Elias Schneitter
Die frühen Jahre. Die gute Frau
Das Nachtlokal. Die Freude
Vier Gedichte
Die frühen Jahre
Handwerker waren die Väter
unserer Kindheit.
Alle besaßen abgestoßene Ledertaschen
mit heißem Zitronentee in Thermosflaschen.
Frühmorgens brachen sie
zur Arbeit auf.
Bald nach Mitternacht kehrten sie
singend nach Hause zurück
und holten uns aus den Betten,
weil sie uns etwas Schokolade mitgebracht hatten.
In ihrer zügellosen Eifersucht
vergingen sie sich auch
an ihren Frauen.
Die gute Frau
Die gute Frau ist leitende Verkäuferin
in einem Parfümeriewarengeschäft.
Ihr dunkles, angegrautes Haar
läßt sie sich regelmäßig nachfärben.
Sie ist klein, schmächtig, zart
und magenkrank.
Zum Abendessen trinkt sie Tee
mit zwei Scheiben Zwieback.
Beim Fernsehen holt sie ihrem Mann
etwas zu trinken aus dem Kühlschrank.
Seine seltenen Seitensprünge
schmerzen sie längst nicht mehr.
Ihr Sohn ist verheiratet
und wohnt im ersten Stock.
Hin und wieder
liegt der Mann auf ihr.
Sie hat die Augen geöffnet
und denkt:
„Das geht auch vorüber.“
Das Nachtlokal
Frühmorgens,
wenn eine gedemütigte
Putzfrau den Boden fegt
und die Stühle
bereits auf den Tischen
stehn,
dann kannst du an der Bar
filterlose Zigaretten
rauchen so viele du willst:
Du wirst nie ein
Humphrey Bogart sein.
Die Freude
Die Freude ist
ein kugelrunder Laubbaum
in Wien
Im Hochsommer verliert
er seine Blätter.
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ich hoffe, alle diese und andere frauen haben sich längst aus ihrer opferrolle befreit. und die männer von ihrem macho-gehabe. weiß aber, das ist für beide nicht ganz einfach. einen versuch wärs wert!