Elias Schneitter
Die Kugel ist rund.
Notizen zur Fußball EM

Die Fußball EM steht vor der Tür und ich muss ehrlich gestehen, ich freue mich darauf.

Wie es möglich ist, dass der Fußball eine derartige Faszination auf viele Menschen ausübt, mag rätselhaft erscheinen und viele Gründe haben. Mein Vater hielt nicht gerade viel von den Balltretern und er war auch nie am Sportplatz, als ich als junger Spieler selbst noch dem runden Leder hinterherjagte. Er meinte höchstens: Wie können 22 Mann so blöd sein und einem Ball nachrennen.

Bei mir war das ganz anders, denn der Fußball in verschiedenen Formen hat mich mein Leben lang begleitet, als Spieler, Trainer, Funktionär, Stadionzeitungsmacher, Fan. Aber vor allem, und das wird wahrscheinlich der springende Punkt gewesen sein: ich bin mehr oder weniger auf dem Fußballplatz aufgewachsen.

Das war damals der Platz im Äuele, einem kleinen Dorfteil unserer Heimatgemeinde. Aus heutiger Sicht war diese Stätte nicht viel mehr als eine bessere Schotterhalde. Trotzdem verbrachten wir den Großteil unserer Freizeit dort, kreuzten unsere Schienbeiner mit hochroten Köpfen und holten uns Schürfwunden und blaue Flecken, wenn es in unseren Straßenkämpfen gegen die Mühlgassler oder die Russhüttler oder die Schwimmbadler ging, und ein Sieg zählte damals ohne Zweifel auch nicht weniger als heute ein Sieg in der Championsleague.

Sonntags war meist Großkampftag, weil unsere Mannschaften und vor allem die Erste ihre Meisterschaftsbegegnungen abhielten. Damals kamen stets drei- bis vierhundert Besucher ins Äuele und oft artete das Spiel in eine wahre Schlacht aus, wenn es z.B. gegen die Nachbargemeinden Inzing oder Hatting ging.

Noch heute könnte ich die Mannschaftsaufstellung unseres Teams auswendig hersagen, angefangen vom Panther von Zirl, den Viech Ernst im Tor, oder unser Stopper, der Bossn Adi, der mit seinem Gewaltschuss die Hanfnetze zerfetzte.

Auch kann ich noch das Sägemehl riechen, das in der Holzbaracke in Säcken stand, denn früher wurden die Linien mit Sägemehl vom Sägewerk Glatz gezogen, wobei der Begriff gerade Linie noch eine andere Bedeutung hatte. Duschen gab´s keine und wer sich abwaschen wollte, tat dies im Ehnbach, der neben dem Spielplatz in den Inn floss. Auch für das leibliche Wohl wurde durch die Maier Leni gesorgt, die in einem kleinen Verschlag Bier für die Erwachsenen und Zuckerreis, Mannerstangen und Egger Kracherln verkaufte. Nie wieder in meinem Leben habe ich je wieder so gute Kracherln getrunken, wie jene vom Egger Toni.

Natürlich, diese Zustände sind heute kaum noch vorstellbar und mit den Jahren gab es auch in unserem Heimatdorf eine annehmbare Sportstätte.

Wenn man heute den internationalen Fußball und all seine Machenschaften beobachtet, und die Europameisterschaft ist ein Teil davon, dann gibt es jede Menge daran zu kritisieren. Exorbitante, durch nichts zu rechtfertigende Gehälter und jede Menge Korruption etc.: aber das Spiel selbst hat seine Ästhetik und am Rasen tummeln sich einige Zauberkünstler! Und denen zuzusehen, das bereitet mir einfach Freude.

In Wien gehöre ich zu den Anhängern des Wiener Sportclubs. An Spieltagen, jeweils am Freitag Abend pilgern zu diesen Matches immer so an die zweitausend Besucher. Einmal bin ich zu früh zu einem Spiel gekommen und bin daher in die Fan-Kantine gegangen. Dort traf ich auf einen anderen Fan mit Trikot und Mütze. Ich kannte ihn nur vom Sehen, nicht persönlich. Ich fragte ihn, wie das Spiel heute ausgehen würde. Er schaute mich groß an. Keine Ahnung, sagte er, weiß ich nicht. Aber ich bin nicht wegen dem Ergebnis hier, sondern wegen der Stimmung!

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Robert Muskat

    A propos Fußball: ist es nicht merkwürdig, dass unsere Nationalmannschaft erst so gut spielt seit der Alaba im Krankenstand ist? Dass er nicht mehr unnütz am Feld herumsteht und glotzt, wo die nächste Kamera ist, animiert unsere Elf sehr!

  2. Helmut Schiestl

    Dem kann ich mich auch anschließen. Vor allem hat das liebe Geld diesen Sport schon lange ruiniert! Lieber schaue ich mir die Millionenshow im ORF an, da kann eine Person wie du oder ich mit viel Wissen und Glück zumindest für ihre Verhältnisse eine schöne Summe Geld gewinnen oder aber auch nicht, und dann wieder so unprätentiös weiterleben wie bisher.

  3. Karlheinz Veit

    Mei Robert Muskat ,
    behalt Deine Haßorgien besser für Dich ! Millionen auf diesem Erdball haben Spaß mit dieser Sportart und nur weil Sie Dir nicht gefällt…..! Was soll’s ? Dein Kommentar so spannend wie das umgefallene Radl in Peking !
    Vive le football !
    https://www.youtube.com/watch?v=WpmngPnYRJo

    1. Robert Muskat

      Das sind keine Hassorgien, sondern Tatsachen. Oder wollen Sie behaupten, es sei gerechtfertigt, wenn diverse Sportler, nicht nur Fußballer, Millionen in den A…. geschoben bekommen, während hart arbeitende Menschen in Industrie und Landwirtschaft um jedes Zehntelprozent Lohnerhöhung betteln und streiken müssen?

  4. Robert Muskat

    Fußball! Es ist wieder mal so weit! Endlich wieder ein Grund, zuhause abzuhauen, sich einer Gruppe grölender biersaufender Männer anzuschließen. Vielleicht gibt’s auch noch eine coole Prügelei, das wäre die Krönung.
    Hat eigentlich schon mal jemand darüber nachgedacht, dass weltweit hunderte Millionen nichts gescheites zu essen haben, dass sie schon 7,8 jährige Kinder arbeiten lassen, damit sie über die Runden kommen. Nein, man feiert Proleten, die oft keine zusammenhängenden Sätze rausbringen, aber ein Vermögen dafür erhalten, dass sie 90 Minuten einem Ball nachlaufen. Sehr menschlich, oder?
    Bitte das einfach in Ruhe durchlesen und verdauen. Danke im Namen aller Normalos.

Schreibe einen Kommentar