Hannes Parth
Seilbahnen im Würgegriff der EU-Bürokratie
Analyse

Schon im Jahr 1982, als ich bei der Silvrettaseilbahn AG zu arbeiten begann, war ich der Meinung, dass die Bürokratie unser Vorwärtskommen behindert. Heute würden uns die damaligen Verhältnisse wohl als bürokratisches Paradies erscheinen.

Es war damals üblich, zu Jahresbeginn eine Anlage zu planen, und man konnte damit rechnen, im April eine Bauverhandlung durchzuführen und rechtzeitig zum Saisonbeginn im Winter die Bahn in Betrieb zu nehmen. Als zwei Hofräte der Tiroler Landesregierung bei einem Großprojekt negative Gutachten erstellten, wurden sie kurzerhand ins Büro des damaligen Tiroler Landeshauptmanns zitiert und er hieß sie, die Stellungnahmen positiv zu ändern. Das würde heute unweigerlich zu seinem Rücktritt führen. 

Aber wir achteten vielfach auch ohne große Vorschreibungen auf unsere Natur und unsere Heimat und agierten damit nachhaltig, ohne dies an die große Glocke zu hängen.

Als wir zu Beginn der Jahrtausendwende einen Schlepplift ersetzen mussten, erschienen zur Versammlung über 40 Personen und die Verhandlungsschrift war ein mittleres Buch. Da habe ich den Bescheid des alten Schleppliftes herausgesucht. Neben dem Projektwerber waren damals lediglich ein Jurist und ein Techniker anwesend und die Verhandlungsschrift umfasste gerade einmal zwei DIN A4-Seiten. Trotzdem war der Schlepplift über mehr als dreißig Jahre unfallfrei in Betrieb.

Heute dauern die Vorbereitungen für ein Projekt gut und gerne zwei Jahre, und, falls UVP-pflichtig, auch fünf Jahre und mehr. Sofern man wegen der hohen Verfahrenskosten samt unsicherem Ausgang nicht ohnehin besser die Finger davon lässt. Was dann wieder die Umweltanwälte statistisch belegen lässt, dass ohnehin die Mehrheit der eingereichten Projekte genehmigt würde.

Als zu Beginn der Europäischen Union eine EU-Abgeordnete bei uns zu Besuch war, äußerte ich die Befürchtung, dass mit der EU ein weiteres bürokratisches Monster heranwachsen könnte. Die Abgeordnete verwies mit Stolz auf die damals noch schlanke Verwaltung. Ich entgegnete, dass Bürokratieapparate zu Wachstum neigen und jeder Mitarbeiter, der aufsteigt, bald einen Stellvertreter haben wird, da er sonst ja kein richtiger Chef ist. Eine einmal gegebene Amtsbefugnis wird nie freiwillig zurückgegeben. Und so wie Unternehmer ihren Gewinn maximieren, maximieren Bürokraten ihre Budgets. Inzwischen arbeiten in den 76 EU-Institutionen mehr als 60.000 Menschen, die pro Jahr mehr als 2000 Rechtsakte schreiben.

Ich bin ein großer Verfechter des Gedankengutes der EU und gerade der Tourismus hat stark davon profitiert und natürlich sind Umwelt- und Sozialstandards wichtig. Grundsätzlich verfolgen die Regelwerke ja hehre Ziele, die jedem Menschen einleuchten.

Doch wenn Maßnahmen derart unadministrierbar sind, sodass die EU-Institutionen offensichtlich selbst damit überfordert sind (siehe Entwaldungsverordnung), dann sollte man das Unmögliche auch von den Unternehmen nicht verlangen.

Neu ist jetzt, dass zu den überbordenden Vorschriften die Unternehmen immer mehr Verantwortung für Verstöße übernehmen müssen, die sie weder selbst zu verantworten haben noch hätten verhindern können, und dabei mit gigantischen Berichtspflichten und existenzbedrohenden Haftungsrisiken konfrontiert werden.

Lieferkettenrichtlinie, Entwaldungsverordnung, Nachhaltigkeitsberichte und Lohntransparenzrichtlinie erscheinen als wahre Bürokratiemonster und sind vor allem für Klein- und Mittelbetriebe, wie es Seilbahnunternehmen sind, schlicht und einfach nicht zu bewältigen. 

So erzählt mir neulich ein Holzhändler, dass sein Kollege in Deutschland aufgrund des Lieferkettengesetzes hätte nachweisen sollen, ob die brasilianische Lieferfirma auch über eine Betriebsanlagengenehmigung verfügt. Auf Nachfrage wussten die Brasilianer aber nicht, was denn eine Betriebsanlagengenehmigung eigentlich ist. Das führte zu einer Strafe für den deutschen Holzhändler von € 10.000, die dann durch eine Berufung noch einmal abgewendet werden konnte.

Dabei ist der Erfüllungsaufwand der behördlichen Vorgaben heute schon immens. Lt. Agenda Austria verbringen Einpersonenunternehmen rund 250 Stunden pro Jahr mit Bürokratie – das sind knapp zwei Monate. Gewerbe und Handwerk haben jährlich Bürokratiekosten von 4,3 Milliarden Euro zu stemmen.

Seilbahnen haben den Zug der Zeit längst erkannt und investieren auch ohne Vorgaben der EU schon viele Jahre in ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Ein Blick auf die Homepages der Seilbahnunternehmen bietet ein breites Spektrum unterschiedlichster Maßnahmen, wie sie kaum ein zweiter Wirtschaftszweig vorweisen kann.

Daher sollte sich die EU wichtigeren Zielen zuwenden, als da sind Immigration und eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Und bestimmte Verordnungen über Umweltmaßnahmen besser dem Hausverstand der damit unmittelbar betroffenen Bevölkerung überlassen.

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Hannes Parth

Hannes Parth, geb. 1956, war 36 Jahre lang für die Silvrettaseilbahn AG in Ischgl tätig, bereits im Jahr 1987 wurde er zum Vorstand gewählt. In der Ära Parth wurden über 40 Bahnen mit einem Investitionsvolumen von 707 Mio. € errichtet. Im Ranking der weltbesten Seilbahnunternehmen mischt das Unternehmen heute an vorderster Stelle mit.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Robert Muskat

    Was „Bürokratie“ anbelangt, muss ich Ihnen zu 150% Recht geben! Nicht nur die Hierarchie mit Super-, Ober- Mittel und Unterchefs, auch die sogenannte „Befehlskette“, wo der eine oft nicht weiß, was der andere will, ist eine Katastrophe.
    Trotzdem muss ich eines dagegenhalten: was ein gewisser Liftkaiser aufführt, grenzt schon an Präpotenz. Vergrößern, ausbauen, verbinden, Großhotels usw., das kann man nicht einfach abhaken. Kleine und familienfreundliche Gebiete müssen wegen der Bürokratie und der Kosten aufgegeben, Großkopferte verlangen und es wird abgenickt. So kann’s auch nicht funktionieren. Eine gesunde Mischung – und Einbremsen der EU, die sich auf Gesamteuropa konzentrieren soll – und alles schaut gleich besser aus. Leitmotiv: Hausverstand vor Verwaltung!

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