Bettina König
Als Marktfrau am Kreativmarkt
mit Taschen und Kleidern
Reportage

Ich liebe es, Taschen zu nähen. Leider interessiert es mich weniger, sie zu tragen. Deshalb stapeln sich die guten Stücke seit der Pandemie, als mich der Kreativschub überkam, im Keller. Und es werden dauernd mehr. 

Kurz bevor der Kellerraum vollends zugetascht war, kam vor Ostern der rettende Anruf einer Freundin. Sie organisiere einen Kreativmarkt in der Nachbarschaft, meinte sie, und nun sei ein Standplatz freigeworden – ob ich Interesse hätte? 

Ich erbat mir einen Abend Bedenkzeit, ging zuerst in mich und dann in den Keller, um meine Taschen zu zählen: Ja, dachte ich, mit 20 Exemplaren konnte ich mich schon auf einen solchen Markt wagen. Ich sagte also zu.

Niemals hätte ich erfahren, wie viele Markt-Expertinnen sich in meinem Umkreis befinden, hätte ich diesen Schritt nicht getan. Von dem Moment an, als ich die Nachricht von meiner Zusage weitergab, hagelte es Ratschläge: viele gute und einige nicht ganz so gute. 

Was sollte ich nicht alles tun, um mich für den großen Moment professionell vorzubereiten? Ein eigenes Logo entwerfen, stylische Preisschildchen anfertigen, eine Instagram-Seite aufsetzen mit allen Produkten, in Massen Follower akquirieren, ein Mood-Board über mich als Designerin entwerfen und und und. Auch zur Preisgestaltung wussten meine Ratgeberinnen alles; obwohl ich mich in lichten Momenten fragte, woher wohl; ihre Brotberufe gaben dieses Wissen eigentlich nicht her.

Egal – ich sog alles mit unendlicher Dankbarkeit auf und befolgte alle Tipps, die eintrudelten, akribisch. Fast alle. Als mir meine Lehrer-Freundin riet, ich solle auch meine selbstgenähten Kleider zum Verkauf anbieten, dachte ich zunächst: So weit, so gut; zwei, drei könnten ja nicht schaden. Als sie aber dann beharrlich darauf bestand, ich solle ALLE meine selbstgenähten Kleider veräußern – auch jene, die ich gar nicht verkaufen wolle -, blockte ich schließlich ab.

Die Wochen bis zu dem großen Ereignis vergingen also mit Vorbereitungen verschiedener Art. Unter anderem versuchte ich, mein Angebot näherisch noch etwas zu vergrößern und nähte weitere Röcke und Taschen, eigens für den Markt. Das wäre auch gut gegangen, hätte ich nicht den Fehler gemacht, Bilder davon an meine Tochter zu schicken. Soooo schöööön, flötete sie per WhatsApp, bestückt mit Emojis voller Herzchen. Und Mami zerfloss und hielt die guten neuen Stücke selbstverständlich für das Töchterchen zurück. Wer jetzt verständnislos den Kopf schüttelt, hat ganz sicher keine Tochter.

Als ich Samstagfrüh mit bis zur letzten Ritze vollgestopftem Auto zum Vereinshaus fuhr, wo sich der Kreativmarkt abspielte, fühlte ich mich wie eine Marktfrau, die sich anschickt, beim Ballarò, dem ältesten Markt von Palermo, frischen Fisch zu verkaufen. Zum Glück roch meine Ware besser. Das Markfrauen-Gefühl verging mir allerdings bereits in den ersten Stunden. Denn eines ist mir seit diesem Ausflug klar: sehr markttauglich bin ich wohl nicht.

Aber eines nach dem anderen. Mit Hilfe meiner Lehrer-Freundin arrangierte ich meinen Stand – selbstverständlich genau nach ihren Anweisungen. Eine Lehrerin weiß alles, auch wie man einen Marktstand arrangiert. Bei diesem Vorgang brachte ich auch alles unter, was mir von anderen noch so aufgetragen worden war: Mood-Boards, Blumen-Deko, Hinweise auf meinen brandneuen Insta-Account oder auch Süßigkeiten, verlockend im Glasschälchen dargeboten. Das mit den Süßigkeiten hatte ich von einer Webseite, die Tipps zum Besten gab, wie man seine Ware am Flohmarkt am besten an den Mann und die Frau bekommt. 

Sollte sich jetzt jemand Hoffnungen machen: Funktionieren nicht als Köder, kann ich gleich sagen. Die einzigen Menschen, die sich davon angezogen fühlten, waren meine Standnachbarin und ein Bettler, der offenbar ziemlichen Hunger hatte.

Was aber funktionierte, war der Ratschlag der oben zitierten Webseite, lebendige Köder einzusetzen. Das geht so: Du orderst Freundinnen bzw. Freunde an deinen Stand und lässt sie mit lautem Traritrara deine Waren begutachten und lobpreisen. Haben sie genug Aufmerksamkeit kreiert, können sie auch wieder gehen – natürlich ohne etwas gekauft zu haben. In meinem Fall haben zwei Arbeitskolleginnen diese Rolle übernommen, die ich nicht mal ordern musste, sie kamen ganz freiwillig. 

An ihrem Röcke-Probetragen und Taschen-Testen nahm im Nu der ganze Saal teil – Verkäuferkolleginnen und Kundinnen bzw. Kunden gleichermaßen. Spiegel wurden herangezerrt und Ratschläge trudelten ein, welcher Rock wohl wem am besten stand. Dank oder wohl eher trotz dieses Zuspruchs haben meine Kolleginnen am Schluss sogar etwas gekauft.

Mal abgesehen von diesem Highlight-Moment des gesamten Wochenendes war mein Marktauftritt vor allem eine Lektion in Geduld. Zum einen wegen der Langeweile, die es zu überbrücken galt, wenn sich absolut keine Kundschaft blicken lassen wollte. Und das betraf – wahrscheinlich ob des schönen Wetters – den absolut überwiegenden Teil der Zeit. Ich erledigte das Überbrücken mit Hilfe eines Buches und von Ratschern mit den Nachbarinnen (ja, -innen: Sämtliche Hobby-Kreative, die hier ihre Erzeugnisse zum Verkauf anboten, waren Kreativinnen). Zum anderen benötigte man ein Übermaß an Langmut bei manchen Kundinnen und Kunden, die es mit stoischer Ruhe zu ertragen galt.

Da war etwa die alte Dame, die sich an beiden Tagen ausgerechnet an meinem Stand festsaugte. Beim Betrachten meiner Exponate erzählte sie mir ihr halbes Leben – und überzog meine Taschen und Röcke mit Kritik. Sie selbst, meinte sie, hätte das wohl besser hingekriegt. Wie ich es geschafft habe, nicht irgendwann mit gezückter Schneiderschere auf sie loszugehen, weiß ich bis heute nicht. Wahrscheinlich tat sie mir irgendwie leid. 

Gar nicht leid tat mir der Ehemann einer begeisterten, aber leider verhinderten Kundin. Sie zeigte ihm voller Enthusiasmus meine Taschen und Röcke, er tat sie alle mit einem: Das hat man doch schon mal gesehen ab. Worauf die Dame betreten verschwand. Als ich dem guten Mann später im Gang begegnete, fragte ich ihn, ob er denn Modedesigner sei, bei so viel ostentativer Expertise. Nein, Bauingenieur, war seine Antwort. Immerhin schaute er dabei verschämt zur Seite. Half mir allerdings auch nicht mehr. Nichts verdient ist nichts verdient.

Wie schon erwähnt: Das Markt-Gen habe ich wohl nicht in mir. Weder konnte ich dieser Ehefrau gegen den Widerstand ihres Gatten eine Tasche aufschwatzen noch der kritischen alten Dame. Im Gegenteil: Bei jeder Kundin, die vorbeiflanierte und meine guten Stücke ins Visier nahm, stockte mir eher etwas der Atem. Würden sie ihren kritischen Blicken standhalten? Würde sie sogar in Erwägung ziehen, eines davon zu erstehen? 

Diesen Prozess durch aufmunternde Worte zu beschleunigen, wäre mir im Leben nicht eingefallen, im Gegenteil: Ich versuchte meistens, mich unsichtbar zu machen, und sofern das nicht gelang (und es gelang nie), möglichst unbeteiligt zu wirken – als ob ich gar nicht dazugehörte und nur zufällig hier säße.

Einige Male gelang mir das nicht, denn ich verkaufte trotzdem einige Taschen und Röcke. Deshalb kann ich an dieser Stelle stolz vermerken, dass das Markt-Wochenende ein Erfolg für mich war: Ich habe das zu berappende Standgeld um ein Vielfaches hereingespielt. Eine Tasche war sogar innerhalb von zehn Minuten verkauft – und das, obwohl das Preisniveau meiner Ware für die Veranstaltung eher hoch lag. 

Meine unmittelbare Konkurrenz an den Nebenständen bestand aus nicht ganz kitschfreien Kerzen für jeden Anlass, selbstgehäkelten Ohrringen und inspirierenden Sinnsprüchen zum In-die-Küche-Hängen – das nur, damit man sich in etwa ein Bild machen kann. 

Als mich also meine Freundin am Ende des Events fragte, ob ich das nächste Mal wieder beim Kreativmarkt dabei sein wolle, sagte ich frisch von der Leber weg zu. Eh klar, wo ich doch jetzt über ein Mood Board, einen Insta-Account und korrekt beschriftete Preisschildchen verfüge. Und wenn ich meiner Tochter keine Bilder der frisch genähten Stücke weiterleite, habe ich wahrscheinlich auch wieder genug Ware.


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Bettina Maria König

Bettina König wuchs als Tochter eines tüchtigen Apothekers im sehr fernen Außerfern auf, wo es ihr aber bald zu kalt und provinziell wurde. Sie flüchtete nach Innsbruck und mutierte via Studium zum Dr. phil., um postwendend in die Riege der „Tirol Werber“ aufgenommen zu werden. Als das Bedürfnis nach Wärme noch größer wurde, nahm sie eine Stelle als Presseverantwortliche in Bozen an – nicht ahnend, dass es dort mit der Provinzialität noch schlimmer bestellt ist als im heimatlichen Reutte. Dem Berufsbild des professionellen Schreiberlings treu bleibend, durchlief sie in Südtirol mehrere Positionen und war zwischendurch auch freiberuflich als PR-Fachkraft, Journalistin und Texterin tätig. Das Bedürfnis nach kreativem Schreiben befriedigte sie unter anderem durch die Herausgabe eines Kinderbuchs („Die Euro-Detektive“) für eine Südtiroler Bank. Derzeit zeichnet sie für die Unternehmens-Pressearbeit von IDM Südtirol verantwortlich, hat die kreative Schreiblust aber immer noch nicht gebändigt. Zwei erwachsene Kinder.

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