Hans Augustin
Romantik kann man nicht abschaffen.
Zu Beatrice Frasl
„Entromantisiert euch! - ein Weckruf zur Abschaffung der Liebe“
Entgegnung

Man kann sich verabschieden, entgiften, entkleiden, Ungewolltes entfernen, aber Romantik kann man nicht entrinnen. Warum sollte ich mich auch entromantisieren? Wie soll das bewerkstelligt werden? Sich des Riechens, Schauens, Kostens entziehen? Sich selbst diese unersetzbaren Fähigkeiten verbieten?

Wozu Parfums? Mode, Schmuck, Schminke? Wenn der Geruch oder Duft einer Person erregend ist, Emotionalität, Erinnerung in Bewegung bringt, sich dagegen wehren? Womöglich ein schlechtes Gewissen bekommen, dass man in die Falle patriarchaler Mechanismen geraten ist?

Ich bin ein Mann und reagiere wie ein Mann, bisweilen könnte das noch exklusiver oder deutlicher sein.

Romantik steht außerhalb der Begierde feministischer Perspektive. Sich dieses einzigartigen Merkmals des Menschen entledigen, abschaffen zu wollen, ist ein starkes Stück. Bisher gibt es keinen Beweis über die Romantik von Tieren. Mitgefühl ja, aber Romantik? Ist ein Pferd romantisch, ein Hund?

Romantik war immer schon mein Motor: ich danke den Schmetterlingen im Bauch. Sie haben mich auf verrückte Gedanken gebracht, mir viele Ideen geschenkt; auf vieles hingewiesen: Wie Männer und Frauen miteinander auf vielfältige, provokante, willfährige, launische, herrschsüchtige, übergriffige, berechnende und auf unerklärbare, aber auch wunderbare Art und Weise miteinander umgehen.

Wieviel an Kunstwerken hätten wir nicht, wenn es Künstlerinnen und Künstlern an Musen gefehlt hätte, und eine Muse ist meist mit Schmerz, Verwundung, Missachtung und Enttäuschungen verbunden.

Und romantische, enttäuschte Liebe wird zur aufkommenden Aggression, die alles vernichtet, was zuvor unwiderstehlich, begehrenswert und heilig war. Es gibt Namen wie Dante und seine Beatrice, Alma Mahler-Werfel, Picasso, Frieda Kalo, Christine Lavant und Werner Berg und hunderte andere mehr und ihre Geschichten. Und es sind immer die Geschichten zweier Liebender. Das möchte man abschaffen?

Wie viele haben die Verzweiflung ihrer Liebhaber schamlos ausgenutzt, ausgebeutet, nachdem sie verbraucht waren, weggeworfen, liegengelassen, denn die Augen, das Lächeln, das immer einzigartig ist, ob sie den Blick, das Lächeln mag, ausgehalten haben oder nicht, nach allen Regeln der Kunst geliebt wurden, es schmeckt nach Mensch.

Es gibt Romanzen zwischen Männern und Frauen, Männern und Männern und Frauen und Frauen; Romantik ist unausrottbar; sie passiert unerwartet, unerwünscht, im Zug, in einem Restaurant, im Kino, im Schwimmbad.
Sie ist ein Entzündungsfaktor, je mehr man in sie hineingezogen wird, zulässt, umso intensiver und lodernder brennt sie.

Romantik leuchtet in allen Farben, klingt wie ein Orchester oder ein Folgetonhorn, ist kalt, heiß, selten lauwarm, aber auch das ist möglich; Romantik kennt Umwege, selten Auswege, die nicht schmerzfrei sind, Schluchten und Steige bis weit in die Schneefelder, schwimmt wochenlang im Meer ohne Rettungsring, verbirgt sich in Schilfgürteln, Romantik ertrinkt nicht, stürzt eine Treppe hinunter und ist nicht tot, verhungert, wird erwürgt, und ist nicht tot, vergräbt sich in Illusionen und Träumen.

Romantik kann man nicht abschaffen, nur weil eine Frau, ein Mann wegen einer romantischen Beziehung todunglücklich sind.

Romantik hat mit patriarchalen Strukturen nichts zu tun; das wäre so, als ob auch das Kinderkriegen etwas Patriarchales wäre. Denn auch der Wunsch nach Kindern wird von einer romantischen Vorstellung von Zukunft, von Gemeinsamkeit begleitet. Dass das manchmal missglückt, ist nicht die Schuld der Romantik.

Wer wünscht, Romantik von ihrem emotionalen Charakter zu entkernen, weil es im Übermaß hetero bestimmt ist, hat vom Leben keine Ahnung. Dass Romantik kleiner wird, dass ihr bisweilen die Luft ausgeht, ist eine Realität. Aber es schmälert nicht ihre unverzichtbare Existenz.

Beatrice Frasl: Entromantisiert euch! Ein Weckruf zur Abschaffung der Liebe. Haymon Verlag. April 2025. 17,99 Euro

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Hans Augustin

Hans Augustin, geb. 1949 in Salzburg/Stadt. Lebt seit 1976 in Tirol. Drucker und Verleger, Programm- und Sendungsgestalter und Kulturjournalist im ORF, Redakteur der Landw. Blätter d. Landwirtschaftskammer Tirol, verantwortlich für die Kulturprojekte der Landwirtschaftskammer Tirol. Zahlreiche literarische Arbeiten und Ausstellungen zum Thema “konkrete poesie“ (typopoetik). Letzte Publikation: „Als ich mit Z zu Abend aß“ – über den Herrn im Kreml, editon laurin, Innsbruck 2024. Auszeichungen: Kulturpreis der Stadt Innsbruck, Großes Literaturstipendium des Landes Tirol (Dramatik, 1991), Arbeitsstipendien des Landes Tirol und des BundesMinisteriums für Kunst.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Nora Hensel

    Das Buch ist nach Aussagen der Autorin noch nicht einmal fertig geschrieben und schon ist hier eine Entgegnung geboten? Das muss diese Weisheit alter weißer Männer sein, die Inhalte noch nicht erhältlicher Bücher bereits zu erahnen und darauf reagieren zu können. Hut ab!

    Jetzt mal im Ernst: Niemand möchte – und kann – „die Romantik“ einfach so abschaffen. Aber es wäre doch spannend, sich einfach mal auf feministische Perspektiven einzulassen, das Buch zu lesen und zu sehen, ob es vielleicht horizonterweiternde Aspekte gibt, die einen das eigene Handeln auch mal überdenken lassen. Wer mag, darf danach natürlich auch kritisch darauf reagieren, denn davon lebt ein Diskurs. Monate vor Erscheinen eines Buches eine Entgegnung aufgrund des Titels und der Kurzbeschreibung zu verfassen, ist doch aber keine adäquate Art – und hinterlässt den Eindruck, junge, weibliche Perspektiven bereits im Vorfeld diskreditieren zu wollen und das Gefühl zu vermitteln, es „besser zu wissen“.

    1. Hans Augustin

      Für Ihren Beitrag vielen Dank. Vor allem für den Hinweis, daß das Buch noch nicht fertig geschrieben ist.
      Ich vermute, daß ich bei Ihnen einen Schmerzpunkt berührt habe. Das tut mir leid.
      Aber daß ich als Mann auf die Ankündigung des Verlages reagiere, ist mir nach wie vor erlaubt.
      Es handelt sich jedoch nicht um eine Buchbesprechung.
      Auf das andere Ihrer Bemerkungen möchte ich nicht eingehen.
      Mit freundlichen Grüßen

  2. Bernd-Christoph Kämper

    Und das noch nicht mal fertiggeschrieben ist, wie uns die Autorin versichert. Hier redet also mal wieder ein Mann von etwas, von dem er nicht den blassesten Schimmer hat, haben kann. Das ist peak patriarchale Kultur. Viel Meinung, aber null Wissen.

  3. c. h. huber

    ich bin sehr froh, dass du, lieber hans, ein so entschiedener verfechter der romantik bist – die sich natürlich unterschiedlich und in vielen facetten äußern kann. wie arm wäre das leben, gäbe es sie nicht. und wäre das überhaupt ein leben? das bezweifle ich.

  4. Andreas Niedermann

    Frage: Warum wird an dieser Stelle auf ein Buch eingegangen, dass erst gegen Ende April 2025 zu erstehen ist?

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