Alois Schöpf
Warum Joseph Haydn mit dem Küchenpersonal essen musste
und sich furchtbar darüber ärgerte.
Oder:
Künstler unterstützten in den USA Kamala Harris,
worauf Trump gewann.
Analyse

Der Komponist Joseph Haydn lebte und arbeitete einen Großteil seines Lebens in Eisenstadt als Kapellmeister des Fürstenhauses Esterházy. Seine täglichen Mahlzeiten nahm er jedoch nicht, wie man vor dem Hintergrund seiner späteren Berühmtheit annehmen könnte, mit der fürstlichen Familie ein, sondern in der Küche mit den anderen Domestiken, worüber er sich in seinen Briefen ausgiebig ärgerte.

Musiker firmierten damals eben, auch wenn sie später noch so die Namen ihrer adeligen Dienstgeber überragen sollten, unter Personal. Und im Grunde tun sie es wie alle Künstler, wenn auch in gewandelter Form, noch immer. Die Wahl Donald Trumps, die zu verhindern Hollywoods Größen ausrückten, konnten sie jedenfalls nicht verhindern.

Im Gegenteil: Sobald die Nachricht durch die Medien ging, dass Leute wie die Talkshow-Moderatorin und Unternehmerin Oprah Winfrey, die Popsängerin Taylor Swift, der Musiker Bruce Springsteen, der Oscar-Preisträger Leonardo DiCaprio, die Rapperin Cardi B oder George Clooney, Julia Roberts oder Chris Evans öffentlich für Kamala Harris votierten, war klar, wer gewinnen würde.

Man stelle sich nur vor, was hierzulande geschehen wäre, wenn unsere Großschriftsteller wie Michael Köhlmeier, Robert Menasse oder Peter Turrini, Entertainer wie André Heller oder Musiker wie Reinhold Bilgeri für Andreas Babler votiert hätten. Man kann mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass unter solch verschärften Bedingungen die SPÖ noch mehr verloren hätte, als sie es ohnehin schon getan hat, da selbst die treuesten Stammwähler der Partei es als unerträglich empfunden hätten, sich ihre Überzeugung von Leuten absegnen zu lassen, deren Motivationen ganz woanders liegen.

1. Schriftsteller, Musiker, Entertainer, der Einfachheit halber unter dem Begriff Künstler subsumiert, beteiligen sich nämlich vor allem an Unterschriftenaktionen und Petitionen, um – auf Österreich bezogen – jenen Politikern und ihren beamteten Instanzen, denen sie bisher Aufträge bzw. erhebliche Summen in Form von Stipendien, Preisen oder Vorlassabkäufen verdanken, die Macht zu erhalten.

2. Oder sie beteiligen sich daran, wenn sie den Eindruck gewinnen müssen, dass ihr Name schon zu lange nicht mehr am Markt der Aufmerksamkeit aufschien, die Anzahl der Engagements zurückging und die Einnahmen stagnieren. Dagegen muss angekämpft werden, insbesondere wenn ein neues Buch oder ein neuer Film erscheinen oder eine neue Konzerttournee angegangen werden soll. Für diesbezügliche Werbezwecke eignen sich Lichterketten und Antifa –Demonstrationen besonders gut, herausragend jedoch eine Fernsehsendung wie Licht ins Dunkel, in der sich in niederträchtigster Mitmenschlichkeit vom Kardinal bis zum Staatskaunertaler die Prominenz des Landes im Glanz des vom Staatsmedium ORF ausgerufenen Weihnachtsfriedens sonnen darf.

3. Künstler beteiligen sich aber auch an Petitionen menschheitserrettenden Inhalts, damit das Gute von ihrer Person auch auf ihre Werke abstrahlt, was heutzutage aus Marketinggründen für den Erfolg unerlässlich ist, obgleich, wie das Studium der Geschichte zeigt, weit mehr Kunst und darunter auch herausragende von schlechten Menschen kreiert wurde und immer noch wird, was mitnichten verwundert.

4. Denn Künstler sind nichts anderes als Unternehmer, deren Unternehmensgegenstand der Verkauf ihrer selbst ist, ein Ziel, das zu erreichen sie gewöhnlich fast alles zu opfern bereit sind. Dabei bleiben ihnen zwei Wege offen, deren harmonische gegenseitige Abstimmung am meisten verspricht: einmal der Weg der naturgegebenen, gleichsam genetisch kodierten (katholisch: Erstigkeit) Genialität, die allerdings nur in sehr seltenen Fällen tatsächlich gegeben und durch die der Erfolg noch lange nicht garantiert ist. Dieser resultiert nämlich vielmehr aus der Schläue, der Beharrlichkeit, dem Opportunismus und der Rücksichtslosigkeit des guten Geschäftsmanns als Künstler.

5. Und weil für öffentliche Wahlempfehlungen nur berühmte, also nur besonders erfolgreiche Künstler, also nur besonders rücksichtslose Geschäftsleute und somit Verkäufer ihrer selbst infrage kommen, hat der weniger erfolgreiche, sich mit Schmerzen durch sein Leben windende gemeine Bürger längst begriffen, dass, wenn er schon auf Empfehlungen hören sollte, immer nur das Gegenteil dessen für ihn zu gelten hat, was erfolgreiche, berühmte und reiche Künstler ihm, dem kleinen Mann, zu sagen haben.

Deshalb wählte er in den USA auch einen Trump, weil dieser, selbst Entertainer, also Künstler, seine fragwürdige Natur als Geschäftsmann, die ihn zum reichen Mann gemacht hat, in einer Weise offenlegt, wie es nur Menschen tun können, denen man Charakter nachsagt. Alle anderen, die Domestiken, die sich mit ihren Schüsseln in der Küche des Staates, des Fernsehens, des Films, der Verlage zur Essensausgabe anstellen, schweigen lieber beim Verzehr ihres Mahles, um der Liebe des Fürstenpaares, für das sie sich abmühen, des Geldes und des Ruhms, nicht verlustig zu gehen.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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