Alois Schöpf
"Feiger Trottel" versus "Bonsai Hitler"
Wenn Poster im Internet Politiker beschimpfen und
diese zurückschimpfen.
Notizen
Da bezeichnet ein Poster im Internet FPÖ-Chef Herbert Kickl als Bonsai-Hitler, was selbst unter Einberechnung sämtlicher Satire-Effekte als üble Beleidigung einzustufen ist, geht es bei der Gartenkunst des Bonsai doch darum, Sträucher und Bäume in kleinen Gefäßen oder auch im Freiland zur Wuchsbegrenzung zu zwingen, ohne dass sie dadurch ihre charakteristischen Eigenschaften verlieren. Woraus folgt, dass Kickl als ein Verbrecher und Massenmörder wie Hitler bezeichnet wird, wenn auch im quantitativen Ausmaß seiner schrecklichen Vergehen kleiner dimensioniert.
Auf eine solche Ungeheuerlichkeit hin, die ein Politiker selbst dann nicht verdient, wenn man ihn aus tiefster Seele ablehnt, postete der Tiroler FPÖ-Obmann Markus Abwerzger feiger Trottel zurück. Dabei bezog sich die Benutzung des Eigenschaftswortes feig auf den Umstand, dass der solcherart Titulierte nicht seinen Klarnamen verwendet hatte, den Abwerzger, wie das Gericht in seinem Urteil später bemängelte, durchaus hätte herausfinden können, wenn er sich darum bemüht hätte.
Feig war allerdings nicht Anlass der Unterlassungsklage, die der Poster gegen Abwerzger anstrengte. Der eigentliche Casus Belli bezog sich vielmehr auf den Begriff Trottel, eine Zuschreibung, deren weitere Verwendung, da selbst in einer politischen Debatte überschießend, dem Beklagten bei gleichzeitiger Übernahme der Verfahrenskosten untersagt wurde. Dies übrigens auch unverändert in der zweiten Instanz.
Erstaunlich an dem Streitfall bleibt der Umstand, dass in der Begründung des Urteils und in der Berichterstattung darüber auf die ursächliche Beschimpfung, Bonsai Hitler gegenüber Kickl, demgegenüber sich feiger Trottel als geradezu harmlos ausnimmt, verzichtet wurde. Und dies, obgleich eine Bezeichnung dieser Art, abgesehen von einer zivilrechtlichen Klage, durchaus im Sinne der Paragraphen §115 Beleidigung, §111 üble Nachrede, §283 Verhetzung und §1947 Verstoß gegen das Verbotsgesetz die Staatsanwaltschaft hätte hellhörig machen müssen. Und dies insbesondere auch vor dem Hintergrund etwa einer Klage gegen Staatssekretär Sepp Schellhorn in Sachen Verbotsgesetz, der, in einem Zug angepöbelt, anlässlich eines Interviews meinte, er sei sich vorgekommen wie vor 85 Jahren, also 1940, was offenbar vom Kläger als eine schwere Beleidigung der jüdischen Opfer von damals interpretiert wurde und damit im Verdacht steht, strafbar zu sein.
Dass hingegen Bonsai-Hitler keine weitere Rolle spielte, ergibt sich für den politischen Beobachter aus zwei einfachen Gründen.
Zum einen aus der Beobachtung, dass sich die Gerichtsbarkeit von der Inquisition über den Volksgerichtshof der Nazis bis hin zur letzten Verurteilung wegen Homosexualität im Österreich des Jahres 2002 schon immer den Herrschenden und ihrer Ideologie angeschmiegt hat. Vor diesem Hintergrund dürfte auch angesichts der derzeitigen begeisterten Errichtung von Brandmauern gegen rechts durch die meinungsführenden Bobo-Eliten kaum einem Staatsanwalt oder einer Richterin der Schutz der Ehre eines Herrn Kickl ein besonderes Anliegen sein.
Als Zweites muss in Erinnerung gerufen werden, dass sogar der Europäische Gerichtshof in mehreren Urteilen festgestellt hat, dass sich Politiker, da in der Öffentlichkeit stehend und große Verantwortung tragend, mehr als gewöhnliche Bürger im Sinne des Schutzes der Meinungsfreiheit selbst überspitzte Kritik gefallen lassen müssen.
Diese Erkenntnis ist heute in der Bevölkerung Gemeingut, weshalb es zur Normalität gehört, vor allem im staatlichen ORF zum Gaudium des voyeuristischen Kleinbürgers Politiker respektlos zu behandeln. Zugleich wirft es wahrlich kein gutes Licht auf deren Selbstverständnis, wenn sie sich jegliche Form der inquisitorischen Demütigung gefallen lassen. Eine Folge solch öffentlich vorgeführter Unsitten ist die Gepflogenheit, dass Schimpfkanonaden auf die politischen Eliten im Stil eines Thomas Bernhard auch in privaten Kreisen längst zur gefragten Abendunterhaltung gehören, wobei hinzukommt, dass ausgerechnet ein Herr Kickl zu solchen Tiraden selbst beträchtliche Anregungen lieferte und immer noch liefert.
Offenbar ist in Vergessenheit geraten, dass Bürger, die ihre gewählten Herrscher herabwürdigen, sich selbst herabwürdigen. Und ebenso den Staat herabwürdigen, in dem sie in Frieden und Wohlstand leben dürfen. Und dass sie zuletzt auch eine Staatsform, die es ihnen ermöglicht, Mandatare zu wählen und abzuwählen, ihres Ansehens berauben.
Von dem Infotainment unterworfenen Medien und einer opportunistischen Rechtssprechung verführt ist aus dem Blick geraten, dass Politiker und Politikerinnen in einer Demokratie stets das Ergebnis einer Wahl sind, somit Wähler vertreten, oftmals Hunderttausende, und dass sie als Vertreter dieser Wähler geradezu unter besonderem Schutz stehen und einen besonders respektvollen Umgang verdienen sollten, wie er ja erstaunlicherweise immer dann gepflegt wird, wenn die Begegnung zwischen einem Bürger und einem politischen Repräsentanten ganz konkret erfolgt.
Die hier selbstverständlich gegenseitig geübte Höflichkeit sollte in des Wortes ursprünglicher Bedeutung auch sonst gängige Praxis sein. Dann würden Ausdrücke wie Bonsai Hitler als das wahrgenommen werden, was sie sind: Eine unentschuldbare Beleidigung. Wem auch immer gegenüber.
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Mir fehlt der Hinweis, dass cand. phil. Herbert Kickl in ewiger Treue zu seinem Ziehvater Dr. Jörg Haider die persönliche Herabwürdigung in der österreichischen Politik etabliert hat.