Dietger Lather
Gleich und Gleich gesellt sich gern.
Versuch einer Analyse in Sachen
Trump, Putin, Ukraine und Europa

Richter Juan Merchan müsste man die Frage stellen, ob ihn seit der Amtseinführung von Donald Trump Alpträume heimsuchen. Zur Erinnerung. Vor Monaten hat eine Grand Jury in New York Mister Donald Trump in 34 Punkten der Anklage für schuldig befunden. Im Mai letzten Jahres, während des Wahlkampfes von Donald.

Zunächst signalisierte der Richter, er würde den Prozess nicht einstellen. Später, er würde den Kriminellen nicht unbedingt ins Gefängnis stecken. Nach Trumps Wahlsieg wurde das Verfahren abgeschlossen. Trump wurde verurteilt: unconditional discharge, ein Schuldspruch ohne Haftstrafe, Geldbuße oder Bewährung. Andere Verfahren gegen Trump sind ausgesetzt. Die allgemeine Begründung lautete, man wolle nicht in den Wahlkampf eingreifen oder das Amt des zukünftigen Präsidenten beschädigen.

Kriminell bleibt kriminell, verurteilt bleibt verurteilt, egal ob Donald dafür ins Gefängnis muss oder nicht. Er ist ein Krimineller, was seine Wähler keineswegs störte. Es störte die Wähler auch nicht, dass er Frauen auf offener Straße an die Muschi fassen darf. Er wurde zum Präsidenten gewählt.

Das sagt mehr über das Moral- und Ethikverständnis eines Großteils der US-amerikanischen Wählerschaft aus als alles andere. Darum wundert es nicht, wie selbstgerecht und -gefällig er nunmehr regiert. Er weiß, er kann es sich erlauben und gegenwärtig einen kalten Staatsstreich auf seine Agenda setzen.

In vier Jahren könnten Prozesse gegen ihn wieder aufgenommen werden, wenn der Kriminelle es bis dahin nicht geschafft hat, die Justiz in den USA zu enteiern. Der Leser mag das vulgäre, dem US-amerikanischen Sprachgebrauch entlehnte Vokabular verzeihen. Dabei wäre es ein wunderbarer Wahlkampftrailer gewesen, Donald als Chefkoch in der Gefängnisküche wirbeln zu sehen. Oder im Freigang bei der Amtseinführung. Beide Hände auf der Bibel liegend, da er Orange gekleidet, in Hand- und Fußschellen, leicht vorwärts gebückt seinen Eid leisten müsste. So, wie Gefangene in den USA üblicherweise vorgeführt werden.

Genug der Phantasien. Die Szenerie sollte man selbst als eingeschworener Gegner des kriminellen Donald den USA nicht zumuten. Es führt zurück zur Frage. Angesichts der Unzahl an Dekreten, die der Präsident der Vereinigten Staaten unterschrieben hat, angesichts des kalten Staatsstreiches, den Elon Musk mit seiner Truppe unternimmt und angesichts der aufkommenden Forderung aus den Reihen der Republikaner, kein Richter dürfe die Dekrete des Präsidenten aufheben, müsste sich Richter Juan Merchan nächtens im Bett wälzen, schlaflos in New York. Warum hat er ihn nicht hinter Gitter gebracht?

Es kam, was kommen musste. In Washington sitzt ein verurteilter Straftäter im Oval Office und im Kreml ein Kriegsverbrecher, der auch schon einmal von einem amerikanischen Präsidenten als Mörder bezeichnet wurde. Kein Wunder, dass sich die beiden Herren lieben. So sehr, dass sie plötzlich die gleiche Sprache sprechen, wenn die Ukraine in Großrussland einverleibt werden soll.

Putin bleibt wenigstens berechenbar. Für ihn gehört die Ukraine zu seinem Reich, ob sie will oder nicht. Trump hat begonnen, Selenskyj zu drohen, als der seine Wünsche nicht erfüllte. Weniger liebevoll, dafür das Original Putin zitierend, bezeichnet er Selenskyj als Diktator, der sein Land verlieren würde, wenn er sich nicht Trumps Wünschen beugen würde.

Kaum hatte er das Wort Diktator in den Mund genommen, werden aus der Mottenkiste altbekannte Theorien hervor geholt. Putin hätte Trump in der Hand. Videos von intimen Momenten in Moskauer Hotels dürften es kaum sein. Damit prahlt Trump seit Jahrzehnten. Weißt du, ich stehe automatisch auf schöne Frauen – ich küsse sie einfach. Es ist wie bei einem Magneten., sagt er in dem Muschi-Video. Schöne Frauen hat der russische Geheimdienst zu genüge und vielleicht Trump zu glücklichen Momenten verholfen. Alles bleibt unbewiesen. Genauso wie die jüngst wiederholte Behauptung, Trump sei von einem russischen Geheimdienst angeworben worden, damals, als Geschäftsmann. Auch das ist unbewiesen. Aber es würde die Putin gefällige Rhetorik Trumps logischer erklären.

Sicher scheint nur eines zu sein. Trump wollte einen Deal mit Selenskyj, damit er die Bodenschätze der Ukraine heben kann. US-Firmen kann er nur von Investitionen in der Ukraine überzeugen, wenn der Krieg beendet wird. Kaum zeigte sich Selenskyj ungehorsam gegenüber dem amerikanischen König, drohte der dem ukrainischen Diktator. Aktuell ist zu lesen, ein Abkommen über die Gewinnung der Bodenschätze zwischen der Ukraine und den USA sei fast abgeschlossen. DEAL. Nun kommen all diejenigen ins Spiel, die bei den Friedensverhandlungen von Zar und König bisher nicht einmal am Katzentisch sitzen dürfen.

Friedensverhandlungen, um Putins Angriff auf und seinen Terror in der Ukraine zu beenden, sollten auf der Münchener Sicherheitskonferenz diskutiert werden. Der Stellvertreter erschien in München. Der Lakai des Königs, ein Wendehals, der noch Jahre zuvor erbittert gegen seinen Herrn gekämpft hatte, durfte nichts zum Deal sagen. Das Wort Ukraine war aus Vance Mund nicht zu hören. Stattdessen vernahmen die Anwesenden eine Lehrstunde über wahres demokratisches Verhalten.

Demokratie beruht auf dem heiligen Prinzip, dass die Stimme des Volkes zählt. Ruft der in den Raum, der die wahre Stimme des Volkes jahrelang mit bekämpfte, von der geraubten Wahl sprach, was schließlich zum Sturm auf das Kapitol führte und in laute Rufe mündete, seinen damaligen Vorgänger, Vizepräsident Mike Pence zu hängen. Das sollte dem jetzigen Vize zu denken geben. Nichts und niemand ist vor Trump sicher.

Jüngst wurde die Nachrichtenagentur AP aus den Pressekonferenzen im weißen Haus ausgeschlossen. Die Agentur wagt es, ihre eigene Meinung zu sagen und weiter hin den Golf von Mexiko als solchen zu bezeichnen. Was predigt der Vizepräsident der USA?

…wenn man Menschen abtut, ihre Sorgen ignoriert oder – noch schlimmer – die Medien, Wahlen oder die Menschen selbst aus dem politischen Prozess ausschließt. Tatsächlich ist das der sicherste Weg, die Demokratie zu zerstören….

Das Auditorium wird sich die Warnung zu Herzen genommen haben, nicht wie das Weiße Haus zu handeln und eine Demokratie zu zerstören. Die kurz darauf geäußerte Bitte, die USA in diesem Umgang mit freier Meinungsäußerung zu unterstützen, dürfte abschlägig beschieden werden.

..Und so wie die Regierung Biden verzweifelt versuchte, Menschen zum Schweigen zu bringen, die ihre Meinung sagen, wird die Regierung Trump genau das Gegenteil tun. Und ich hoffe, dass wir dabei zusammenarbeiten können.

Trump hat Wort gehalten. Er bringt Menschen nicht zum Schweigen. Wer eine Meinung äußert, die nicht die seine ist, kann sie gerne weiterhin äußern. Auch nachdem er eine Mail erhalten hat: YOU ARE FIRED! verbunden mit der einen oder anderen Beleidigung. Manchmal erfahren es die Betroffenen erst, nachdem sie angerufen wurden, sie sollten in des Königs sozialen Medien scrollen.

Die Rede des Vizepräsidenten erwartete ich mit der gleichen Spannung wie viele andere. Anlässlich seiner ersten Äußerungen wunderte ich mich, mit welcher Arroganz dieser Wendehals das Auditorium zu belehren trachtete und welche Verachtung hinter den geäußerten Anschuldigungen vorschien. Warum stand keiner der Anwesenden auf und forderte deutlich vernehmbar und in angemessenem Ton, der Redner solle aufhören solch einen Mist (bullshit) von sich zu geben, um dann den Saal zu verlassen? Diplomatische Höflichkeit war schon nach Beginn der Rede fehl am Platze.

Drei Jahre dauert der Krieg in der Ukraine. Auch heute noch kursiert die Verleumdung, die USA seien schuld am Ausbruch des Krieges. Noch kurz vor der Wahl in Deutschland hat die Vorsitzende der AfD, Frau Weidel, dies zwar verklausuliert, aber deutlich in der letzten Wahlsendung zum Besten gegeben.

Es dürften ihr Tränen in die Augen schießen, dass just die USA den Friedensprozess einläuten. So radikal, dass sie eine Resolution in der Generalversammlung der Vereinten Nationen einbrachten, in der Russland nicht einmal als Aggressor genannt wird. Hier scheiterten sie, weil die Resolution so geändert wurde, dass der russische Aggressor so genannt wurde. Im Sicherheitsrat der UN setzten die USA sich durch. Doch nur, weil die beiden Veto-Nationen Großbritannien und Frankreich sich bei dieser Abstimmung der Stimme enthielten. Zuvor hatten sie in der Vollversammlung der UN für die Verurteilung Russlands gestimmt.

Völkerrechtlich bindend sind die Beschlüsse des Sicherheitsrates der UN. Hier kniffen die beiden Nationen. Trump und Putin mussten sich bestätigt fühlen, dass die Europäer wirklich an den Katzentisch gehören. Die Europäer meinen dagegen, aus diplomatischen Gründen die Enthaltung gewählt zu haben.

Trotz des Deals bleibt die Gretchenfrage. Wie wird der zukünftige gerechte Frieden mit der Ukraine abgesichert? Trump hatte schon vor Tagen gesagt, die USA würden keine Soldaten in die Ukraine schicken. Die gerne mächtigste europäische Nation, die Jahrzehnte lang durch die Soldaten der NATO auf dem Boden Westdeutschlands gesichert wurde, erklärt durch den mittlerweile abgewählten, in der Rente hoffentlich schweigenden Kanzler Scholz, sie würde keine Bundeswehrsoldaten dorthin schicken. Macron hingegen war schon vor Monaten mit dem Vorschlag, Soldaten in die Ukraine zu schicken, in aller Öffentlichkeit abgewatscht worden. Nun liegt der Vorschlag wieder auf dem Tisch. Just von dem Trump befeuert, der so nebenbei auch schon einmal der Ukraine die Schuld an dem Krieg in die Schuhe geschoben hat und wirre Drohungen ausstieß.

Natürlich ist Russland für den Frieden. Die Zeit bis zu den Verhandlungen nutzt Putin intensiv. Die Bombardierungen werden zunehmen. Europäische Friedenstruppen will er natürlich verhindern. Sie würden sein Risiko ins Unermessliche steigern, sich treu zu bleiben. Das heißt, den zukünftigen Friedensvertrag, kaum ist er unterzeichnet, wieder zu brechen, um seinen Traum von Großrussland zu verwirklichen. Zukünftig wären wohl die Europäer schuld, seine legitimen Sicherheitsinteressen nicht beachtet zu haben.

Wie stellt sich Österreich zu der Frage? In den derzeitigen Koalitionsverhandlungen spielt es wohl noch keine Rolle. Von einer Diskussion über eine Beteiligung an der europäischen Friedenstruppe, die definitiv in der Öffentlichkeit geführt werden müsste, ist derzeit nichts zu hören. Der europäischen Sicherheits- und Außenpolitik hat Österreich zugestimmt.

Werden also demnächst österreichische Soldatinnen und Soldaten eine Zeitlang in der Ukraine eingesetzt sein oder beruft man sich auf eine Neutralität, die so uneingeschränkt gar nicht mehr existiert? Wird Deutschland sich entschließen können? Angesichts seiner jüngsten Vergangenheit, in der sein Frieden durch andere gesichert wurde, wäre dies zwangsläufig geboten.

Oder wird unverändert behauptet, angesichts des Zweiten Weltkrieges sei eine Stationierung deutscher Soldaten in der Ukraine unmöglich. Eine Beteiligung Deutschlands würde unweigerlich in den Krieg mit Russland führen, so das bisherige Narrativ. Es werden interessante Diskussionen sein, deren Ausgang ich nicht vorherzusagen wage. Sicher ist zweierlei für mich. Angst ist ein sehr schlechter Ratgeber, wenn Diktatoren die Stirn geboten werden muss. Werden keine europäischen Truppen in der Ukraine stationiert, wird Putin erneut angreifen.

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Dietger Lather

Dietger Lather: Geboren 21. Mai 1953 in Marburg. Abitur am Gymnasium Philippi-num, Marburg 1971.Eintritt in die Bundeswehr Juli 1971. Pensionierung Juli 2014. Dietger Lather war Oberst im Generalstabsdienst. Er hat die deutsche und englische Generalsstabsausbildung absolviert. Auf Verwendungen im Bundesministerium der Verteidigung und in NATO Hauptquartieren folgte die Dozentur „Grundsätze Operativer Planungen, Krisenmanagement und Informationsoperationen“ an der Führungsakademie der Bundeswehr. Als Kommandeur des Zentrums Operative Information kommandierte er einen Medienverbund, der die Einsätze der Bundeswehr und der Nato medial begleitete. Er führte die Interkulturelle Einsatzberatung in den Streitkräften ein. Auf dem Balkan und in Afghanistan war er wiederholt eingesetzt. Von 2015 - 2022 unterstützte er Flüchtlinge in Deutschland. Federführend war er 2021 an der Erstellung des „Forderungskatalog Flüchtlingshilfe der Ehrenamtlichen Flüchtlingsinitiativen in der Stadt Marburg und dem Landkreis Marburg-Biedenkopf“ beteiligt. Seit 2022 lebt er in Innsbruck. Neben seiner Schriftstellerei unterstützt er weiterhin Flüchtlinge. Verheiratet in zweiter Ehe mit ass.Prof‘in Dr. Marion Näser-Lather. Aus erster Ehe vier Kinder. Publikationen: - Informations-Operationen – Erfahrungen aus dem Einsatz, in: Carsten Bockstette, Walter Jertz, Siegfried Quandt (Hg.), Strategisches Informations- und Kommunikationsmanagement, Bonn 2006, S. 272 - 289 - Strategische Kommunikation, Studie, 2009, Bundeswehrinterne Studie. - Strategische Kommunikation, in Natascha Zowislo-Grünewald, Jürgen Schulz und Detlef Buch, Den Krieg erklären: Sicherheitspolitik als Problem der Kom-munikation, Frankfurt 2011, S. - Für Deutschland in den Krieg, Sachbuch, Marburg 2015 - Zwei Welten, Roman, Berlin 2024

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