Friedrich Hahn
Der frühe Hahn
Ein Autor auf der Suche nach sich selbst
Recherche
Es ist Zeit. Und die Regale voll. Übervoll. Und ich bin neugierig. Schon 30, 40 Jahre habe ich in meine ersten Veröffentlichungen nicht mehr hineingeschaut.
1981 erschien Kein schöner Land, eine Anthologie mit Beiträgen von 50 österreichischen Autoren über Stadt und Land Salzburg. Im Inhaltsverzeichnis alles Namen, die man heute noch kennt. Auch berühmte wie Peter Rosei, Erich Fried, Hans Weigel, Hilde Spiel. Von den Weggefährten, die ich näher kannte, fallen mir sofort Werner Herbst, Gerhard Jaschke, Gustav Ernst und noch viele andere auf. Die Auswahl besorgte übrigens Christoph W.Aigner.
Mein Text, der mit schon wieder so ein gefühl: mischventil. ganz weit unten. beginnt, hat keinen Titel (OT). Und ist eine Mischung aus der kältefalle, meiner allerersten Buchveröffentlichung, und ein bisschen verliebter Begehrlichkeit.
Eine andere Anthologie erschien 1990 aus Anlass des 20-jährigen Bestehens der Literaturvereinigung PODIUM. Köpfe, Herzen und andere Landschaften heißt sie und versammelt fast 100 Beiträge von Mitgliedern. Nicht nur, dass ich mich erinnere, dass ich in Abstimmung mit der Herausgeberin Renate Lerperger am Titel mitdokterte, ich bin auch überrascht, wenn ich in das Impressum schaue. Ich habe das Layout gestaltet und das Überraschendste: unter Verwendung einer bildnerischen Arbeit meines Schulfreundes Wolfgang Hölbling. Ich lese meinen Beitrag als hätte ich mein Langgedicht Winter im Kopf erst gestern geschrieben, so vertraut kommt er mir jetzt nach 35 Jahren immer noch vor. Bemerkenswert das Vorwort: Es stammt von keinem Geringeren als Prof. Wendelin Schmidt-Dengler.
Elf Jahre später erschien die zweite PODIUM-Anthologie. Dieses Mal zum 30er des PODIUM, Thema Lyrik, Titel: dicht auf den versen. Es ist ein Whoiswho der österreichischen Literaturszene. Von Aichinger bis Zenker. Ich bin mit vier Gedichten vertreten. Als Lesezeichen benutzte ich das Lyrik-Flugblatt von 2001, in dem ebenfalls ein Gedicht von mir abgedruckt ist.
Ein Jahr später heißt es Land auf, ein Katalog zu einer Gemeinschaftsausstellung in der Galerie Schloss Ottenstein. Wen seh ich da auf der Teilnehmerliste? U.a. einen Herrn Warlamis, einen Adolf Frohner. Und mich !!!! Fernsehen mit Bukowski hieß meine Installation. Damit schaffte ich es dann auch in den Katalog.
Einmal dürfte ich sogar bei einem Wettbewerb mitgemacht haben und sogar unter den Preisträgern gewesen sein. 1986 erschien jedenfalls eine Sonderausgabe des LESEZIRKELS, quasi als Anthologie des Lesezirkel-Kurzprosa-Wettbewerbs. Ich war mit meinen Eferdinger Endivien vertreten. Sylvia Unterrader, Fritz Widhalm, Reinhold Aumaier, um nur 3 von 15 PreisträgerInnen zu nennen, gehörten wie ich dieser illustren Runde der Ausgezeichneten an. Gesponsert war der Wettbewerb von der Zentralsparkasse, die es genauso wie die Wiener Zeitung, der dieses Sonderheft beigelegt war, nicht mehr gibt. Bei mir im Regal finden sich noch drei Belege, zwar schon etwas vergilbt, aber noch komplett und völlig unzerknittert.
In einem zweiten Durchgang finde ich auch die gebundene Anthologie. Der Titel: Landmassaker. Herausgeber waren für die Edition S Manfred Mixner und Thomas Pluch, zwei Herrschaften, mit denen ich auch sonst Kontakt hatte. Mixner war/wurde Ö1-Hörspiel-Chef. Und Thomas Pluch lud mich ein, bei seinen Drehbuchseminaren den Co-Referenten zu geben. Dreizehn Seiten merkengersch mein Beitrag.
Ugo Rubini, ein italienischer Professor für österreichische Literatur, zeichnete als Herausgeber der Anthologie FRAGMENTE AUS ÖSTERREICH. Er versammelte Beiträge u.a von Elfriede Gerstl, Anselm Glück, Josef Haslinger und Bodo Hell. Über mich gabs eine dreiseitige, professorale Einführung zu Auszügen aus E ist sonst ein Buchstabe und einen ebenso langen Aufsatz von mir zur Literatur aus Österreich mit dem Titel: Die Deutlichkeit liegt in der Vielfalt. Das Cover angemessen bunt, es zeigt Klimts Der Apfelbaum aus dem Jahr 1916.
Ich stöbere, grabe, entstaube weiter. Und stoße auf die Linzer Notate. Mit der Linzer Szene um Heimrad Bäcker war ich ja von allem Anfang an verbunden. So lernte ich auch Christian Steinbacher kennen. Er nahm sich insbesondere der Avantgarde an, zu der ich auch lange zählte. Steinbacher schrieb nicht nur selbst, er gründete auch seinen eigenen Verlag, BLATTWERK, und organisierte Lesungen in der Galerie Maerz. So war ich dann auch in seiner Anthologie Linzer Notate (1994) vertreten, wo alle, die da gelesen hatten, Beispiele ihrer Arbeit beisteuerten. Von mir kam ein drei Seiten langer Text, ein Text zwischen Prosa und Lyrik, der bezeichnender Weise mit O.T. betitelt war. Nur zwei Seiten und ganz ohne Headline oder Genrebezeichnung war mein Beitrag in der Anthologie, die Christian Steinbacher fünf Jahre zuvor unter dem Titel lotbuch a für den Sisyphus-Verlag zusammenstellte.
Von 1990 stammt eine Anthologie, die in der edition roetzer erschien. Sie hieß Kälte frisst mich auf und handelte von Selbstmorden unter Schriftstellerexistenzen. Und versammelte sehr unterschiedliche Texte wie solche von Friederike Mayröcker, Rolf Schwendter, oder Jack Unterweger. Mein Beitrag, eine Textmontage zum Freitod von Hermann Burger trug den Titel: GEGEBEN IST DER TOD. BITTE FINDEN SIE DIE LEBENSURSACHE HERAUS. Das Vorwort schrieb übrigens Prof.Erwin Ringel.
Einen ganz besonderen Stellenwert in der Liste meiner Veröffentlichungen nimmt die Anthologie SCHNITTMUSTER/TEXTE ZUM THEMA TRENNUNGEN ein, erschien sie doch im Wiener Frauenverlag. Darum musste ich auch zu einem kleinen Trick greifen: nein, keine Geschlechtsumwandlung. Ich verwendete ein weibliches Pseudonym. Ich erfand für den biografischen Anhang dann sogar einen eigenen Lebenslauf für meine Antja Weyss. Mein Ausgeliebt…vier Felder vor ist sogar einer der längeren Beiträge und geht über ganze 15 Seiten. Dass sie auf mich hereingefallen ist, dafür ist mir die Herausgeberin, Sylvia Treudl, wahrscheinlich noch heute, 33 Jahre später, gram.
Ich komme ja von der konkreten, visuellen Poesie. Als solcher habe ich es sogar in eine jugoslawische Anthologie namens DELO (was auch immer das heißt) gebracht. Ich als Jüngling mit meiner MOND-MUND-Grafik auf nacktem Oberkörper, mitten unter all den Jandls, Kriwets, Gomringers. Leider hab ich keine Jahreszahl in dem Büchl entdeckt.
Von meiner Teilnahme an der Polyphonix im Centre Georges-Pompidou liegt ein gewichtiger Katalog vor, in dem ich mit einer Fotoarbeit vertreten bin, auf der eine Zigarette, ein Raumthermometer und das Tages-Fernsehprogramm vom 16.August collagiert sind. Auch das Datum meiner Performance DIE UFER. EINE STATION ist penibel vermerkt: 20.Mai 1988. Vom musikalischen Teil der Performance, den ich gemeinsam mit Rudi Aigelsreiter einspielte, gibt es sogar eine Langspielplatte.
Den Katalog zur Ausstellung Fotografie 83 hüte ich wie einen Schatz, weil ich mit meinem Betrag auch viel Persönliches verbinde. Kuratiert hat diese Schau in der Wiener Stadthalle Christian Michaelides. Brus, Cibulka, Mapplethorpe, Aba, Zahornicky, Kandl, mit einem Wort alle, die damals (und auch heute noch) Rang und Namen haben, waren vertreten. Ich zeigte in einer Collage vier Fotos meiner Mutter in Rückenansicht, am Schädel die Röntgenmarkierungen vor ihrer Gehirn-OP.
Zurück zur Literatur. Mein erster gebundener Text nach meinen konkret-experimentellen Anfängen handelte von Wittgenstein. Vom Klassenzimmer des BG9 in der Kundmanngasse hatte man einen unverstellten Blick auf die Wittgensteinvilla. Ich war 17 und trug Wittgensteins Tractatus wie einen Ausweis immer bei mir. Auch Schopenhauer und Arno Schmidt standen damals auf meiner privaten Leseliste. Ein Text über Schopenhauer sollte dann überhaupt meine erste Veröffentlichung sein. Erschienen ist der Text in den NEUEn WEGEn. Keine Ahnung, ob ich da noch irgendwo in den Tiefen meiner Billyregale ein Exemplar finde.
Auch von den nachfolgenden Veröffentlichungen in den NEUEn TEXTEn, im PULT und im PODIUM und in der KOLIK sollte es noch Belege geben. Aber wen interessiert’s? Kurz war da so eine Idee, alle Beiträge, die in Zeitschriften und Anthologien verstreut erschienen sind, in einem Sammelband zu publizieren. Da käme einiges zusammen, wenn ich nur an die neueren Beiträge denke: Die ORF-Anthologie, die Jubiläumsanthologie der Gesellschaft der Literatur, die Lyrik-Jahrbücher des Sysiphus-Verlages, oder den Auslese-Band der Literaturedition NÖ, für den ich auch die Cover-Grafik beisteuerte. Soweit die Primärliteratur.
Auch einen Sammelband von all meinen Buchrezensionen könnte ich mir vorstellen. Das Problem: Frühe Texte, frühe Besprechungen (damals u.a. für Kurt Kahl/KURIER und Volkmar Parschalk/ORF) liegen nicht als digitales Dokument vor. So mach ich daher jetzt auch Schluss.
Denn die Frage ist nicht nur, wen interessiert’s bzw wer wollte das schon drucken? Die Frage, die ich mir vor allem stellen muss, wird letztendlich sein: Wofür habe ich das hier überhaupt geschrieben!
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Schreib etwas mit Ewigkeitswert!
haha 🙂
Hallo Friedrich, ich glaube, die Frage „Wofür habe ich das hier überhaupt geschrieben!“ stellt sich nicht wirklich. „Man“ schreibt, weil man schreiben muss. Punkt. Andere malen oder musizieren, Schriftsteller schreiben.
Für Dich stellt sich wohl eher die Frage: Für WEN habe ich…“ Einzig für Dich! Und Dein Ego, das sich jetzt brüsten darf, eine Menge Bücher produziert zu haben oder die Frage: Wozu mussten so viele Bäume deinetwegen sterben?
Alles eine Frage der Sicht.
Kill ruhig noch ein paar Bäume, die wachsen ja lt. Holzwerbung ohnedies irre schnell nach.
danke hannes für deinen kommentar!
freilich ist eitelkeit dabei. was ich mich nur gefragt hab, warum und wozu ist man so geil, irgendwo vorzukommen,zu publizieren, wenn es im normalfall eh nach ein paar jahren niemanden interessiert…
LG vom harmoniegassenland nach tirol