Elias Schneitter
Kleine Wahl-Nachbetrachtung
Notizen

In meinem Leben habe ich bereits zahlreiche Nationalratswahlen erlebt. Diesmal ist mir aufgefallen, dass es so wie bei früheren Urnengängen keine dezidierten Personenkomitees für bestimmte Politiker oder Parteien gegeben hat. Es wurde zwar häufig vor einem bevorstehenden Rechtsruck gewarnt, aber dass Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Künstler, Wissenschaftler, Manager sich direkt für den einen oder anderen Spitzenkandidaten ausgesprochen hätten, habe ich nicht bemerkt.

Woran das gelegen ist, weiß ich nicht. Hatte man vielleicht Bedenken, dass man sich nach einem größeren politischen Umbruch auf der falschen Seite befinden würde? Oder hatte man in die wahlwerbenden Proponenten wenig Vertrauen?

Apropos wahlwerbende Politiker: Von den Fernsehstationen gab es Streitgespräche (Elefantenrunden!) mit den Spitzen bis zum Überdruss. Was hier vielleicht auch einmal interessant gewesen wäre: Warum lädt man nicht auch Wahlwerbende aus der zweiten und dritten Reihe ein? Warum immer nur dieselben? Die vorne dran?

Der Wahlsieg ging klar an Herrn Kickl und seine FPÖ. Im Wahlkampf hat sich Kickl auch klar positioniert. Er kämpfte gegen die herrschenden Eliten und gegen die Migration. In dieser Hinsicht ist Viktor Orbán sein Vorbild. Eben jener Herr Orbán, der zehntausende Asylwerber zu uns nach Österreich weiter geschickt hat. Wahrscheinlich bezog sich Kickls Dank auf diese Flüchtlinge, denn ohne Hetze gegen sie wäre sein Erfolg sicher nicht so hoch ausgefallen. In diesem Sinne muss er dem ungarischen Premier sogar sehr dankbar sein.

Was die Migration betrifft, trägt die Stadt Wien ohne Zweifel die Hauptlast. Dabei ist interessant, dass die FPÖ in der Hauptstadt mit 20 %-Punkten weniger gut abschnitt. In den Bezirken Josefstadt und Neubau kam sie knapp an die 10 % Marke heran. Anscheinend ist der Großteil der Wiener nicht vom Weg der Kickl-FPÖ in der Migrationsfrage überzeugt.

Dafür erreichte die FPÖ in Tirol ein hervorragendes Ergebnis. Ausgerechnet in dem Land, das dem Tourismus seinen Wohlstand verdankt und wo dieser Industriezweig ohne ausländisches Personal zusperren könnte. Hier sehnt man sich nach der Festung Österreich/Tirol zusammen mit der Bewegung raus aus der EU und vielleicht auch noch zurück zum Schilling.

Die weitaus besten Ergebnisse erreichte die FPÖ in der Steiermark und in Kärnten. Kärnten ist übrigens jenes Land, das ein blauer Strahlemann an den Rand des finanziellen Ruins geführt hat, den der dumme Steuerzahler zu verhindern hatte. Missbrauch von Fördergeldern, Hypo Alpe Adria, Korruption, verurteilte Politiker konnten die Wählerschaft nicht verscheuchen.

Es gibt in der Demokratie den Spruch, der Wähler hat immer recht. In der Demokratie bestimmt die Mehrheit. Das ist okay. Hat sie sich falsch entschieden, muss das auch die Mehrheit wieder ausbaden. Siehe Großbritannien, siehe Brexit!

Wie mir zu Ohren gekommen ist, gibt es Leute, die sich über meine harmlosen Beiträge im Blog grün und blau ärgern. Da kann ich nur sagen, cool down und bevor sie neuerlich in Rage kommen, einfach meine Kommentare ignorieren.

Und zuletzt möchte ich versöhnlich abschließen:
28,9 % haben blau gewählt, 71,1% nicht.
8,2 % haben grün gewählt, 91,8 % nicht.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) bis 2023 in Hall, seit 2024 in Kufstein.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. c. h. huber

    lieber helmut schiestl, du hast mit deinem kommentar den nagel auf den kopf getroffen, gratuliere!

  2. Rainer Haselberger

    Hitler hatte in der Reichstagswahl vom 6. November 1932 etwa ein Drittel der Wählerstimmen.
    „Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch Reichspräsident Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 markierte das Ende der parlamentarischen Demokratie. Der Regierung gehörten neben Hitler zunächst nur zwei weitere NSDAP Mitglieder sowie acht Politiker aus dem konservativen Lager an.“ (Dt. Bundestag, https://www.bundestag.de/besuche/ausstellungen/verfassung/tafel22/tafel22-199844)

    Wenn man bedenkt, dass Norbert Hofer Chancen auf die Bundespräsidentschaft hatte, scheint heute wieder vieles möglich, über das wir uns „noch wundern werden“!

  3. Reinhard Kocznar

    Siehe Großbritannien, siehe Brexit…

    Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in USD änderte sich von 1992 bis 2022 in…

    Österreich +111%
    Deutschland +84%
    Frankreich +74%
    Italien + 46%

    Nicht bzw. nicht mehr EU…

    Vereinigtes Königreich +122%
    Schweiz +130%
    Norwegen +191%

    Das Bruttoinlandsprodukt Mrd USD änderte sich von 1992 bis 2022 in…

    Österreich +58%
    Deutschland +48%
    Frankreich +50%
    Italien + 34%

    Nicht bzw. nicht mehr EU…

    Vereinigtes Königreich +62%
    Schweiz +66%
    Norwegen +73%

    Amüsant im selben Zeitraum 1992 – 2022

    Tschechien, Bevölkerungsminus 33%
    BIP/Kopf +804%, BIP +84%
    Rumänien, Bevölkerungsminus 14%
    BIP/Kopf 1.576%, BIP 93%
    Russland, Bevölkerungsminus 3%
    BIP/Kopf 346%, BIP 77%

    Europa gesamt, BIP/Kopf 125%, BIP 57%
    USA BIP/Kopf 196%, BIP 74%

    Unbelehrbar? Wer sich hier nicht belehren lassen will ist nicht schlecht aufgestellt.

  4. Helmut Schiestl

    Meines Wissens ist Klaus Maria Brandauer für Andi Babler in die Bresche gesprungen bzw. hat ihn unterstützt. Sonst wäre mir auch wenig bekannt, was Unterstützungserklärungen für die SPÖ oder die Grünen betrifft. Es gab aber schon Aufrufe gegen Herbert Kickl von der linken Promiseite.

    Was Orban betrifft, wäre natürlich auch die Frage zu stellen, ob die Asylsuchenden in dieses Land überhaupt wollen. Die meisten der Asylsuchenden oder soll man doch besser sagen, Wirtschaftsflüchtlinge, wollen in wirtschaftlich prosperierende Länder wie Österreich, Deutschland, Schweden usw. Egal ob sie jetzt der Orban alle durchwinkt, ich glaube eher, dass sie durchgewunken werden wollen.

    Bei der ganzen Migrationsdiskussion wird meiner Meinung nach auch immer wieder etwas verwechselt, wenn man von dem großen Arbeitskräftebedarf vor allem im Tourismus redet, der mit der von Kickl geplanten Festung Europa dann überhaupt nicht mehr abgedeckt werden kann. Dabei geht es doch in diesem Fall um qualifizierte Kräfte, und nicht um Menschen, die kaum ein Wort Deutsch sprechen, also erst mal hinlänglich ausgebildet werden müssten. Und ob die sich alle ausbilden lassen können und auch wollen, bezweifeln eben viele. Dass sie hingegen die Sozialsysteme belasten, ist statistisch leider nachgewiesen.

    Ob der Wähler immer recht hat, darf wohl auch bezweifelt werden. Wie oft hat er schon falsch gewählt! Schwarz-blau zweimal bereits, mit den bekannten Schäden, die du ja auch am Beispiel Kärntens unter Jörg Haider erwähnt hast. Nein, der Wähler und die Wählerin haben einfach eine Wut auf so viele Missstände in der Politik, wozu nicht zuletzt eben neben der Teuerung auch die leidige Migrationsproblematik zählt.

    Früher hätte man in der linken Reichshälfte zu den Flüchtlingen gesagt, Leute, stürzt die Diktatoren in euren Ländern, wer soll es sonst machen, wenn nicht Ihr! Wir schicken euch Geld und das nötige Know-how dazu. Gebe zu, dass dieser Weg auch nicht immer von Erfolg gekrönt war, siehe etwa Nicaragua! Doch der jetzt von den linken und christlichen Mainstreamdenkern forcierte ist es wohl auch nicht, wenn wir nicht den Rechten und Rechtsrechten das Feld überlassen oder unsere Staaten in die Unregierbarkeit treiben wollen.

  5. Rudolf Ostermann

    Eine ruhige und klare Analyse. Genau so stellt sich die politische Landschaft dar. Trotzdem kotzen mich die 29% Unbelehrbaren an.

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