Elias Schneitter
Das Ende der Parteibuchwirtschaft
Notizen
In der vermeintlich guten alten Zeit war es üblich, dass sich politische Parteien auch um Wohnungen oder Jobs für ihre Mitglieder kümmerten. Die Funktionäre sahen es als eine wichtige Aufgabe, in diesem Sinne für ihre Parteisoldaten zu sorgen. Das ging einigermaßen gut, solange noch der Proporz von schwarz/rot das Land regierte und fest im Griff hatte.
Gut erinnere ich mich an einen Fernsehbeitrag über den burgenländischen Landeshauptmann Kery, der sich publikumswirksam bei einer Sprechstunde filmen ließ, wo einer Frau eine Unterstützung zugestanden wurde und er auch die Frage an seine Sekretärin richtete: Sie ist ja auch bei uns!
So ist es in früheren Zeiten nicht nur im Burgenland zugegangen.
Mit Jörg Haider änderten sich die Zeiten und neben der Migration wurde die Bekämpfung der Parteibuchwirtschaft zu einem seiner Erfolgsrezepte.
Inzwischen haben sich, so mein Eindruck, die Dinge in diesem Bereich sehr verändert. Heute scheint eine Parteimitgliedschaft bzw. ein Parteibuch bereits ein Hindernis bzw. ein Makel zu sein. Stattdessen gibt es Hearings, in denen unabhängige Experten nach objektiven Kriterien entscheiden, wer einen Topjob bekommt und wer nicht.
So sagt zum Beispiel die neue Justizministerin, dass bei der Bestellung der Bundesstaatsanwälte das Parteibuch kein Kriterium sei. Oder es wird berichtet, dass die Landeshauptleute bei der Bestellung der ORF-Landesdirektoren nichts mehr mitzureden haben.
Objektivität, Unabhängigkeit und Punktesysteme sind die neuen Gradmesser. Unabhängigkeit (wovon?) und Objektivität (welche?) sind die neuen Richtlinien? Eine politische Weltanschauung ist anscheinend nicht mehr gefragt. Damit hält man besser hinter dem Berg. Das schadet nur.
Wenn man dieses Denken auf die Spitze treiben möchte, müsste man sagen: die Politik ist gerade dabei, sich selbst abzuschaffen. Gut so! Soweit sind wir noch lange nicht, schon klar.
Nun mag es völlig in Ordnung sein, wenn die leidige Parteibuchwirtschaft abgeschafft wird. Nur habe ich vielerorts den Eindruck, dass sie inzwischen von Networking abgelöst wurde. Mit anderen Worten: dass die gute alte Freunderlwirtschaft, jetzt halt ohne rotes oder schwarzes Büchel, voll im Rennen ist.
Und zwar eine Freunderlwirtschaft, deren Basis nicht eine weltanschauliche Überzeugung ist, sondern nur noch der wertfreie Wille, nach oben zu kommen.
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