Gerda Walton
Weihnachtssterne und Wintergrantler
Weihnachtsgeschichte

Alle Jahre kommt sie bekanntlich wieder, nein, ich meine jetzt nicht die wunderschöne, stressige Weihnachtszeit, sondern, für mich als große Blumenfreundin, natürlich die sie unweigerlich im Vorfeld begleitende Weihnachtsstern-Zeit.

Also ich mag diese zugegeben vielleicht ein bisschen aufdringlich wirkenden, riesigen roten Dinger, bei denen es sich eigentlich um keine Blüten, sondern um Hochblätter handelt, ausgesprochen gerne. Obwohl ich es mittlerweile vermeide, sie als Geschenk irgendwohin mitzubringen, da mir von jenen, die bereits alles haben, bereits mehrfach angedeutet wurde, dass sie den Weihnachtsstern mittlerweile etwas über haben.

Dabei gibt es ihn inzwischen ja auch in Weiß oder Rosa, auch gesprenkelt und sogar glitzernd besprüht wird er angeboten, und neuerdings gibt es sogar eine Züchtung die sich mouse ears, also Mäuseohren nennt. Aber mir gefällt er, vielleicht bin ich etwas konservativ, mit seinem klassischen Leuchtendrot doch nach wie vor am besten. Meiner um die Weihnachtssternzeit herum, nach dem unvermeidlichen frostigen Abschied von meinem geliebten Blumengarten, immer leicht angeknacksten Winterseele tut die Rot-Farbtherapie einfach gut. Vermutlich wäre das bei allen so, nur wissen viele nicht, dass schon ein einziger Weihnachtsstern am Fensterbrett ein Stimmungsaufheller ist. Sie bleiben lieber Wintergrantler.

Mich erinnert das winterliche Blütenmeer bei meinem Lieblingsgärtner immer an die vermutlich wahre Erzählung von der unglücklichen Burgpflegersgattin der Riegersburg, die als Blumenhexe verbrannt wurde, da sie im Winter Blumen zum Blühen brachte. Wie sich doch die Zeiten ändern! Heute könnte man sich um ganz wenig Geld und völlig ungefährlich ganz viel rote Sternenfreude ins Haus holen, und dann hat man sie dummerweise über.

Da ich den Weihnachtsstern glücklicherweise keineswegs über habe, wurde bei mir gegen Ende November, wie immer um diese Zeit, das Küchenfenster gründlich geputzt, der farblich genau zum Weihnachtsstern-Rot passende Übertopf mit weihnachtlichem Dekor auf seinem traditionellen Platz am Küchenfensterbrett bereitgestellt, und dann stand dem Einzug eines diesmal besonders schönen Prachtexemplars nichts mehr im Wege.

Nun sagt man mir ja nach, dass ich dort, wo bei anderen das Blut zirkuliert, Chlorophyll in den Adern hätte, und der Weihnachtsstern blüht bei mir problemlos eigentlich immer bis in den Sommer hinein. Aber diesmal war es anders. Natürlich könnte ich jetzt als Ausrede vorbringen, es sei ein Experiment gewesen, aber ich will ganz ehrlich sein: ich habe fatalerweise schlicht und einfach ein einziges Mal total auf ihn vergessen. Aber Selbsterkenntnis ist bekanntlich der erste Weg zur Besserung….

Als bekennende Blumenfreundin gestehe ich, dass ich es, für mich auf immer und ewig unvergesslich, letztes Jahr doch tatsächlich geschafft habe, meinen Weihnachtsstern noch vor Weihnachten zu killen. Eigentlich habe ich nur nach dem Keksebacken das frisch geputzte Küchenfenster gekippt und dann darauf vergessen, es über Nacht wieder zu schließen, was mir meine leider etwas temperaturempfindliche Farbtherapie-Pflanze ziemlich übelgenommen hat.

Kurz gesagt, obwohl draußen eigentlich nur wenige Minusgrade waren, war die rote Pracht am nächsten Morgen zu meiner großen Trauer nicht über, sondern total hinüber, ein Fall für den Komposthaufen.

Im Garten kenne ich ja etliche sogenannte Zeigerpflanzen, die Menschen mit Chlorophyll in den Adern auf einen Blick Auskunft über Boden- oder Düngerverhältnisse und dergleichen geben. Ich betrachte es in weiser Selbsterkenntnis mittlerweile so, dass ich jetzt eben eine neue für das Zimmer dazu gewonnen habe, denn inzwischen habe ich den Weihnachtsstern zu meiner Demenz-Zeigerpflanze auserkoren.

Weshalb ich mir heuer, natürlich rein aus medizinischen Gründen, ein besonders schönes Bio-Exemplar geleistet habe, damit ich den in Zukunft alljährlichen Test zum Jahresende mit Bravour bestehe. Nachmachen empfohlen, wobei es nicht unbedingt ein Weihnachtsstern sein muss, aber ich kann ihn sowohl als kombinierte Farbtherapie-, wie auch als Zeigerpflanze, wofür auch immer, bestens empfehlen!

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Gerda Walton

Gerda Walton ist ein wandelndes botanisches Lexikon. Sie hat in den letzten Jahren weit über 600 Gärten dieser Welt bereist, die sie mit viel Einfühlungsvermögen auch fotografisch festgehalten und über die sie zahlreiche Artikel in renommierten Gartenzeitschriften geschrieben hat.

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