Günther Aigner
Technische Beschneiung
Notwendigkeit, Ressourcenbedarf (Wasser & Energie)
und CO2-Emissionen
Analyse
In meinem Artikel im Schöpf Blog vom 12. März habe ich von der überraschenden Tatsache berichtet, dass die aktuelle Wintersaison für den Skitourismus sehr erfolgreich verlaufen ist – trotz einer rekordverdächtigen Schneearmut und sehr milden Temperaturen. Diese Kombination wäre früher unmöglich gewesen, als das gesamte Schnee-Business noch an den Launen der Natur hing und sich die Frage stellte: Kommt der Schnee oder kommt er nicht?
Die technische Beschneiung hat den Skitourismus radikal verändert. Mittlerweile wird klar, dass sich der organisierte Skisport beinahe vollständig von den meteorologischen Rahmenbedingungen emanzipieren konnte. Dieses Loslösen aus der Abhängigkeit von der Natur wird von Teilen der Gesellschaft als verstörend empfunden.
Ebenso wird der Ressourcenbedarf der Beschneiung kritisiert – siehe dazu den Kommentar zu meinem Beitrag vom 12. März. Ich will im vorliegenden Artikel exemplarisch am Skigebiet Waidring / Steinplatte (Tirol) skizzieren, warum die Beschneiung überhaupt nötig ist, wie viel Wasser und Energie eingesetzt und wie viel CO2 freigesetzt wird.
1. Notwendigkeit
Es ist nicht nur der Klimawandel, welcher die Beschneiung nötig macht. Denn Frau Holle ist seit jeher unzuverlässig. Die natürlichen Einschneizeitpunkte (= Beginn der dauerhaften Winterdecke aus Naturschnee) können in den ostalpinen Ski-Destinationen um bis zu 3,5 Monate schwanken.
Anbei finden Sie Schneedaten aus dem berühmten Biathlon-Weltcup-Ort Hochfilzen in Tirol, unweit von der Steinplatte gelegen. Sogar in dieser recht kurzen Messreihe von 45 Jahren schwankt der Zeitpunkt des Einschneiens um 80 Tage. Der früheste Beginn der dauerhaften Schneebedeckung war der 07. November 2007. 1992/93 hat es hingegen erst am 26. Jänner eingeschneit. Hochfilzen ist übrigens das schneereichste Dorf Tirols. Aber egal, wie schneereich eine Wintersportregion ist: Ohne technische Beschneiung fehlt die heute unbedingt nötige Planungssicherheit.

Abb. 1: Der Beginn der dauerhaften Schneebedeckung in Hochfilzen (960 m) von 1980/81 bis 2024/25. Daten: Amt der Tiroler Landesregierung (Hydrographischer Dienst). Grafik: Günther Aigner – ZUKUNFT SKISPORT.
2. Wasserumsatz
Das Skigebiet Waidring / Steinplatte erstreckt sich über die Gemeinden Waidring (Tirol) und Unken (Salzburg). In diesem Kapitel soll der Jahresniederschlag der beiden Gemeinden dem Wasserbedarf ihrer Skigebiete gegenübergestellt werden: Steinplatte und Heutal (nahe Unken).
Die beiden Skigebiete benötigen für die Beschneiung insgesamt eine Wassermenge von etwa 250.000 m³ pro Jahr. Multipliziert man die Gesamtfläche der Gemeinden Waidring und Unken (= 172,51 km²) mit ihrer geschätzten Jahresniederschlagshöhe von 1.500 mm, so beträgt der gesamte Jahresniederschlag 259 Millionen m³. Daraus folgt, dass für die Beschneiung der Skigebiete in den beiden Gemeinden 0,097 % des Jahresniederschlages verwendet wird.
Ein Jahresniederschlag könnte den Wasserbedarf somit 1.036-mal decken. Oder anders ausgedrückt: Mit einem Jahresniederschlag könnten über 1.000 Jahre lang die Pisten der beiden Skigebiete beschneit werden.
Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass in allen deutschsprachigen Ländern nur trinkbares Wasser in Schnee umgesetzt werden darf. Es sind keinerlei Zusätze ins Schneiwasser erlaubt. Das Wasser wird im gesamten Prozess – bis hin zur Schneeschmelze – nicht verschmutzt. Es können somit auch keine Trinkwasserquellen kontaminiert werden.
Ebenso wird das Wasser im gesamten Prozess niemals verbraucht, sondern lediglich vorübergehend dem Wasserkreislauf entzogen (= im Speicher geparkt). Nach der Schneeschmelze kehrt das Wasser vollständig und unverändert in den Kreislauf zurück. Auch jenes Wasser, das verdunstet und somit zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit in der Atmosphäre beiträgt, bleibt als niederschlagbares Wasser dem System erhalten. Wir sehen ein gelungenes Beispiel einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft: Der Saldo von Wasserentzug und Wasserrückfluss ist nahe null.
Siehe dazu die Abbildung 2.
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Abb. 2: Der Wasserumsatz der technischen Beschneiung als funktionierende Kreislaufwirtschaft Grafik: Günther Aigner – ZUKUNFT SKISPORT.
3. Energiebedarf
Im Skigebiet Steinplatte werden 120 Hektar Pistenflächen technisch beschneit. Im vergangenen Winter waren 230 Schneeerzeuger im Einsatz, davon 135 Propellermaschinen und 95 Schneilanzen. Der Energieumsatz der Schneeerzeuger beträgt im Mittel etwa 24 kWh bei den Propellermaschinen und 2,8 kWh bei den Schneilanzen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass der Großteil der Energie nicht bei den Schneeerzeugern umgesetzt wird, sondern in der vorgelagerten Infrastruktur – bei den Pump-, Kompressor- und Kühlanlagen.
Der gesamte jährliche Energieumsatz für die technische Beschneiung auf der Steinplatte beträgt etwa 1,6 GWh. Das sind etwa 3,9 kWh pro Skifahrertag. Damit könnte man mit einem durchschnittlichen Elektroauto eine Wegstrecke von ca. 18 Kilometern zurücklegen.
4. CO2-Emissionen
Im Skigebiet Steinplatte wird für die Beschneiung 100 % Strom aus erneuerbaren Quellen eingesetzt. Laut dem österreichischen Umweltbundesamt erzeugt 1 kWh Strom aus erneuerbaren Quellen einen CO2-Footprint von 10 Gramm. Daraus folgt, dass für die Beschneiung auf der Steinplatte pro Saison ein CO2-Footprint von 16 Tonnen entsteht. Das entspricht CO2-Emissionen von etwa 39,2 Gramm pro Skifahrertag.
Laut dem österreichischen Bundesministerium für Klimaschutz beträgt der CO2-Ausstoß pro Benzin- und Diesel-Pkw in Österreich im Mittel 130,1 g/km. Die CO2-Emissionen der Beschneiung auf der Steinplatte pro Skifahrertag würden somit einer Fahrt mit einem Verbrenner-Pkw von etwa 300 Metern (= 0,3 Kilometer) entsprechen.
Jetzt könnte man kritisch anmerken: Kommt denn in der kalten Winternacht beim Beschneien genau dieser Ökostrom aus der Steckdose des Skigebietes? Die Antwort ist ernüchternd: Das weiß wohl niemand so ganz genau. Man könnte also den Ökostrom-Faktor von 10 Gramm pro 1 kWh ablehnen und stattdessen die Emissionen der mittleren jährlichen österreichischen Stromaufbringung laut Umweltbundesamt ansetzen: 209 g / kWh. Dann wären wir bei etwa 819 Gramm pro Skifahrertag und einem Äquivalent von etwa 6,3 km Fahrt mit einem Verbrenner-Pkw. Die Wahrheit mag irgendwo zwischen den beiden Werten liegen.
Damit kommt dieser kleine Bericht schon zu seinem Ende. Hier soll nicht versucht werden, die ökologischen Auswirkungen der Beschneiung zu verharmlosen. Vielmehr soll der öffentlichen Diskussion darum ein faktenbasierter Rahmen gegeben werden. Die hier vorliegenden Zahlen sind Einzelwerte von der Steinplatte.
Eine breitere Untersuchung zum Ressourcenbedarf und den Emissionen der Beschneiung für ganz Österreich ist gerade am Laufen. Ein Dreier-Team aus Forschern der Universität Innsbruck und der Hochschule München arbeitet hierzu an einer wissenschaftlichen Publikation. Die dann vorliegenden Werte werden einen breiten Überblick über die Beschneiung in Österreich bieten.
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