Der Komponist, Verlagsmanager und
Musikkritiker
Manfred A. Schmid ist gestorben.
Nachruf auf einen schoepfblog-Autor
v. Alois Schöpf

Mehrfach habe ich bei Manfred A. Schmid in den letzten Wochen nachgefragt, warum er mir keine seiner fulminanten Staatsopern-Kritiken mehr geschickt habe. Ob etwas geschehen sei? Ob er aus irgendwelchen Gründen verärgert über uns sei? Keine Antwort. Letzte Woche nun bekam ich sie in Form folgender trauriger Nachricht:

 

Lieber Herr Schöpf!

Da ich Zugriff auf Manfreds Handy habe, konnte ich sehen, dass Sie ihm geschrieben und nach ihm gefragt haben. Erfüllt von tiefer Trauer muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Manfred uns für immer verlassen hat. Ich habe gestern, gemeinsam mit unserem Sohn, eine Botschaft auf seinem facebook-account gepostet, die ich Ihnen hier gerne weiterleiten möchte.

 

Liebe Freunde und Weggefährten von Manfred A. Schmid,

mit tiefer Trauer und noch immer fassungslos müssen wir verkünden, dass unser geliebter Mann und Vater, Manfred, in der Nacht des 21.3. von uns gegangen ist.

Völlig unerwartet und überraschend erkrankte er Ende letzten Jahres an einer sehr seltenen und weitgehend unerforschten neurologischen Muskelerkrankung, die ihn in den letzten drei Monaten ans Krankenhausbett gefesselt und ihm die Kommunikation über die sozialen Netzwerke unmöglich gemacht hat.

Trotz aller Schwierigkeiten wurde ihm ein letzter Ausgang am 10.1.2025 ermöglicht, um bei einem Konzert einiger seiner selbst komponierten Liederzyklen – unter anderem 3 Uraufführungen – im Alten Rathaus Wien teilzunehmen. Einige wenige Videoaufnahmen dieser Aufführung sind auch noch auf seinem Profil geteilt worden. Er war zu diesem Zeitpunkt zwar körperlich schon schwer gezeichnet und an den Rollstuhl gebunden, aber voller Freude und Dankbarkeit, diesem Termin noch persönlich beiwohnen zu können.

Wir erinnern uns an Manfred als kreativen und schöpferischen Menschen, für den Musik und Literatur immer einen hohen Stellenwert hatten; als verlässlichen und treuen Freund – in seiner Funktion als Präsident der internationalen
Gottfried von Einem und Lotte Ingrisch Gesellschaft sogar über den Tod hinaus; als großen Unterstützer kleiner Kulturstätten und -veranstaltungen, der mit viel Herzblut und persönlichem Engagement seiner Rolle als Musikkritiker nachging und dabei nie die Wertschätzung für die Kunstschaffenden aus den Augen verlor; als gläubigen Christen, in dessen Leben auch die Kirche als Ort der Zusammenkunft eine zentrale Rolle spielte und für die er, wie auch schon sein Vater vor ihm, eine Messe komponierte; als einen Familienmenschen, für den sowohl die engste als auch die erweitertste Familie immer besonders wichtig war.

Sein Tod hinterlässt nicht nur für uns, sondern, wie wir annehmen, auch für euch alle eine große Lücke.

Martina Schmid-Kammerlander mit Tobias und Moni und Antonia

PS:
Da die Autorinnen und Autoren des schoepfblog über ihre Eigenschaft als Schreibende hinaus meist auch über gemeinsame Erlebnisse in der Vergangenheit zusammengefunden haben, möchte ich die leider viel zu kurze Beziehung zum Verstorbenen, die sich zugleich über Jahrzehnte erstreckte, noch einmal Revue passieren lassen.

Als ich im Jahr 1978 als Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung aus dem ORF ausschied, weil ich nicht als Kunstbürokrat enden, sondern Schriftsteller werden wollte und zudem als untherapierbare Landpomeranze das Leben in Wien nicht mehr aushielt, musste ich mich mit meinen belletristischen Ambitionen auf die Suche nach einem Verlag machen, was sich im Lande des hoch subventionierten Residenz Verlages mit seinen an ihren eigenen sprachlichen Fähigkeiten zweifelnden kleinbürgerlichen Autoren als ziemlich schwierig erwies.

Nach dem Wort und Welt Verlag in Innsbruck und dem Benziger Verlag in Zürich landete ich schließlich über Vermittlung meines Freundes und Förderers Thomas Pluch, renommierter Drehbuchautor und Feuilletonchef der Wiener Zeitung, beim Österreichischen Bundesverlag und dessen EditionS, die sich zu einem zeitgenössischen Realismus bekannte und deren Chef Manfred A. Schmid war. Ich verdanke ihm also schon von damals her viel und amüsiere mich heute noch über ein Österreich, in dessen staatseigenem Verlag mit Fernsehspiele eine bitterböse Abrechnung mit dem staatlichen Fernsehen und seinen kreativitätszerstörenden Intrigen erschien. Manfred stand damals allerdings in der Hierachie so weit über mir als Autor, dass ich ihn nie persönlich kennenlernte.

Ich bekam für den Roman Fernsehspiele wohlwollende Kritiken und schaffte es sogar in eine Literaturgeschichte der österreichischen Nachkriegsliteratur. Mein Traum, mit Bücherschreiben eine bürgerliche Existenz aufzubauen, erwies sich jedoch als abstrus. Ich wechselte nach manch poetischer Selbstquälerei daher zum Journalismus und entdeckte meine Begabung als Kolumnist, als der ich nunmehr seit über 40 Jahren tätig bin. Daneben gründete ich die Innsbrucker Promenadenkonzerte, die ich 25 Jahre lang leitete, bis mir regelmäßig vor der Konzertreihe einsetzende körperliche Malaisen zu verstehen gaben, dass der Stress mich überforderte und es Zeit war, aufzuhören.

Im Vertrauen darauf, dass mir in Zukunft schon die richtige Idee kommen würde, was ich im nun folgenden Lebensabschnitt anfangen würde, begann ich den vorliegenden schoepfblog aufzubauen und unter anderem mit Hilfe meines Webmasters Roland Schrettl für einzelne Artikel auf Facebook zu werben.

Dort verpasste mir eines Tages zu einem meiner die Musik betreffenden Artikel ein gewisser Manfred A. Schmid ein like, worauf ich mich bei ihm erkundigte, ob er jener Manfred A. Schmid sei, der vor undenklichen Zeiten meinen Roman Fernsehspiele herausgegeben habe. Er war es. Und es stellte sich heraus, dass er, was ich nicht gewusst hatte, selbst Musiker war, komponierte und darüber hinaus für das Musikmagazin Online-Merker Opernkritiken schrieb. Als solcher erwies er sich auch als ein unerbittlichen Gegner des oft sehr dummen Regietheaters, was unter anderem dazu geführt hatte, dass die Wiener Staatsoper ihm keine Karten mehr zur Verfügung stellte und er sie sich selbst bezahlen musste, wenn er eine Produktion besprechen wollte.

Neben dem Online-Merker stellte Manfred, inzwischen hatten wir uns auf das freundschaftliche Du geeinigt, seine Kritiken auch schoepfblog zu Verfügung. Und selbstverständlich reiste er auch zur Premiere jener Oper nach Innsbruck an, die der Komponist Michael FP Huber basierend auf der Erzählung Bergkristall von Adalbert Stifter und meinem daraus entwickelten Libretto im Auftrag des Tiroler Landestheaters und seines Operndirektors Michael Nelle geschaffen hatte. 

Wie glücklich war ich, dass Bergkristall vor Manfreds zwar immer wohlwollenden, aber dennoch hohen und kritischen Maßstäben bestehen konnte.Das Werk gefiel ihm sehr gut. Er schrieb eine exzellente Kritik und wir,  (keineswegs deshalb, wie ich bemerken möchte) festigten eine Freundschaft, die, obgleich tief empfunden, aufgrund der räumlichen Distanz und aufgrund der plötzlichen und grausamen Krankheit als real gelebte Beziehung des Gedankenaustauschs auf Mails und diesen einen Abend begrenzt blieb.

Ich habe einen guten fernen Freund verloren. schoepfblog wiederum hat einen exzellenten Autor verloren. Manfred, dein Tod ist schrecklich, wir werden deine Artikel vermissen, wir haben einen gebildeten und, selbst Musik schaffenden, scharfen Beobachter verloren. Deinen auf der Parte angeführten Nächsten deines Lebens gehört unser tief empfundenes Mitgefühl.

Alois Schöpf

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor, Journalist, Veranstalter, geb. 1950, lebt bei Innsbruck, schreibt seit 41 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 34 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Nach seiner Tätigkeit als ORF-Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung verfasste Schöpf Romane, Erzählungen, Märchenbücher und in den letzten Jahren vor allem Essays zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Daneben schrieb er Theaterstücke und vier Opernlibretti. Schöpf war auch als Blasmusikdirigent tätig und ist Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die er 25 Jahre lang bis 2019 leitete. Zuletzt gründete er 2020 das Online-Magazin schoepfblog, an dem 40 renommierte Autorinnen und Autoren mitarbeiten.

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