Elias Schneitter
Auf der Sommerterrasse
in meinem Garten
Notizen

Die Sonntage sind für mich inzwischen jene Tage, die ich am liebsten daheim verbringe. Hier kann man die ruhigsten Stunden während der Woche genießen. Keine Rasenmäher und keine anderen Gartengeräte und auch keine lauten Nachbarn, denn die meisten zieht es hinaus in die Natur und auf die Berge.

Erfreulicherweise hat es sich in letzter Zeit einige Male ergeben, dass sich meine vierköpfige Familie, und zwar in Original-Besetzung, auf meiner Terrasse getroffen hat. In den letzten fünfunddreißig Jahren hat sich da intern zwar einiges verändert, inzwischen, so könnte man sagen, sind wir in gewisser Weise aber wieder zur Ursprungskonstellation zurückgekehrt.

Neulich saßen wir an einem Sonntag bei herrlichstem Badewetter auf meiner Terrasse zusammen. Die Tochter und die Mutter meiner beiden Kinder (Ex darf ich nicht sagen) zauberten uns ein herrliches Mittagessen auf den Tisch, nach einem Rezept meines Sohnes, beruflich als Ernährungsberater unterwegs. Ein vegetarisches Spezialmenü: Spaghetti Bolognese, natürlich ohne Faschiertes. Eh klar!

Das Rezept für diesen fleischlosen Sugo sei hier verraten:
100 gr. Champignons, 100 gr. Walnüsse, 1 kl. Zwiebel, 1 kl. Karotte, 1 Zehe Knoblauch, 1 EL Tomatenmark, das alles in den Cutter und dann im Topf angebraten, mit etwas Gemüsebrühe abgelöscht und eine Dose gewürfelte Tomaten dazu – dann das Ganze köcheln lassen.

Noch ein Tipp des Sohnes: Walnüsse in der Packung besorgen. Die sind dreimal billiger als Walnüsse in der Schale. Zum Essen selbst kann ich nur sagen: Weltklasse! Dazu gab´s eine riesige Schüssel gemischten Salat mit Feta. Wie es sich für den alten Tati gehört, gab´s dann noch einen kurzen Power-Nap auf der Couch.

Als ich zurückkomme, ist meine ganze Familie in ihre Handys vertieft. Der Sohn hat die Stöpsel im Ohr. Die nächste Woche hat er zwei Golfturniere zu absolvieren und seine neuen Schläger – nicht gerade ein billiger Spaß – sind noch nicht eingelangt. Er benötigt unbedingt ein Fitinn mit ihnen vor den Wettkämpfen.

Die Tochter ist intensiv beim Wischen am Smart. Die Arme hat grad eine Trennung hinter sich, hat vorderhand einmal die Schnauze voll von neuen Bekanntschaften. Trotzdem wischen kann man ja mal. Außerdem will sie demnächst eine Woche nach Malle. Letzte Woche war sie auf einem Festival in Salzburg. Man muss wieder ins Leben zurück.

Die Mutter meiner Kinder liest am Handy (Kindle) im Roman der japanischen Schriftstellerin Mieko Kawakami (Brüste und Eier), die im September bei sprachsalz in Kufstein lesen wird. Ich genehmige mir ein Bierchen, auch mein Sohn winkt mir zu, während er simst: Mir auch.

Später gibt’s dann Kaffee und einen Ribisel-Baiser (Ribisel aus dem eigenen Garten), natürlich selbstgebacken, und Vollkorn. Ganz nebenbei fragt der Sohn seine Schwester, wie das Festival in Salzburg war. Laut und lustig.
Sohn: Und Sex?
Tochter: Bist du verrückt?

Ein Nachbar ist doch zuhause geblieben und er nebelt uns mit Rauch von seinem Grill ein. Wunderbar! Grillromantik! Ein friedlicher Sonntagnachmittag neigt sich dem Ende zu.

Noch eine letzte Zigarette. Alle rauchen mit diesen neuen Geräten, Terea oder wie die Dinger heißen. Ich hab das alles schon längst hinter mir. Dann großer Aufbruch. Die Familie löst sich wieder in ihre Einzelbestandteile auf. Wir wohnen ja alle getrennt voneinander.

Als sie schließlich weg sind und ich allein auf der Terrasse zurückbleibe und gemütlich mein Bier austrinke, denke ich mir: Verdammte Scheiße, uns geht’s eigentlich gar nicht so schlecht.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Civetta“ (baes) und der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Zirler Blues“ (baes). Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), in der ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) bis 2023 in Hall, seit 2024 in Kufstein.

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