Friedrich Hahn bespricht:
Mae Schwinghammer
Alles dazwischen, darüber hinaus
Roman

Der Haymon-Verlag hat sich in seinem Programm auf die Fahnen geschrieben, unerhörte Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Eine dieser Stimmen ist Mae Schwinghammer. Es ist ihr Romandebüt. Ihr? Auf der hinteren, inneren Umschlagseite lese ich: Mae Schwinghammer (they/sie/ihr/keine), geboren 1993, aufgewachsen in Wien-Simmering studiert Spachkunst usw.

Alles Dazwischen, darüber hinaus beginnt als typischer Coming-Age-Roman. Ich-Figur ist ein gewisser Michael. Er hat als Kleinkind Schwierigkeiten mit dem Sprechen, es braucht eine Logopädin, die ihm hilft, zur Sprache zu kommen. Aus Ich ab leine Orung wird Ich habe keine Störung. Michael wird also scheinbar problemlos erwachsen. Fast bin ich enttäuscht, habe ich mir doch schon die Bücher von Hanns-Josef Ortheil und Axel Brauns zurechtgelegt, um daraus zu zitieren. Doch wie gesagt, es kommt ja anders.

Aus Michael wird Mae. Doch erst wird ganz normal Matura gemacht, der Grundwehrdienst absolviert und studiert. Aber irgendwas ist anders. Erste Anzeichen: das Anprobieren eines BHs, sexuelle Erfahrungen andersherum, Partypillen, Träume. Das Vorher wird im Wechsel der Zeiten zum Nachher. 

Mae Schwinghammer lässt uns in kleinen Häppchen an der Entwicklung von Michael zu Mae teilhaben, ohne groß zu psychologisieren.

Von Michael zu Mae ist es ein weiter Weg, dazwischen stehen 49 verschiedene Namen (aufgelistet auf Seite 218/219). Ich denke an ein Zitat, halte es mit Knausgard, der sinngemäß schrieb, dass er es für opportun hielte, sich für seine unterschiedlichen Ichs im Leben unterschiedliche Vornamen zu geben. 

Schließlich ist es, wie es ist. Und angeblich gilt das ja als Liebe. Ich stelle mich quer zur Norm und werde queer.

Ein Buch, ein Romandebüt als Outing. Die Häppchen-Form, der oftmalige Zeitenwechsel und die einfache, dünne Sprache haben mich literarisch zwar nur bedingt überzeugt, aber menschlich hat mich die Story dann doch berührt.

Mae Schwinghammer: Alles dazwischen, darüber hinaus. Roman, Haymon Verlag, 232 Seiten, € 22,90

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Hahn Friedrich

Geboren 1952 im Waldviertel / NÖ, schreibt und veröffentlicht seit 1969. 54 Bücher mit Lyrik, Prosa sowie 20 Arbeiten für den Rundfunk und für die Bühne (zuletzt „im rücken des schattens“, die rampe, Stuttgart 2004). Performances (u. a. im Centre George Pompidou/Paris im Rahmen der Polyphonix), Ausstellungen und Kataloge (u. a. „remakes“: Museum Moderner Kunst/Wien, „unterm strich“: Galerie Eichgraben, „allerhand hahn“: CA-Galerie im TZ). Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung und des Literaturkreises "Podium". Lebt in Wien/Alsergrund. www.literaturhahn.at

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