Helmuth Schönauer
Trump annektiert den Wipptal-Kanal
Stichpunkt
Seit selbst staatstragende Parteien in Österreich über Nacht die Windfahne neu aufziehen, werden alle Äußerungen, Pläne und Strategien zu einer Anekdotensammlung. Der Sinn der Anekdote ist ja der, für den Alltagsgebrauch spontan eine Begebenheit zur Hand zu haben, bei der die Moral der Geschichte darin besteht, dass es keine gibt. Eine Anekdote ist wie bei Max und Moritz ein aus Körnern ausgelegtes Schaubild, welches die Hühner artig auffressen. Die Anekdote wandert also in den Hühnermagen, ohne irgendetwas historisch Relevantes auszulösen.
Wie die Hühner bei Wilhelm Busch reagieren auch in Österreich mittlerweile sämtliche Parteien, indem sie am Vortag einen Wähler-Köder auslegen, den sie über Nacht selbst fressen, damit sie anderntags Platz für einen neuen Wähler-Köder haben. In diesem Lichte muss alles neu gedeutet werden, indem man das Bisherige vergisst.
Wenn man zum Beispiel den sogenannten Friedensaposteln vorwirft, dass sie Putin-Anbeter sind, weil sie irgendwelche Verhandlungen über die Ukraine einfordern, statt Waffen bereitzustellen, so erfährt das einen neuen Sinn, wenn Trump so beiläufig seine Annexionspläne vorstellt. Kanada, Grönland und Panamakanal sind die aktuellen Wünsche dieser Woche. Das Entsetzen ist weltweit groß, denn mit diesen Plänen unterscheidet sich Trump ja durch nichts von Putin, außer durch die Frisur.
In diesem Sinne versteht sich auch die eingeforderte Anhebung des NATO-Budgets auf fünf Prozent BIP, denn die NATO muss in Zukunft nicht nur gegen Russland kämpfen, sondern auch untereinander, wenn die anvisierten Länder von Trump überfallen werden.
In künftigen Regierungsverhandlungen in Österreich soll auch das Luftverteidigungsprogramm Sky-Shield eine Rolle spielen. Während bisher niemand Staatstragender dagegen sein durfte, ist es in der von Trump ausgelösten, neuen Lage plötzlich doch von Bedeutung, ob man nicht unter dem Deckmantel der Neutralität aus diesem NATO-Spielfeld aussteigen sollte.
Wenn Annexionen zu Anekdoten werden, die man beiläufig ausstreut, beteiligen sich im Windschatten von Trump überall auf der Welt Politiker an der Überlegung, mit den Nachbarn offene Rechnungen zu begleichen.
Für Österreich bedeutet das, dass Salvini zuerst bei der EU und später bei Trump den Wipptal-Kanal einfordern könnte. Er sollte genauso wie der Panama-Kanal in die Hand jener gelangen, die ihn wirtschaftlich nutzen. Vielleicht sollte man beim Neubau der Lueg-Brücke auch militärische Einrichtungen mitplanen, damit man den Wipptal-Kanal dann zumindest symbolisch nach der Pontlatz-Methode verteidigen kann, wenn aus den Anekdoten tatsächlich Annexionen werden.
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