Hans Augustin
Irgendwann werden
auch die Generäle weinen.
Notizen
Das Treffen der Admiräle und Generäle auf dem Stützpunkt Quantico, Virginia, war doch etwas ungewöhnlich.
Vor allem, dass hochrangige US-Militärs ihre Einsatzorte verlassen, ohne den genauen Grund dieses Treffens zu kennen.
Private Kommentare dieser Führungskräfte dazu, maximal in Selbstgesprächen, vor dem Spiegel beim Rasieren oder auf der Toilette, wären interessant. Es dürfte auch eine der höchsten Sicherheitsanforderungen gewesen sein, denn ein Anschlag auf das Gebäude wäre auf eine militärische Enthauptung hinausgelaufen.
Ob sich der neue Kriegsminister Pete Hegseth dessen bewusst war? Es sollte, nach Lesart von Pete Hegseth, im Einklang mit Präsident Trump, die Truppe auf ein neues Verständnis des Kriegergeistes eingeschworen werden. Eine sogenannte ideologische Kehrtwende.
Denn die Jahrzehnte des Niedergangs müssten rückgängig gemacht werden; alle Programme für Gleichstellung und gegen Diskriminierung wurden für beendet erklärt. Es lohnt sich dies im Original zu lesen: Das Zeitalter der politisch korrekten, überempfindlichen Führung, die niemanden verletzen will, endet jetzt auf allen Ebenen.
Wer diesen neuen Ansatz nicht mittrage, möge zurücktreten. Künftig gebe es geschlechtsneutrale Standards für körperliche Fitness, die sich am Niveau der Männer ausrichten. Wenn das bedeute, dass einige Frauen nicht für den Kampfeinsatz in Frage kämen, sei das eben so, sagte Hegseth.
Verblendete und rücksichtslose politische Führer hätten das Militär vom Kurs abgebracht. Hegseth verteidigte vor den schweigenden Zuhörern, in deren Reihen auch schwarze Militärs anwesend waren, die Entlassung hochrangiger Offiziere, darunter des ranghöchsten schwarzen Generals und der ranghöchsten Admiralin der Marine.
Zu solchem Verhalten gibt es ein erstaunliches Beispiel aus der Renaissance: Niccoló Macchiavelli (1460-1527). Es lohnt sich, sich mit ihm zu beschäftigen, denn die Gegenwart zeigt interessante Parallelen seiner Analysen.
Macchiavelli entstammte einer angesehenen Familie in Florenz, hatte drei Geschwister; sein Vater war Anwalt, relativ erfolglos und daher verarmt. Niccoló litt Zeit seines Lebens unter der Herrschaft der mächtigen Medici, besonders unter deren politischen Machenschaften. Er war in zahlreichen Missionen in italienischen Stadtstaaten aber auch in Deutschland, Schweiz und etwa auch Tirol unterwegs und erkannte früh das Wesen der politischen Macht: Je näher Menschen der Macht kämen, umso stärker würden sie von Geiz beherrscht, vor allem, wenn es nichts mehr zu gewinnen gäbe.
Es ging dem Philosophen darum, hinter die Fassaden der Propaganda zu blicken und jene Netzwerke aufzuzeigen, die für ungerechte Sozial- und Staatsordnungen verantwortlich waren und bis heute sind. Ideale Bedingungen dafür: Lügen, Täuschung und Gewalt auf Seiten der Mächtigen, Angst, Naivität und Gutgläubigkeit bei den Unterdrückten.
Machiavelli gilt bis heute als einer der bedeutendsten Staatsphilosophen der Neuzeit. Seine Persönlichkeit und seine Schriften – vor allem Discorsi (Gespräche) und Il Pricipe (Der Fürst), erweisen ihn als – nicht nur in seiner Zeit – klaren Beobachter und Analytiker. Nach ihm ist auch eine ganze Theorie benannt: der Macchiavellismus.
Diese ihm später fälschlicherweise zugesprochenen Maximen enthalten die Beschreibung eines Verhaltens, das zweifelsohne raffiniert und ohne ethische Beachtung von Moral und Sittlichkeit die eigene Macht und das eigene Wohl als alleiniges Ziel sieht.
Anhänger oder Gefolgsleute dieser Theorie sind durch eine manipulative Persönlichkeit, eine zynische Missachtung von Moral und einen Fokus auf Eigennutz und persönlichen Gewinn gekennzeichnet. Auf Grund dieser Eigenschaften verfügen sie über ein ausgeprägtes Talent, andere zu täuschen. Gemeinsam ist ihnen: sie bewirken, dass die eigenen Ziele und der persönliche Erfolg über das Glück anderer gestellt werden. Ein untrügliches Profil von Narzissten – ihre Illusion der Überlegenheit, die Angst vor Nähe, spürbarer Mangel an Empathie, die Überempfindlichkeit gegenüber Kritik und die Abhängigkeit von äußerer Bestätigung.
Allerdings sind nach Machiavelli drei Gebote der Staatsraison unabdingbar: Du sollst dich nicht an den Gütern deiner Untertanen und nicht an ihren Frauen vergreifen. Und du sollst nicht einfach aus Lust und Laune töten. [95]
Das Profil von Macchiavellisten zeigt sich derzeit weltweit in 3-D-Version. Wer jetzt immer noch nicht erkennt, was sich hier zusammenbraut, hat ein massiv politisches Rezeptionsproblem. Und unser semi-komatöser Zustand schüttelt maximal den Kopf.
Unsere Zeit hat Mundgeruch und ist eine Anthologie erschreckender Diagnosen. Das Motto des neu benannten Kriegsministers Hegseth: Krieg führen, sich auf den Krieg und den Sieg vorbereiten.
Irgendwann werden nicht wenige Generäle weinen.
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