannten Fußach-Affäre. Im Nachgang dieses Namensstreites werden allerhand Paragraphen im Staatsschutz geändert, unter anderem werden diverse Symbole und Hymnen unter besonderen Schutz gestellt. Rein rechtlich gesehen ist es seither ein besonderes Vergehen, die Hymne zu kränken.
In der Folge werden die Texte der Landeshymnen und ihre Besonderheiten vorgestellt. Süffisant könnte man sagen: Jede Landeshymne hat zeitgeschichtlichen Dreck am Stecken. Einmal kommen Fügungen aus dem Ständestaat durch, dann drängt sich ein Vaterland mit falschem Geschlecht in den Vordergrund, ein gelungener Abwehrkampf bietet die Matrix für eine Lobeshymne, an anderer Stelle bietet ein ehemals großes Landesgebiet Aussicht auf eine größenwahnsinnige Politik.
Einzig die Tiroler sind schlau, obwohl sie ihre Hymne unter einen besonderen Schutz gestellt haben, der im Extremfall die gesamte Bevölkerung vor den Kadi stellen müsste, wenn diese zu singen beginnt.
Die gebürtige Salzburgerin Brigitte Scott bringt für ihre Analyse Hoch die Niederlage! – Personenkult als Hymne (105) genügend Frohsinn und Frivolität mit, die Tiroler Landeshymne als das zu bezeichnen, was sie ist. Zu Mantua in Banden erweist sich bei historischer Analyse als romantisierendes Adelsprodukt. Vor allem Schottische Clan-Ideologen greifen Andreas Hofer und dem Abwehrkampf der Tiroler erinnerungstüchtig unter die Arme. Während sie Hofer feiern, meinen sie natürlich ihre schottische Vergangenheit, in der sie mehrmals unter die englischen Räder gekommen sind.
Als die Hofer-Hymne 1948 zur offiziellen Landeshymne erklärt wird, ist das ein genialer Akt, aus der Gegenwart und ihren Verquickungen auszusteigen und in einem Mythos zu versinken. Schon damals kann man nichts falsch machen, wenn man von einer längst vergangenen Zeit zu singen beginnt, die sich als unübersichtliches Deckenfresko über einen wölbt.
Den Text der Hymne schreibt 1831 ein Vogtländer, die Melodie 1844 der Klosterneuburger Knebelsberger. Der Sound der Hofer-Hymne ist übrigens so überzeugend, dass zu dieser Melodie immer wieder allerlei Kampftexte und elegische Empfindungen daraufgesetzt werden.
Auch für die Tiroler Hymne gilt: Wenn Wissenschaftler anfangen, daran herumzuforschen, ist alles kaputt. Hymnen sind nämlich keine logischen, sondern fiktionale Gebilde ohne Zeitgeist. Zwar kann man aus ihnen jede Menge Geschichte ablesen, aber wenn man sie zu reparieren anfängt, werden sie wertlos.
So sind die Genderei 2012 um die Bundeshymne und der Paragraph gegen Falsch-Singen der Tiroler Landeshymne 2004 definitive Fehler, die aber beide Hymnen ihren kleingeistigen Schützern gerne verzeihen.
Christoph Janacs / Ludwig Laher / Gerhard Ruiss: O du mein Österreich. (K)eine Lobeshymne. Über die Frage, wer hinter den österreichischen Hymnen steht.
Salzburg: Anton Pustet Verlag 2024. 152 Seiten. EUR 20,-. ISBN 978-3-7025-1141-8.
Christoph Janacs, geb. 1955 in Linz, lebt in Niederalm/Salzburg.
Ludwig Laher, geb. 1955 in Linz, lebt in St. Pantaleon/OÖ und Wien.
Gerhard Ruiss, geb. 1951 in Ziersdorf, lebt in Wien.
Brigitte Scott, geb. 1954 in Salzburg, lebt in Inzing.
Lesung und Gespräch mit Christoph Janacs & Brigitte Scott zu:
O DU MEIN ÖSTERREICH (K)eine Lobeshymne
Donnerstag, 28. November 2024 /19.00 Uhr
Buchhandlung Liber Wiederin
Erlerstraße 6, 6020 Innsbruck
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Nur zur Richtigstellung: Die Fußach-Affäre war nicht 1962 sondern am 21. November 1964, also gerade mal vor 60 Jahren. Kann mich noch erinnern, wie in Rundfunk und Fernsehen darüber berichtet worden war.