Bernhard Schlögl bespricht:
NACHTZAUBER
Herbststimmung und Klangfarben
Das 1. Symphoniekonzert des TSOI
der Saison 2025/26 im Congress Innsbruck

Mit dem 1. Symphoniekonzert der neuen Saison eröffnete das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der Leitung von Gerrit Prießnitz den musikalischen Herbst. Der Titel Nachtzauber war dabei Programm: Ein Abend, der in seinem Aufbau wie ein allmähliches Eintauchen in die Dämmerung wirkte – von den leuchtenden Farben der Natur über die feinen Zwischentöne menschlicher Empfindungen bis hin zu den träumerischen Schatten der Nacht. Für jemanden, der den Herbst als Zeit des Übergangs, der stillen Reflexion und wegen seiner Naturschönheit besonders schätzt, konnte der Saisonauftakt kaum passender sein.

Bemerkenswert war zudem, wie geschlossen das Orchester trotz seines umfangreichen personellen Wandels auftrat. Es war ein Ensemble zu hören, das sich neu gefunden und gleichzeitig weiterentwickelt hat!

Leider blieben an beiden Abenden im Saal Tirol zu viele Plätze leer – vielleicht war es die unkonventionelle Programmgestaltung, vielleicht das stürmische Herbstwetter, das eher zum Rückzug ins heimische Wohnzimmer verführte. Rückblickend kann man nur sagen: Hier wurde etwas verpasst! Denn aller anfänglichen Skepsis und mancherlei Diskussionen im Vorfeld zum Trotz erlebte man einen Konzertabend, der musikalisch wie atmosphärisch überzeugte – ein zutiefst inspiriertes und inspirierendes Erlebnis, das mich und meine Frau nachdenklich und zugleich erfüllt entließ.

Manfred Trojahn – Herbstmusik (Österreichische Erstaufführung)

Der Auftakt gehörte Manfred Trojahns Herbstmusik, die in Österreich erstmals erklang. Ein Werk, das den Herbst nicht beschreibt, sondern fühlbar macht. 

Trojahn, 1949 geboren, also im Todesjahr von Richard Strauss, bewegt sich in jener Tradition, die Farbe, Struktur und Emotion zu einer musikalischen Einheit verschmilzt. Der Komponist war selbst anwesend und erlebte mit der österreichischen Erstaufführung seiner Herbstmusik ein verspätetes Geburtstagspräsent (22. Oktober).

Seine Farbenmalerei, mit ihren Akzenten, die sich vorwiegend in den Streichern als schier unbändiger Puls durch den 15-minütigen sinfonischen Satz zieht, und den dicken Pinselstrichen, klanglich umgesetzt durch liegende Akkorde in Posaunen oder Fagotten, erweckte den Gobelin, das allseits bekannte Bühnenbild aus Schafswolle des Tiroler Künstlers Markus Prachensky, in leuchtenden Herbstfarben zu neuem Leben. 

Trojan spielt mit klanglichen Facetten und schafft Dialoge, die augenblicklich durchs Orchester wandern und in Gegensätzen aufblühen. Umrahmt von vibrierenden Klangteppichen und plötzlich wechselnder Dynamik entstehen vor den Augen der Zuhörerschaft Bilder von milden, sonnigen Tagen bis hin zu stürmischen, regnerischen Perioden.

Ein großartig vorgetragenes und exponiertes Englischhorn-Solo unterhält sich mit den Kontrabässen und leitet in einen humorvollen, fast komödiantischen Abschnitt über. Die Herbstmusik beginnt mystisch und spannungsgeladen, um schließlich mit schwebender Leichtigkeit, zart und versöhnlich, zu enden. 

Ich bin ein sehr großer Fan von Richard Strauss, er hat mich mehr gelehrt als die meisten anderen. (Manfred Trojahn)

Richard Strauss – Vier Zwischenspiele aus der Oper Intermezzo

Ich habe die Oper selbst nie gesehen, was ich allein wegen der kompositorischen Raffinesse der Zwischenspiele unbedingt nachholen muss. Die musikalische Dramaturgie, die unverwechselbare Strauss-Symphonik und die einzigartige Verbindung von Klangopulenz und feinsinniger Orchestrierung wurden von Dirigent und Orchester eindrucksvoll umgesetzt, auch wenn der Beginn des beweglichen ersten Satzes (Reisefieber und Walzerszene) eine kurze Findungsphase benötigte.

Dem TSOI gelang es, die charakterstarken und völlig unterschiedlichen Sätze präzise herauszuarbeiten, wobei mir besonders der zweite Satz (Träumerei am Kamin) direkt ins Herz gefahren ist – danke, du großartiger Richard Strauss! 

Herausragend waren nicht nur ausnahmslos alle Solistinnen und Solisten, sondern auch die kammermusikalische Leichtigkeit, mit der im dritten Satz (Am Spieltisch) musiziert wurde. Sichtlich begeistert war auch Gerrit Prießnitz, der an manchen Stellen fast vom Podest abzuheben schien – ein Gefühl, das wohl viele im Publikum teilen konnten. Der langanhaltende Applaus nach den vier Zwischenspielen war der Beweis dafür, dass der Funke vollständig übergesprungen ist.

Max Reger – Eine romantische Suite nach Gedichten von Joseph von Eichendorff

Nach der Pause folgte Max Regers Romantische Suite, die zunächst etwas im Schatten des zuvor gehörten Strauss stand, dann aber rasch ihren eigenen Zauber entfaltete. Inspiriert von Eichendorffs Dichtung und von nächtlichen Landschaften, die Reger bei Bahnfahrten beobachtete, entfaltet die Suite ein Klangbild von impressionistischer Farbigkeit und romantischer Tiefe.

Das Notturno eröffnete mit geheimnisvoller Ruhe, in der die Nacht langsam Kontur annahm. Die mittleren Sätze lebten von großen Phrasen und bewegten Strukturen, bevor das Finale warm und poetisch ausklang. Reger, oft als sperriger Komponist missverstanden, zeigt hier seine empfindsame Seite – eine Musik, die leuchtet, ohne zu blenden!

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck musizierte auch hier mit klanglicher Transparenz und feinem Formgefühl. Gerrit Prießnitz führte das Orchester mit sicherem Gespür für Spannungsaufbau und Atem. Man spürte das Vertrauen, das zwischen Dirigent und Orchester gewachsen ist – ein Geben und Nehmen, das selten so selbstverständlich wirkt.


Fazit

Nachtzauber war ein Konzert, das in Erinnerung bleibt – nicht wegen großer Effekte, sondern wegen seiner feinen Nuancen, seiner Stimmungen und seiner musikalischen Intelligenz. Es war ein Abend, der den Herbst fühlbar machte: mit seinen leuchtenden Farben, seinen melancholischen Zwischentönen und seinem stillen Glanz.
Ein Auftakt mit Tiefe, der Mut zeigte und zugleich Vorfreude auf die weitere Saison weckt!

Fotorechte: WE FEEL

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Bernhard Schloegl

Bernhard Schlögl hat Posaune am Tiroler Landeskonservatorium studiert. Dort studierte er auch Blasorchesterleitung bei Hermann Pallhuber und Thomas Ludescher. Außerdem machte er seinen Abschluss noch in Musik- und Instrumentalpädagogik an der Universität Mozarteum in Salzburg. Mittlerweile ist Schlögl nicht nur Dirigent des "Sinfonischen Blasorchesters Tirol", sondern auch als Lehrer, Dozent, Juror tätig und vor allem ist er künstlerischer Leiter der international renommierten Innsbrucker Promenadenkonzerte.

Schreibe einen Kommentar