Helmuth Schönauer
KTM
Macht bitte mit Krawall weiter!
Stichpunkt

Tapfere Arbeiter bauen unter Gehörschutz in Sonderschichten Lärmquellen für die ganze Welt. Jetzt müssen sie etwas leiser treten.

Besser ein sinnloser Arbeitsplatz als keiner. Interessenvertretungen sind naturgemäß partiell blind, wenn sie euphorisch ihre Argumente präsentieren. So gibt es für Gewerkschaften immer nur gute Arbeitnehmer, das sind nämlich solche, die bei der Gewerkschaft sind. Und außerdem sind ihre Jobs immer gut, egal woraus sie bestehen und wem sie nützen.

Große Rhetorik kommt immer dann auf, wenn Jobs verloren gehen. Da müssen alle in Tränen ausbrechen, den Zusammenbruch einer ganzen Region beklagen und mit dem Verweis auf das ausstehende Weihnachtsgeld sofort in den nächstbesten Härtefonds abtauchen.

Aktuell werden diese Trauertöne gerade über das oberösterreichische Firmen-Imperium KTM angestimmt. Und niemand – schon gar nicht Pensionisten – wagt es die Frage zu stellen, was dieses KTM eigentlich für einen Nutzen hat.

Bei KTM handelt es sich um eine typisch österreichische Erfolgsgeschichte aus Größenwahn und Sinnverlust. In dem Konzern werden nämlich für pubertierende Kunden Motorräder aller Art hergestellt, die nur die Aufgabe haben:
– die Wälder unsicher zu machen,
– den Landfrieden zu stören und
– die Natur bis in den letzten Winkel hinein mit süßen Abgasen eines Verbrenners zu bestreichen.

Bei KTM handelt es sich somit um eine völlig sinnlose Fabrik, die Erwachsenenspielzeug über den Kontinent zu streuen versucht.

Und tatsächlich kannst du mit einer KTM nichts anderes tun, als andere Leute zu ärgern und dich daran zu erfreuen, dass du das Sinnloseste vom Sinnlosen besitzest, kurz: ein Österreichisches Produkt.

Die Erfolgsgeschichte von KTM stand bislang auf gleichem Niveau wie die Erfolgsgeschichten der beiden anderen Edelprodukte aus Österreich: Red Bull (Dosengetränk) und Glock (Waffe). Der Wert all dieser Marken liegt in der Überflüssigkeit ihrer Materialisation, egal ob es sich um eine Waffe, ein Getränk oder eine Zweiradlärmquelle handelt.

Es wirft ein berührendes Licht auf die österreichische Wirtschaft, wenn die Erfolgsprodukte im Prinzip schädliche Hardware sind, die weltweit entweder Tod, Diabetes oder Hörsturz verbreiten, wenn man sie nutzt.

Die Gewerkschaften freilich sitzen wie belämmert vor dieser Arbeitswelt, die den Inhabern Reichtum, den Angestellten Brot und der übrigen Welt Verdruss bereitet.

Vielleicht gibt es überhaupt keine Alternativen zu den österreichischen Erfolgsjobs, denn die wirklich guten Dinge haben schon längst die anderen erfunden und ausgebaut. Also wird man sich neue österreichische Produkte ausdenken müssen, die an den Erfolg des Sinnlosen anknüpfen können.

Wie wäre es, wenn man die auf Lager produzierten Maschinen mit zwei Handgriffen ihrer Räder beraubte und Drohnen daraus macht?

KTM-Drohnen wären vom Lärmpegel her gemessen Weltklasse! Von der Geländegängigkeit her gesehen wären sie unschlagbar, und aus dem Blickwinkel der Heimtücke betrachtet wären Drohnen aus KTM ein Premiumprodukt schlechthin!

Und der Markt läge dem Unternehmen zu Füßen, die Ukraine ist nah, die NATO schon da, und die Neutralität ist ja längst mit dem Modell Glock zu einem positiven Verkaufsargument umgemünzt worden.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Robert Muskat

    Vollkommen richtig! Das Problem unserer Industrie ist, dass Sachen erzeugt werden, die niemand braucht. Im Gegensatz dazu werden sinnvolle und hilfreiche Entwicklungen innerhalb kürzester Zeit in die USA verscherbelt um ein Spottgeld, damit ja die amerikanische Wirtschaft profitieren kann.
    Was auch noch seltsam anmutet, ist die Tatsache, dass KTM nicht imstande war, ausstehende Löhne zu zahlen, sehr wohl aber Herr Pierer mit zwei anderen über 50% des Feuerwehrausrüsters Rosenbauer aufkaufen wollte. Wie bitte geht das? Und wo bleibt die Insolvenzverwaltung?

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