Andreas Raffeiner
Brief aus Bozen
Die fetten Jahre sind im Tourismus vorbei.

Der Tourismus in Südtirol hat seine ökologischen und sozialen Grenzen überschritten. Befristete Arbeitsverträge, drohende Altersarmut und eine überdurchschnittliche Wochenarbeitszeit tragen zur Unzufriedenheit im Gastgewerbe bei. 

Ein weiteres Indiz für die prekäre Lage ist der hohe Anteil ausländischer Arbeitskräfte: Rund ein Drittel der Beschäftigten im Gastgewerbe und zwei Drittel der Saisonkräfte kommen aus dem Ausland. Diese Situation macht deutlich, wie stark die Branche auf externe Arbeitskräfte angewiesen ist, um überhaupt überlebensfähig zu bleiben.

Das Arbeitsförderungsinstitut (AFI) hat nun fünf zentrale Punkte ausgearbeitet, die für die zukünftige Entwicklung des Gastgewerbes in Südtirol entscheidend sind.

1. Begrenzung der Kapazitäten: Der erste Punkt verdeutlicht, dass der Tourismus die ökologischen und sozialen Grenzen überschritten hat. In stark frequentierten touristischen Gebieten wächst der Widerstand gegen neue Projekte und Erweiterungen. Es besteht Handlungsbedarf, die Beherbergungskapazitäten zu begrenzen und die Ortstaxe zu erhöhen. Die derzeitigen Gesetzesausnahmen, etwa für Urlaub auf dem Bauernhof oder Airbnb, untergraben die Bemühungen um eine nachhaltige Begrenzung. Eine Umfrage von 2019 zeigte, dass 70 Prozent der Arbeitnehmer in Südtirol eine Bettenobergrenze unterstützen würden. Die Erhöhung der Ortstaxe ist notwendig, um die durch den Tourismus verursachten negativen Auswirkungen zu mildern.

2. Verbesserung der Arbeitsbedingungen: Die Arbeitsbedingungen im Südtiroler Gastgewerbe sind unzureichend. Befristete Verträge, lange Arbeitszeiten und niedrige Löhne führen zu einer hohen Fluktuation und Unzufriedenheit. Eine Reform des Arbeitsrechts, die sowohl die Arbeitszeiten als auch die Entlohnung verbessert, ist unerlässlich, um die Attraktivität des Gastgewerbes als Arbeitsplatz zu erhöhen.

3. Sicherung der Altersvorsorge: Die drohende Altersarmut unter den Beschäftigten im Gastgewerbe ist ein weiteres Problem. Viele Arbeitnehmer haben keine gesicherte Altersvorsorge, was langfristig zu sozialen Problemen führen kann. Maßnahmen zur Verbesserung der Rentenabsicherung und der sozialen Sicherheit der Mitarbeiter sind daher von großer Bedeutung.

4. Förderung von lokalen Arbeitskräften: Die hohe Anzahl an ausländischen Arbeitskräften zeigt, dass es an der Zeit ist, die Ausbildung lokaler Arbeitskräfte zu fördern. Bildungs- und Ausbildungsinitiativen, die speziell auf den Bedarf der Gastgewerbebranche zugeschnitten sind, könnten dazu beitragen, die Abhängigkeit von externen Arbeitskräften zu reduzieren.

5. Nachhaltige Entwicklung und Innovation: Der Tourismus muss neu gedacht werden.Innovative Konzepte, die ökologische Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung in den Vordergrund stellen, sind notwendig, um die Branche zukunftsfähig zu machen. Dazu gehört auch die Förderung von nachhaltigem Tourismus und der Einsatz neuer Technologien zur Verbesserung der Ressourcennutzung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Südtiroler Tourismus vor erheblichen Herausforderungen steht. Die vom Arbeitsmarktförderungsinstitut vorgeschlagenen fünf Punkte würden einen tauglichen Ansatz zur Verbesserung der Situation im Gastgewerbe bieten. Durch eine Kombination aus Kapazitätsbegrenzung, besseren Arbeitsbedingungen, sicherer Altersvorsorge, Integration lokaler Arbeitskräfte und nachhaltiger Entwicklung kann der Tourismussektor in Südtirol zukunftsfähig gestaltet werden.

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Andreas Raffeiner

Geboren 1979 in Bozen und dort wohnhaft, 1996-2000 Lehre zum Buchbinder, 2000 Gesellenprüfung, 2000-04 im Verwaltungsbereich tätig, seit 2002 freiberuflicher Redakteur, 2007 Matura auf zweitem Bildungsweg, 2007-2015 Diplomstudium der Geschichte und Wahlfächer (Abschluss: Mag. phil.) in Innsbruck, 2015-2019 und seit 2023 Doktoratstudium aus Geschichte ebd., Referent, Rezensent, Autor von Büchern, Sammelbänden, Aufsätzen zu lokal-, zeit-, rechthistorischen, juristischen und politischen Themen.

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