Elias Schneitter
Schafft die "Kekse" endlich ab!
Über den Nazi Ferdinand Obenfeldner
Notizen

Kürzlich ist wieder die Diskussion aufgeflammt, dass der Tiroler Landtag einigen Männern mit Nazi-Vergangenheit Orden, die sie in der zweiten Republik für ihre Leistungen erhalten haben, posthum aberkennen soll. Unter diesen Nazi-Größen ist auch Ferdinand Obenfeldner, der bis Oktober 1940 bei der Gestapo in Innsbruck tätig war. Nach dem Krieg war er viele Jahre Direktor der TGKK und vor allem Vizebürgermeister der Stadt Innsbruck.

Im Jahr 2005 erschien im Wiener Czernin Verlag das Buch Der Wille zum aufrechten Gang. Angeregt wurde diese Publikation vom ehemaligen sozialdemokratischen Innenminister Caspar Einem. Darin sollte auch die Rolle des BSA (Bund Sozialistischer Akademiker) bei der Reintegration ehemaliger NS-Mitglieder behandelt werden. Autoren waren zwei Mitarbeiter der DÖW (Dokumentationsstelle des österreichischen Widerstandes). Im Informationsblatt des Verlages heißt es: …es sollte die Reintegration von NS-Akademikern seitens der SPÖ und des BSA bearbeitet werden…. Gleich nach dem Krieg herrschte ein gravierender Mangel an Fach- und Führungskräften, der sich hauptsächlich mit der Vertreibung und Ermordung der sozialdemokratisch-jüdischen Intelligenz in der NS-Zeit erklären lässt…

In diesem Buch wurde zum Beispiel die Karriere des Arztes Dr. Heinrich Gross nachgezeichnet, der als Stationsleiter an der Wiener Euthanasie-Klinik Am Spiegelgrund behinderte Kinder für Forschungszwecke missbrauchte und an ihrer Ermordung beteiligt war und dann in der Zweiten Republik als Mitglied der SPÖ als Arzt und Gerichtspsychiater tätig war.

Ebenso wurde neben anderen auch die NS-Vergangenheit des ehemaligen Innsbrucker Vizebürgermeisters Ferdinand Obenfeldner angeführt. Dabei stand vor allem seine Zeit bei der Gestapo und seine Beteiligung an der Reichskristallnacht im Fokus.

Gemeinsam mit meinem Arbeitskollegen Paul Endl hatte ich nach Erscheinen des Buches häufig Kontakt mit Obenfeldner. Wir beide kannten ihn persönlich sehr gut, weil wir als Mitarbeiter viele Jahre in der TGKK tätig waren, darunter auch eine Zeitlang unter seiner Führung als Direktor. Daher beschlossen Endl und ich, einen Lebenslauf über Ferdinand Obenfeldner zusammenzustellen. Das Buch ist dann im Kyrene Verlag erschienen.

Natürlich galt unser Interesse besonders seiner Beteiligung an der Reichspogromnacht im November 1938. Detailliert schilderte er uns den Verlauf während dieses und der folgenden Tage. Dabei stellte er mehrmals mit Nachdruck fest, dass er weder bei Folterungen jüdischer Menschen noch bei anderen Gewalttaten gegen diese beteiligt war. In unserem Buch haben wir diese Stunden genau nachgezeichnet und ich bin heute noch überzeugt, dass er die Wahrheit gesagt hat. Auch wurde sein Fall bereits in früheren Jahren vonseiten der Wissenschaft untersucht, wobei dabei stets festgestellt wurde, dass Obenfeldner keine Gewalttaten nachgewiesen werden konnten. Eine Formulierung, die man natürlich so oder so lesen kann.

In Der Wille zum aufrechten Gang wurde Obenfeldner jedenfalls als Mittäter dargestellt, wogegen er sich sowohl bei dem Herausgeber als auch beim Verlag mit zahlreichen Dokumenten vehement gewehrt hat, zumal nachweislich mehrere unrichtige Behauptungen über ihn aufgestellt wurden, auf die wir in unserem eigenen Buch eingegangen sind.

Nur als kleines bezeichnendes Detail sei hier angeführt, dass es um Akademiker (BSA) gehen sollte, F. Obenfeldner aber nie eine akademische Ausbildung durchlief. Wahrscheinlich wollte man das Buch durch die Nennung seines Namens einfach ein wenig auffetten. Aber das nur nebenbei.

Wegen der falschen Fakten gab es auch ein klärendes Gespräch in Innsbruck zwischen Caspar Einem und Ferdinand Obenfeldner. Dabei wurde von Herrn Einem nach neuerlicher Prüfung versprochen, dass die falschen Beschuldigungen in einer zweiten Auflage entfernt würden. Dazu kam es aber nicht. Und bald darauf ist Herr Obenfeldner verstorben.

Erst kürzlich habe ich im Fernsehen den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess teilweise mitverfolgt, in dem führende NS-Größen angeklagt wurden. Von einigen Beschuldigten wurde, nachdem ihnen Filme und Fotos von den Konzentrationslagern gezeigt wurden, ins Treffen geführt, dass sie davon nichts gewusst hätten, weil es üblich sei, dass an die Spitze des Staates viele Meldungen nicht durchdringen würden. Bei solchen Aussagen bleibt einem die Luft weg und es braucht einen guten Magen, um das zu verdauen.

Darum ist es völlig klar, dass auf alle und jeden, die in dieser barbarischen Schreckenszeit eine Funktion innehatten, sofort mit Ablehnung und einem vernichtenden Urteil reagiert wird. Trotzdem sollte doch auch eine gewisse differenzierte, faktenbezogene Betrachtungsweise möglich sein.

Was die posthume Aberkennung der Orden betrifft, sollte diese ruhig vonstatten gehen. Ich halte es ohnehin mit Helmuth Schönauer, der immer wieder gefordert hat, schafft doch endlich diese blöden Keks ein für allemal ab.

Literatur:
Wolfgang Neugebauer, Peter Schwarz: „Der Wille zum aufrechten Gang“, Czernin Verlag / Paul Endl, Elias Schneitter: „Tiroler und Sozialist“, Kyrene Verlag

 

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Elias Schneitter

Elias Schneitter lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Civetta“ (baes) und der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Zirler Blues“ (baes). Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), in der ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) bis 2023 in Hall, seit 2024 in Kufstein.

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