Elias Schneitter
Die Koalitionsverhandlungen sind gescheitert.
Der Kärntner Messias freut sich.
Notizen

Also, jetzt sind die NEOS aus den Koalitionsverhandlungen ausgestiegen. Eine völlig neue Situation.

Nun, ich halte von Umfragen grundsätzlich nicht allzu viel, trotzdem konsumiere ich sie. Sie lassen uns glauben, dass die FPÖ inzwischen bei 37 % Wähleranteil liegt. Das müsste jetzt mit anderen Worten heißen, dass der Kärntner Messias für eine Regierungsbildung an der Reihe ist.

Nur: Wie wird jetzt unser Bundespräsident auf diese neue Entwicklung reagieren? Verhindert er Kickl? Oder erteilt er ihm aufgrund des öffentlichen Drucks den Auftrag? Dann wäre wahrscheinlich Nehammer bald Geschichte. Kommt dann die Salzburgerin Karoline Edtstadler oder steigt Sebastian Kurz wie der Phönix aus der Asche? Oder versucht es Schwarz/Rot mit einer fragilen Mehrheit? Oder kommen die Grünen wieder ins Spiel?

Realistischer Weise scheint mir, dass jetzt – zum dritten Mal – Schwarz/Blau kommen wird. Oder es stehen sehr bald Neuwahlen vor der Tür? Alles ist möglich.

Und ich verrate kein Geheimnis, aber für mich ist Kickl nicht die Lösung, sondern eher der Untergang (Übertreibung) unseres Landes. Dafür gibt es genügend Gründe. Vor allem, ich brauche keine Orbanisierung Österreichs. Und das wäre ohne Zweifel der Fall, wenn Kickl mit seiner Truppe die Macht übernimmt.

Die Blauen und Kickl wenden sich immer mehr von den traditionellen, öffentlich rechtlichen Medien ab und schaffen ihre eigenen Kanäle. (Man lässt sich doch nicht von jedem dahergelaufenen Journalisten blöde, kritische Fragen stellen.) So weit ich diese neuen Informationsplattformen kenne, werden dort vor allem Emotionen geschürt und kaum konkrete, sachliche Argumente geliefert. Wie würden unter den Blauen ernsthaft die anstehenden Probleme Österreichs gelöst: Das Budgetloch, das Gesundheits- und das Bildungssystem?

All diese Probleme zu lösen, indem man Asylanten und Migranten in Ausreise-Zentren steckt, um sie dann zurück in ihre Heimat zu schicken – damit wird man kaum Probleme lösen, höchstens große neue Unruheherde schaffen.

Interessant ist ja auch, dass die FPÖ bereits zweimal in Regierungsverantwortung mit der ÖVP war. Zweimal endeten diese Koalitionen desaströs. Und weil es mir gerade in den Sinn kommt: das Budgetloch hätte vielleicht verhindert werden können, wenn nicht Landeshauptmann Haider sein Kärnten an den Rand des finanziellen Ruins geführt und in Folge dem Steuerzahler ein zweistelliger Milliardenbetrag zur Sanierung der Hypo Alpe Adria Bank abgeknöpft werden musste. Aber wir wissen ja: wir Menschen verfügen über eine geniale Vergesslichkeit, der große Freud hat das Verdrängung genannt.

Der Zulauf zu den Blauen, so wird gerne behauptet, hängt mit der grundlegenden Unzufriedenheit der Bevölkerung zusammen. Darum werden große Reformen gefordert. Aber wir Österreicher wissen auch, obwohl alle einen Neustart und die große Veränderung wollen, am Ende muss dann doch alles so bleiben, wie es ist.

In den letzten Jahrzehnten ist unser Land sehr wohlhabend geworden. Der überwiegende Teil der Österreicher hat sich durch Fleiß und Tüchtigkeit Besitz und Vermögen geschaffen. Jetzt geht die Angst um, diesen Wohlstand zu verlieren. Darum klammern sich alle an ihr hart erworbenes Gerschtl und wollen keine Fremden (außer zum Arbeiten und als Touristen) in unserem Land.

Irgendwie könnte man hier auch einmal die moralische Keule schwingen und sagen: je begüterter die Österreicher geworden sind, desto ärmer wurden sie in anderen Bereichen (Vorlage für die Sonntagspredigt).

Momentan leben wir in Zeiten, wo Halbstarke und unzivilisierte Rabauken in den großen Nationen politisch die Macht übernehmen. In diese Kategorie fällt auch unser neuer Kärntner Rabauke. Und darum wird über kurz oder lang auch kein Weg an ihm vorbei führen. Er passt gut in den Zeitgeist.

Vielleicht wird auch noch Elon Musk eine Lanze für Kickl brechen, wobei ich mir nicht sicher bin, ob der Multimilliardär Austria nicht mit Australien verwechseln wird.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Civetta“ (baes) und der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Zirler Blues“ (baes). Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), in der ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) bis 2023 in Hall, seit 2024 in Kufstein.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Jenewein

    Dass die ÖVP liegend noch umfallen kann, entsetzt mich nicht mehr.
    Man erinnere sich an den Rütlischwur für Kurz, an die Regierungsbildungen in Niederöstereich und in Salzburg.
    Begriffe wie Rückgrat, Handschlagqualität oder „bei meiner Ehr “ (Bauern-Werbung), all das ist ihnen fremd.
    Sie dienen in Demut dem Volk, hallt es vor der Wahl durch das Land!
    Diese Phrase dürfen sie gerne in ein Sackerl brüllen und nach der Wahl zum Fenster rausschmeißen!
    Sie dienen ihrer Klientel, den Bauern, der Wirtschaft und lassen sich von ihren Spendern durch die Manege treiben.
    Es geht um Posten, Macht und Geld.
    Ganz besonders um das Ihre.
    Alles andere ist heiße Luft.
    Lobend zu erwähnen wäre, es gibt noch einige, wenige, die zu ihrem Wort stehen!
    Schallenberg, Fischler….
    Ich wünschte, es gäbe mehr von dieser Politiker-Sorte!
    Leider ist das Leben kein Wunschkonzert .

    Nebstbei hat auch unser lieber HBP versprochen, er werde Kickl nicht angeloben.
    Schaun ma mal, dann sehen wir mal.
    Dann wissen wir mal!

    Mit besonderen Grüßen

  2. Robert Muskat

    Diese Vermutungen haben sich ja inzwischen realisiert. Wie ich ( Hobbyprophet) gleich nach der Wahl prophezeit hatte, ist der Stocker umgefallen und schon auf dem Weg ins Innere vom Kickl! Prost Mahlzeit und viel Vergnügen, ich suche mir schon mal ein Fluchtland!

  3. Andreas Niedermann

    Du machst deinem Namen Elias alle Ehre. Dem biblischen Propheten. „Aber: Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.“ (Mark Twain oder Karl Valentin)

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