Dietger Lather
Waffenruhe in Gaza – ein Anfang, nicht mehr!
Die Hamas wird einen Sieg zelebrieren.
Analyse
Erleichterung überall, Hoffnung überall. Die noch lebenden Geiseln und die Körper der Ermordeten werden zu ihren Angehörigen und der letzten Ruhe nach Israel zurückkehren. Die Waffenruhe sei der Beginn eines Prozesses, der GAZA ewigen Frieden bringen soll. So erklärt es Donald Trump mit seinen üblichen Übertreibungen. Warnende Stimmen ertrinken gegenwärtig in der Flut des Dankes.
Dem Präsidenten der USA muss ich für seinen Plan mehr als Respekt zollen, obwohl ich ihn sonst als kriminell bezeichne, als verrückt, vor allem als gefährlich. Ich bin überzeugt, er plant in den USA einen Staatsstreich. Aber Respekt gebührt ihm, weil er einen Waffenstillstand erreicht hat, der noch Wochen zuvor als unrealistisch erschien. Eine diplomatische Meisterleistung.
Verziehen seien Trump seine lächerlichen Übertreibungen, wenn er vom ewigen Frieden fabuliert oder von einem Ergebnis, das zum ersten Male seit Jahrtausenden erreicht worden sei. Zur Erinnerung. Vor Jahrtausenden haben die Römer Jerusalem zerstört, den Tempel verbrannt und die Kultgeräte im Triumphzug durch Rom präsentiert. Die Jüdinnen und Juden wurden versklavt oder vertrieben.
Vom ewigen Frieden träumt die Menschheit seit Hunderttausenden von Jahren. Es hat ihn nie gegeben und es wird ihn nie geben. Fraglich bleibt, ob überhaupt ein Frieden zwischen Palästinensern und Israel erreicht werden kann, bei all dem Hass, der durch das Massaker in Israel und die Bombardierung in Gaza entstanden ist oder vertieft wurde. Es wird Generationen dauern, ein friedliches Nebeneinander, ein teilweise Miteinander zu erreichen. Den Willen dazu vermag ich bei den Beteiligten noch nicht erkennen.
Abgesehen von seinen Übertreibungen
Trump erklärte seinen Friedensplan deutlich differenzierter, als die Berichterstattung in den österreichischen Medien es wiedergab. Zu Bibi gewandt, so nennt er den israelischen Präsidenten, appellierte er: Er (Bibi) ist ein Krieger und er muss jetzt einmal zum normalen Leben zurückkehren.
Netanjahu stimmte Trumps Plan zu. Er erläuterte jedoch seine Bedingungen, um den Krieg zu beendigen. Die vorgesehene internationale Körperschaft, die sowohl die Entwaffnung der Hamas überwachen soll wie die Zerstörung ihres Tunnelsystems und ihrer Produktionsanlagen von Raketensystemen, muss ihre Aufgabe erfolgreich beenden. Erst dann wird dieser Krieg dauerhaft beendet sein.
Netanjahus weitere Sätze muss sich jeder in Erinnerung behalten. Wenn die HAMAS aber ihren Plan ablehnt, Herr Präsident, oder wenn sie ihn vielleicht akzeptieren und dann alles tun, um ihn zu hintertreiben, dann wird Israel selbst die Arbeit zu Ende bringen. Dass kann auf die einfache Art geschehen, aber auch auf die harte, aber es wird passieren….Wir bevorzugen den einfachen Weg, aber es muss geschehen…Denn wir haben nicht diesen schrecklichen Krieg geführt und die besten unserer jungen Männer geopfert, um zuzuschauen, wie die HAMAS in Gaza bleibt und immer noch Massaker gegen Israel plant und durchführt.
Bisher stand Netanjahu zu seinem Wort. Von keiner internationalen Kritik beeinflusst. Selbst als die mit dem Rücken zur Wand stehende Hamas eine Geisel in einem Auto präsentierte, die flehte, die Bombardierungen einzustellen, weil ihr Leben gefährdet sei, änderte Netanjahu seine Strategie der Zerstörung nicht. Der Zynismus dieses Videos ist mittlerweile ein Markenzeichen der Hamas Propaganda.
Es darf auch nicht vergessen werden, dass Trump Netanjahus Aussagen unterstützt. Er führte aus, die Hamas erhalte einen Frieden, weswegen sie der Zerstörung der Tunnel und der Produktionsanlagen zustimmen müsse. Er nimmt dafür die arabischen Staaten in die Pflicht. Werde dies nicht erreicht, unterstütze er Bibi, ohne das Wort Krieg auszusprechen.
Sowohl Netanjahu wie auch Trump erinnern sich an das Jahr 2005. Damals setzte der israelische Präsident Ariel Sharon den Rückzug der israelischen Armee und der Siedler aus Gaza durch. Er hoffte auf einen dauerhaften Frieden mit den Palästinensern und Aussöhnung mit den arabischen Staaten.
Stimmen warnten vor der Machtübernahme der Hamas in Gaza. Sie errang ein Jahr später einen Wahlsieg bei demokratischen Wahlen. 2007 vertrieb sie gewaltsam ihre palästinensischen Gegner aus Gaza. Wahlen wurden seitdem in Gaza verhindert. Die Hamas etablierte ihre Terrorherrschaft. Unter ständigen Raketenangriffen und Terroranschlägen gegen Israelis sowie Bombardierungen Israels in Gaza leidet seit Jahrzehnten die Bevölkerung in beiden Gebieten.
Das Hamas Massaker am 07. Oktober 2023 an der jüdischen Bevölkerung und den gegenwärtigen Krieg kann man zu Recht als Höhepunkt beiderseitiger Grausamkeiten bezeichnen, auch wenn die völkerrechtliche und juristische Bewertung differenzierter ausfallen dürfte.
Trump sprach nicht nur von der Hamas, sondern auch von anderen Terrororganisationen. Bis zu zehn sollen in Gaza die Menschen unterdrücken und am Massaker des 07. Oktober beteiligt gewesen sein. Der palästinensische Islamische Dschihad (PID) scheint die radikalste neben der Hamas zu sein. Zumindest blickt er auf eine große Anzahl an Selbstmordanschlägen und andere Grausamkeiten gegenüber der israelischen Bevölkerung zurück.
Zur Erinnerung: Eine PID-Rakete traf den Parkplatz des Schifa Krankenhauses in Gaza Stadt. Als Schuldiger wurde von der Hamas sofort Israel identifiziert. Damit keinerlei Zweifel an der Schuld aufkommen konnten, sammelten palästinensische Sicherheitskräfte alle Raketen-Trümmer auf, anhand derer ein Angreifer identifiziert werden kann. Unabhängige Experten wurden zur Untersuchung nicht zugelassen. Die westlichen Medien strahlten großteils die Propaganda der Hamas aus.
Erinnern Sie sich. Ein Palästinenser im T-Shirt sagte, die Wucht der Detonation habe ihn weggeschleudert. Kein Kratzer auf den Armen oder im Gesicht. Die Redaktionen fielen auf den Schwindel herein und sendeten es in ihren Hauptnachrichten unkommentiert als Tatsache.
Trump erklärte: Die muslimischen Staaten werden sich der HAMAS annehmen, ohne weiter zu erläutern, was er damit meinte. Denn es sind die muslimischen Staaten und IRAN, die die Hamas mächtig werden ließen. Die Chefs der Hamas residieren in Qatar. Von dort aus wurde die Hamas in Gaza nach der zweiten Intifada mit monatlich 20.000.000 US Dollar unterstützt. Übrigens mit Genehmigung von Netanjahu, der sich Ruhe in Gaza erhoffte, damit er Palästinenser aus den Siedlungsgebieten im Westjordanland vertreiben konnte. Schließlich gehören Judäa und Samaria nach seiner Überzeugung seit Jahrtausenden zu Israel, weshalb er unverändert einen Palästinenserstaat ablehnt.
Das Geld wurde in bar, in Koffern in Autos von Israel nach Gaza transportiert. In einer Dokumentation der BBC über die Konfliktursachen und die Bewertung des Gaza-Krieges wird ein Foto eines Transportes gezeigt. Eine sehenswerte Dokumentation, die gekürzt auf Arte ausgestrahlt wurde. Darin kommen auch palästinensische und israelische Personen zu Wort, selbst Angehörige der Hamas.
Der damalige Anführer der Hamas, Ismail Haniyeh, der einen Monat nach seinem Interview in Teheran durch Israel getötet wurde, bewertete das Massaker am 07. Oktober als Widerstand gegen die Besatzungsmacht und sagte:
Jetzt machen die Palästinenser mit ihren neuen Methoden der Feindbekämpfung Hoffnung. Die größten Träume erfordern die größten Opfer. Selten solch einen Zynismus vernommen.
Ein Blick in die Gedankenwelt von Palästinensern erlaubt die erste Reaktion der palästinensischen Botschafterin bei der UNO, als sie in den Nachrichten vom Angriff der Hamas auf Israel hörte. Das ist ja verrückt. Dieser Angriff der Hamas auf Israel. Wir dachten, jetzt fangen die Israelis schon wieder einen Krieg gegen Gaza an.
Die Opfer werden sofort zu Tätern. Die Dame kann sich offensichtlich nicht vorstellen, dass der von Hamas gelebte Widerstand die Ursache des Krieges ist. Kein Wort des Bedauerns über ermordete junge Menschen, keine Verurteilung des Massakers. In den muslimischen Staaten sind diese Einstellungen bekannt. Einige unterstützen die Hamas offen, verurteilen aber alle den Krieg und die Zerstörungen in Gaza. Wenn diese Einstellungen von Palästinensern weiter akzeptiert werden, wird Trumps Erwartung, die muslimischen Staaten würden sich der HAMAS annehmen, wie eine Seifenblase zerplatzen.
Wenn dieser Essay veröffentlicht ist, werden hoffentlich die Geiseln freigelassen und die Leichname an Israel übergeben sein. Man kann nur hoffen, nicht wieder Zeuge der demütigen Präsentation von Menschen zu werden, die völlig abgemagert, sich kaum auf den Beinen haltend vor laufender Kamera bezeugen müssen, wie gut sie von der Hamas behandelt wurden.
Seit Jahrzehnten hat die Hamas israelische Geiseln benutzt, um Palästinenser aus den israelischen Gefängnissen frei zu pressen. Stolz erzählt davon der Vorsitzende der Hamas in der erwähnten BBC Ausstrahlung. Auch diesmal wird die Hamas die Freilassung der palästinensischen Gefangenen aus israelischen Gefängnissen als Sieg feiern. Vielleicht findet sich erneut ein Sinwar unter den Befreiten, ein verurteilter Mörder, der das nächste Massaker an Israelis vorbereiten wird. Völlig abwegig ist der Gedanke nicht.
Ein westliches Narrativ lautet, die Geiseln seien das letzte Faustpfand der Hamas, wie auch der anderen Terrororganisationen in Gaza. Dem folge ich nicht. Um die Hamas tatsächlich zukünftig von einer Regierung oder Einflussnahme in Gaza auszuschließen, müsste sie dort vertrieben werden.
Um sie ihrer Operationsbasis zu berauben, müssten die Tunnelsysteme zerstört werden. Von 400 Meilen sprach Trump. Mehr als 600 Kilometer. Gaza müsste temporär entvölkert werden, um diese Systeme sprengen zu können. Das Gegenteil passiert momentan. Die Bevölkerung strebt zurück in den Norden von Gaza, in der Hoffnung auf eine lang anhaltende Waffenruhe.
Warum forderte niemand von der UNO, vom UNHCR – dem Hohen Kommissar für das Flüchtlingswesen – Flüchtlingslager außerhalb von Gaza zu bauen? Warum fordert niemand von Israel und Ägypten, Palästinenser für die Zeit der Zerstörung des Tunnelsystems die Bewohner von Gaza in diesen Lagern aufzunehmen? All das wäre möglich, wenn die arabischen Staaten tatsächlich die Hamas entmachten und eine palästinensische Regierung etablieren wollten, die zum Frieden mit Israel bereit ist.
Im Gegenzug müsste Trump von Israel fordern, die Vertreibung von Palästinensern aus dem Westjordanland nicht nur zu beendigen, sondern die gewaltsam besetzten Gebiete wieder zurückzugeben. Von beidem ist nichts zu hören. Phase zwei und drei des Friedensplanes könnten das gleiche Schicksal erleiden, wie Trumps Pläne, den Ukrainekrieg zu beenden. Sie bleiben Ankündigungen.
Nicht umsonst sind diese beiden Phasen des Friedensplanes noch umstritten. Unabhängig von einer Lösung zur Entwaffnung der Hamas, des palästinensischen Islamischen Dschihad und anderer Terrorgruppierungen haben diese Gruppierungen bereits ihren ersten Sieg errungen. Sie dürfen in Gaza verbleiben.
Die Zeit bis zur Übereinkunft über die nächsten Phasen werden sie nutzen, um Waffen und Fabrikationsanlagen zu verstecken. Sowohl unter den Bergen von Schutt, die durch israelische Bombardierungen angehäuft wurden, wie auch in den Tunnelsystemen. Die Berichte der OSZE oder UNO Missionen, wie Armeen oder militante Gruppierungen entwaffnet werden können, zeugen vom Einfallsreichtum der zu Entwaffnenden, um ihre Waffen und Kriegsgeräte zu verstecken. Die Zeit, um eine Entwaffnung abzuschließen, bemisst sich daher eher in Monaten als in Wochen.
Trump erwähnte Iran in seiner Rede, verbunden mit der vagen Hoffnung, dieser Staat könne zur Verwirklichung seines Friedensplanes beitragen. Er wird es nicht. Damit ist die Frage offen, ob die Geldströme für die Hamas tatsächlich versiegen werden. Wahrscheinlich werden sie es nicht.
Qatar war, ist vielleicht immer noch, einer der größten Geldgeber für die Hamas. Qatar hat in der Vergangenheit mit Netanjahus Hilfe das Überleben der Hamas ermöglicht. Derzeit wird das Emirat als Vermittler gepriesen. Dabei beherbergt es den Kopf dieser Terrororganisation in seiner Hauptstadt. Diese Doppelrolle weist darauf hin, wie brüchig Trumps Friedensplan ist. Es ist sehr wahrscheinlich, zumindest wie bisher in der Kalkulation Israels enthalten, dass Gelder für den Wiederaufbau in Gaza für die Hamas abgezweigt werden. Die UN Organisation in Gaza bestritt, dies sei in der Vergangenheit geschehen, was etwa so glaubhaft ist, wie die Behauptung, die Erde sei flach.
Bleibt die Frage, wie Hamas Kämpfer zur Aufgabe bewegt und entwaffnet werden sollen. Schließlich sind sie junge palästinensische Männer, die wahrscheinlich derzeit ihre Uniformen verstecken. Die letzte Intifada, auf die Israel mit Angriffen zu Land und Bombardierungen reagierte, hatte der Hamas einen unglaublich hohen Zulauf an jungen Männern beschert, die gegen Israel kämpfen wollen.
Die Massaker des 7. Oktober haben bewiesen, wie vernichtend der Hass dieser Palästinenser ist. Die derzeitigen Zerstörungen werden sicherlich einen genauso hohen Zulauf bewirken. Weder wird die Operationsbasis der Hamas zerstört werden, noch ihre Kämpfer kapitulieren.
Meines Wissens hat noch niemals eine Terrororganisation kapituliert, wie es im Friedensplan gefordert ist. Es sei denn, ihre politischen und finanziellen Unterstützer wandten sich ab und forderten ihre Auflösung. Beides ist bisher weder von den arabischen Staaten noch vom Iran zu hören.
Es bleibt die Hoffnung, die lebenden Geiseln können zu ihren Familien zurückkehren und die ermordeten an ihre Familien übergeben werden. Es bleibt die Hoffnung, der Waffenstillstand hält lange an.
An einen Frieden glaube ich nicht. Aber einen erneuten Krieg in ein paar Jahren halte ich für sehr wahrscheinlich.
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