Friedrich Hahn bespricht:
Wolfgang Siegmund
Von der Sehnsucht
nach dem Guten in der Kunst
Denkanstöße einer kleinen gemalten Figur
Mich hat das immer schon interessiert: Wer bestimmt in den Feuilletons, in den Literatursendungen im Fernsehen, welches Buch, welcher Autor, welche Schriftstellerin besprochen wird? Mein Verdacht: Es sind nicht immer gerade literarische Kriterien. Was ist auch der Nutzen, die 17. Rezension eines neuen Buches eines Erfolgsautors zu lesen?
Meine persönlichen Kriterien sind da schon transparenter. Entweder der Autor oder die Autorin zählen zu meinen Lieblingen. Etwa Knausgard, Achternbusch, Ortheil, Kronauer, Juli Zeh, um nur einige zu nennen. Oder mich interessiert ein ungewöhnlicher Plot bzw. ich kenne den Autor, die Autorin als Weggefährten, verfolge schon lange ihren Werdegang. So einer ist Wolfgang Siegmund.
Ich habe ihn sehr früh als Lyriker kennengelernt, der die Sprache nicht nur als Mittel zum Zweck verwendete. Dann verlor ich ihn für Jahrzehnte aus den Augen. Nun also seine poetisch-philosophischen Betrachtungen.
Worum es in der SEHNSUCHT NACH DEM GUTEN IN DER KUNST geht? Aber lassen wir den Autor gleich selbst zu Wort kommen: Die Geschichte ist ganz einfach: Eine Figur auf einem Bild kritisiert unsere heutige Gesellschaft, und das märchenhaft erzählt. Untermischt von philosophischen Zitaten. Das ist alles. Als ich die Urfassung an der Uni Klagenfurt als Doktorarbeit vorlegte, haben sie mich lächelnd aus dem Seminarraum gejagt. Zu einfach, nicht genug für eine akademische Weihe. Bumm. Ich dachte mir, jetzt kriegst keinen Satz mehr auf die Reihe. Dann, nach langer Frustzeit, hab ich meine wilde Fassung geschrieben.
Und die liegt nun dank Passagen-Verlag in Buchform vor.
Wolfgang Siegmund nimmt uns auf seinem Weg zu seinem literarisch-philosophischen Leuchtturm Wittgenstein mit durch Räume, die es nicht gibt, zu Orten, wo die Grenzen Buchseiten sind und die Gedanken sich zu einem fröhlichen Stelldichein der Gegensätze einfinden. Siegmunds Trick: Nicht er selbst steigt auf den Hochsitz der gewagten Perspektiven, nein, es ist eine kleine, gemalte Figur, die er durch die Kunstgeschichte und damit auf die Suche nach dem Guten in der Kunst schickt.
Ausgangspunkt ist Wittgensteins Tractatus-logico-philosphicus und sein Dictum: Ethik und Ästhetik sind Eins.
Das könnte vieles bedeuten. Zum Beispiel, dass sich unsere kleine gemalte Figur auf die Spur der Gesetzmäßigkeit der Wirkweise menschlichen Reagierens begibt. Hier tut sich ein weites Feld auf. Bis hin zu den Gänsen von Konrad Lorenz.
Natürlich hab auch ich meinen Tractatus gelesen. Da war ich 17 oder höchstens 18. Verstanden hab ich wenig. Vielleicht, dass ich eine Ahnung mitbekam. Aber auch für mich 17-Jährigen hat die kleine gemalte Figur kleine Tröstungen und sanfte Lösungen parat: es hat auch Charme, nicht immer alles zu verstehen. Bitte! Wer sagt’s denn (?)!
Es ist noch ein zweites Kriterium, das dieses Gespräch unter Bildern, wie es im Untertitel heißt, so besonders macht. Es ist die Sprache. Siegmund hat Wittgensteins Dictum Philosophie dürfte man eigentlich nur dichten dann auch als eines von zwei Mottos (oder sagt man Motti?) vorangestellt. Fazit des Autors: Ethik und Ästhetik lassen sich nicht sagen, sie sprechen in einer Sprache, die nicht spricht.
Ich lass das einmal für mich so wirken: Eine Sprache, die nicht spricht? Könnte damit nicht etwa die pure Poesie gemeint sein? Eine Poesie, wie man sie nur in der Aktivität der passiven Anschauung erlebt?
Wolfgang Siegmund: VON DER SEHNSUCHT NACH DEM GUTEN IN DER KUNST, poetische philosophie, Passagen Verlag 2025, 200 Seiten, € 29,-
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