Helmuth Schönauer
Alles ist Verdauung!
Biom statt Bildung
Stichpunkt
Beim wöchentlichen Rentnerfrühstück reden wir immer so, wie es dem Zeitgeist der vergangenen Woche entspricht. Aus den diversen Themen, die wir kopfschüttelnd abarbeiten, ergibt sich ab und zu so etwas wie ein gesellschaftlicher Trend.
So tut sich gerade im Gesundheitssektor, den wir Rentner täglich beobachten, ab und zu Erstaunliches.
Beim Alkohol hat sich etwa die These durchgesetzt, dass er ein reines Zellgift ist, weshalb er in seiner klarsten Form nur mehr beim Gauderfest in Zell getrunken wird.
Der Body-Mass-Index ist lockerer geworden, mittlerweile kann man mit noch reichlich Rundumgewebe der finalen Stufe von Adipositas entkommen. Auf deutschen Versicherungswebseiten findet sich häufig der Hinweis: Ab einem gewissen Alter schadet es nicht, eine kleine Fettreserve angelegt zu haben, die bei Bedarf abgerufen werden kann. In Wirklichkeit musste die Kategorisierung verändert werden, weil nach den alten Richtlinien achtzig Prozent der Bevölkerung in der Kategorie fett abgespeichert wären.
Und einen Quantensprung an Erkenntnis gibt es in puncto Ernährung. Hier geht es längst nicht mehr nur um Cholesterin, Diabetes und Bluthochdruck. Das neue Zauberwort heißt Biom.
Alles Leben fußt auf dem Biom, das wir im Darm mit uns tragen. Das Darmbiom, auch Darmmikrobiom oder Darmflora genannt, ist die Gesamtheit aller Mikroorganismen, insbesondere der Bakterien, die im menschlichen Darm leben. Wer das Biom in den Griff kriegt, statt vom ihm in Würgegriff genommen zu werden, hat letztlich alles an Gesundheit erreicht, was es mit einem irdischen Körper zu erreichen gibt.
Wir Rentner sind begeistert von diesem Trend, denn der Darm war schon immer unsere Stärke, sonst wären wir nicht so alt geworden.
Bei unseren Gesprächen ist es üblich, dass wir unsere ehemaligen Berufe mit den neuen Theorien abgleichen, um zu sehen, wie alt wir schon geworden sind.
Der Bibliothekar zum Beispiel gibt zum Besten, dass auch Bücher ein Biom haben, das der Leser fallweise über sich ergehen lassen darf, damit es sich mit seinem eigenen im Darm paart. Oft wird in der Literatur vom Bauchgefühl gesprochen, das alles andere überlagert!
Der Hausarzt in Ruhe ist begeistert, weil er es schon immer richtig gewusst hat. Stimmt der Stuhl, passt auch der Gang! ist noch immer seine Devise, die auf einer gesunden Verdauung aufgebaut ist.
Der Biologe erzählt vom Botaniker Johannes Vogel, dessen Überlegungen in zweifacher Hinsicht Furore gemacht haben.
a) Man kann ausgestorbene Tiere wie das Mammut nicht mehr zum Leben erwecken, weil man zwar über die DNA ein Lebewesen klonen könnte, diesem aber die notwendige Darmflora samt Parasiten fehlt, sodass es sterben müsse.
b) Mit relativ geringem Aufwand könne man die Qualität der Menschheit verbessern, wenn man sich um deren Biome kümmere, statt sie bloß mit Kalorien zu versorgen. Der Mensch bestehe nämlich aus zwei Welten: aus der DNA, mit der wir recht zügig in der Erforschung vorankommen, und aus dem Biom, das für jeden Menschen einmalig ist, indem die Darmflora von der Mutter als Unikat dem Embryo eingeflößt wird.
Daraus ergibt sich für unsereins mit Bildung groß gewordenen Alten eine recht ernüchternde Bilanz. Jahrzehntelang haben wir die Parole ausgegeben: Mehr Bildung! Jede Regierung hat die Losung verankert, dass bei Bildung nicht gekürzt werden darf, weil sie unsere Zukunft ist.
Und trotz aller Bildung ist die Menschheit keinen Schritt weitergekommen. Wie wäre es also mit der Überlegung, in die Verdauung zu investieren?
Dabei würden die Menschenrechte respektiert, indem man die unantastbare Würde des Bioms individuell schützt. Dem Klimawandel würde Rechnung getragen, indem man ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Lebewesen aller Art herstellen würde. Das Biom würde durch geschicktes Marketing ähnlich wertvoll sein wie Gold. Und der Begriff Seltene Erden würde ergänzt um den Zusatz, dass es sich dabei um seltene Bakterien und Mikroben im Darm handelt.
Noch einfacher ist es freilich, wenn man zur Bildung einfach Verdauung sagt, dann hat man alle in einem biologischen Boot und sie können an einem Strang (= Darm) ziehen.
Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.
Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen