Hannes Hofinger
Die ÖVP auf der Gloriette und
ihre Botschaft an Kickl
Tagebuchaufzeichnung eines Fiebernden

Liebes Tagesbuch! 

Wie ich dir ja schon gestern Abend eingetippt habe, bin ich etwas grippal angeschlagen. Vor dem Bettgehen hatte ich noch über 39° Fieber, bin dann wohl bald eingeschlafen. Heute geht es mir besser. Danke für deine Nachfrage. Mein Kopf glüht immer noch ein wenig und Schweiß tropft auf meine Tastatur. Aber sonst ist alles klar. Außer dass mir noch die Unterscheidung fehlt, ob ich träume, fantasiere oder ob alles real ist. Egal. Ich schreibe es dir einfach, schließlich sind wir Freunde und Freunde haben keine Geheimnisse voreinander. Ist zwar Blödsinn, aber man sagt das so.

Heute fand ja eine der angeblich entscheidenden Verhandlungsrunden zwischen Blau und Schwarz zwecks Bildung einer neuen Bundesregierung statt. Und dabei hat der Möchtegernvolkskanzler die Schwarzen wieder einmal so richtig vorgeführt. Sie müssen sich öffentlich für ihre letzten Regierungsjahre vor dem Volk entschuldigen, sagt er. Und nichts ist es künftig mehr mit Ausländer in Austria. Null Zuwanderung. Und die aktuellen Asylwerber werden ab sofort nur noch genau die Hälfte der medizinischen Leistungen erhalten. Alle Kosten werden halbiert.

Da haben sie etwas gemurrt, die Schwarzen. Was macht denn das für ein Bild von Österreich, wenn du auf der Straße lauter Halb-Hinigen begegnest? Da läuft dir dann ein Syrer über den Weg mit bandagiertem Schienbein, während vom Oberschenkel das Blut tropft. Weil der Arzt ja nur die Hälfte behandeln durfte. Und aus dem OP hörst Du jemand brüllen wie einen wunden Stier, weil ihm der Anästhesist nach neuer Vorschrift nur die halbe Menge Narkosemittel gegeben hat. Grausige Vorstellung. Aber immerhin vorstellbar, wenn dafür eine Regierungsbeteiligung winkt.

Dann kam Kickl zu seinen neuen Forderungen. Raiffeisen als Hauptsponsor der Schwarzen soll verstaatlicht werden, die schwarzen Kammern werden abgeschafft. Da haben sie nicht mehr nur gemurrt. Sie haben eine Sitzungsunterbrechung von drei Stunden verlangt, um die Fragen intern zu klären.

Dann ist die schwarze Verhandlungstruppe gemeinsam nach Schönbrunn gefahren, unterwegs haben sie mehrfach gehalten, um irgendwelche Sachen zu besorgen, und sind dann zu Fuß zur Gloriette marschiert. Natürlich gefolgt von Presseleuten und Fotografen in Kommandostärke.

Dort sollte ganz spontan eine kurze Pressemitteilung erfolgen. So das Gerücht. Oben angekommen stellten sie sich in einer Reihe auf, mit Blick über die herrliche Stadt. Es war schon dämmerig, ein kühler Wind kam auf, die Presse wartete. Auf ein geheimes Zeichen zogen alle Beteiligte etwas aus ihren Pressetaschen, ein weiteres Zeichen, und wie aus dem Nichts schoss eine weiße Flotte von Frisbees in den Wiener Himmel, die Schwarzen begannen zu tanzen, umarmten sich und kriegten sich vor Freude nicht mehr ein. So eine Last war ihnen genommen.

Als die ersten Flugscheiben landeten, staunten die Reporter nicht schlecht. Auf jeder Scheibe stand mit dickem Filz geschrieben Kickl geh sch…..!, persönlich von jedem Absender signiert.

Ja, in einigen Monaten werden wir wieder wählen. Lieber einmal mehr wählen, als nie mehr wählen. Aber diesmal bitte richtig steht jetzt auf zahllosen Plakaten. Es haben sich neue Parteien gegründet, eine mit der Bezeichnung KGSCH, welche aber von den Behörden wegen allzu offensichtlicher Beleidigung eines Parteiführers untersagt wurde. Also nennt sie sich jetzt ganz schlicht WIR. Der Zulauf ist enorm. Beinahe alle bekannten Politiker der letzten Jahre, welche nicht durch Gerichte verfolgt wurden, wollen zusammenarbeiten. Egal welcher Partei sie angehörten.

Und der Name WIR hatte noch einen anderen Sinn: Sollte eines fernen Tages wieder ein geistig schwer einschätzbarer Typ seine Anhänger brüllen lassen Wir sind das Volk, dann könnte sogleich mit einstweiliger Verfügung eingeschritten werden. Denn WIR sind Wir und nicht eine Partei.

Liebes Taschentuch, äh Tagebuch, wo kann ich denn dieses verdammte automatische Rechtschreib-Dingsda finden? Ach, da! Ja, ich habe noch hohes Fieber, aber es wird schon wieder. Ich berichte dir morgen weiter. Falls es etwas Neues gibt.
Hannes

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Hannes Hofinger

Hannes Hofinger (* 21. Dezember 1947 in St. Johann in Tirol) ist ein österreichischer Schriftsteller, Bibliothekar und Verleger. Hannes Hofinger ist Chronist und Heimatforscher und verlegt vor allem Kleinodien aus der Umgebung von St. Johann in Tirol.

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