Helmuth Schönauer
Breitbandorden für das virtuelle Tirol
Stichpunkt
Dem Land gehen allmählich die Leute aus, die man ehren könnte. Wahrscheinlich muss man die Orden digitalisieren, dann könnte man sie auch leichter einkassieren, wenn sich die politische Strömung dreht.
1.
Wenn gerade über keine Staus oder Unfälle zu berichten ist, lässt der ORF-Tirol gerne einmal eine positive Nachricht verbreiten, um seinem Sendeauftrag zu huldigen: Gute Laune für gute Leute! – Das ist Tirol!
Während aus Deutschland ständig Nachrichten von Zugverspätungen, Bürokratie und Netzstau herüberschwappen, kann hierzulande positiv gepunktet werden:
– Bahnausbau auf Schiene!
– Betten voll!
– Breitband in Tirol demnächst fertig!
Politisch Interessierte werden angesichts dieser Nachrichten unruhig. Was passiert eigentlich, wenn einmal alles fertig ist? Brauchen wir dann noch einen Landtag? Ja könnten wir vielleicht gar den Landeshauptmann einsparen?
Vorsichtshalber arbeitet man im Landhaus bereits an der Etablierung eines Breitband-Ordens, der an alle Firmen ausgehändigt werden soll, wenn sie vollen Anschluss etabliert haben. Man rechnet mit Reserven für zwanzig Jahre, bis alle in Frage kommenden ihren virtuellen Keks erhalten haben.
Eine solche Ausschüttung der Auszeichnungen ist auch notwendig, weil keine Erbhöfe mehr vorhanden sind, denen man einen agrarischen Titel umhängen könnte. Und die Erb-Hof-Abteilung aufzulösen, wagt doch niemand. Denn wer wäre dann der nächste Hofrat, der aus dem Landhaus weichen müsste?
2.
Ein paar rare Köpfe im Land denken freilich über 2026 hinaus, wenn wirklich überall Breitband vorhanden ist. Was ist damit eigentlich gewonnen? Wir sind dann mit der Welt vernetzt und können überall schnell hin schalten, sagen die einen. Und von dort Befehle und Viren empfangen, sagen die anderen.
Ein Blick von Tirol hinaus auf die Weltlage zeigt, dass unser momentanes politisches System am Ende ist. Es besteht in der Hauptsache aus Verdrängen der Fakten und Absondern von Moral.
Die großen Player und Identitätsstifter sind:
– China mit der KI-Überwachung
– Russland mit Desinformation und Geheimdienst
– USA mit der Neuinterpretation der Welt als Fake
– Iran als Gottesstaat
Diese Staaten zeigen, dass es heutzutage andere Mittel braucht, um in der Welt mitzuspielen, als eine gute Predigt und ein Sozialsystem, das alle Verzweifelten der Welt nach Europa treibt.
Mit dem bloßen Breitbandanschluss wird es nicht getan sein, man wird auch etwas erfinden müssen, um dieses Breitband zu bespielen. Wie es gehen könnte, zeigt das exklusive Nordkorea, das mit Abschottung und Hackerangriffen punktet und gleichermaßen geachtet und gefürchtet ist. So etwas müsste auch Tirol ansteuern, wenn es mit der Glaskabelverlegung durch ist.
3.
Wenn wir überhaupt eine Weltkompetenz haben, dann vielleicht im Tourismus. Daher ist es naheliegend, das Breitband mit Tourismus zu bespielen. Da bietet es sich an, den Overtourismus ins Netz umzulenken statt auf die Autobahn. Glücksbilder, die momentan Gäste ins Land locken, sollen dann nur noch virtuell vermarktet werden.
Ein kluges Konzept würde das Land physisch abriegeln, sodass Orte der Verheißung entstehen, in die niemand hineindarf. Aus diesen exklusiven Zonen selbst würden per Breitband ununterbrochen Schönes und Utopisches in die Welt hinaus gespielt werden, für das jeweils die entsprechenden Streaming-Gebühren anfielen.
Nach dem ersten Schock der Umstellung würden die Touristen begreifen, dass es viel kommoder ist, Tirol im Netz zu erleben als sich physisch aufwändig anzustellen und in einem einzigen Stau in ein Land zu zockeln, in dem erst nichts los ist, außer dass es voll ist.
Für diese Band-brechende Erfindung könnte dann tatsächlich der Breitbandorden verliehen werden, und es dürfte am Anfang nicht allzu viele Brüste geben, an denen er angeheftet werden könnte.
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