Alois Schöpf
Vor-Kritik zur vierten Woche
der Innsbrucker Promenadenkonzerte und
Überlegungen zur fehlenden Publikumsakzeptanz
bei traditionellen Trachtenmusikkapellen

Die letzte Woche der Innsbrucker Promenadenkonzerte ist besser summarisch zu besprechen, bietet sie doch einige vorab ausverkaufte Konzerte, die aufgrund ihres klar umgrenzten Angebots etwa als Blechbläserensemble, Bigband oder Symphonieorchester mit einem fixen Publikumszuspruch rechnen können.

Unter diese Rubrik fällt zuerst einmal Christoph Moschberger & da Blechhauf´n mit dem Konzert am 25. Juli. Dieses vor allem aus Blechbläsern bestehende Ensemble ist bereits bei Woodstock der Blasmusik in Oberösterreich aufgetreten und verfügt daher über eine vom ORF auf der Jagd nach dem niedrigst möglichen Niveau gewährte Medienpräsenz, durch die auch in Innsbruck die Anhänger der blasmusikalischen Breitenkultur angelockt werden.

Leider bzw. zum Glück kann dies von der 3BA Concert Band aus Süddeutschland nicht gesagt werden, obgleich sie über den Dirigenten der Brass Band Fröschl Hall Corsin Tuor eine gewisse Verbindung zu Tirol aufweist. Die Vorverkaufszahlen, die sonst bei Brass Bands ausgezeichnet sind, lassen in diesem Fall zu wünschen übrig: dies hängt zum einen mit dem unaussprechlichen Namen 3BA zusammen, eine nach Amtsstube riechende Abkürzung, unter der sich der fantasievollste Musikliebhaber nichts vorstellen kann und die auch auf der Webseite des Orchesters nicht weiter erklärt wird.

Aber auch das Programm der 3BA besteht, abgesehen von zwei der Band mehr oder weniger aufgezwungenen Stückeln des Johann Strauß, fast ausschließlich aus Werken, welche die Fragwürdigkeit zeitgenössischer Brass Band-Literatur widerspiegeln und die in der laufenden Konzertsaison bereits ausreichend abgefeiert wurden. Vielleicht gelingt es schönem Wetter und dem Renommee des Festivals dennoch, mit Besuchern, die im letzten Moment die Innsbrucker Promenadenkonzerte besuchen wollen, ehe es wieder einmal zu spät ist, den Innenhof der Hofburg zu füllen.

Selbiges ist garantiert beim Konzert der Münchener Symphoniker am 27. Juli, fast schon ein traditioneller Termin, bei dem die Münchener in diesem Jahr eine italienische Sommernacht mit Werken von Donizetti, Verdi, Giordano und Puccini versprechen, also mit allem, was gut und teuer ist am Opernmarkt.

Apropos teuer: Kundige Tiroler wissen inzwischen, dass sie in der Hofburg um 9 bzw. 7 Euro mehr serviert bekommen als in Kitzbühel bei der rund um Elīna Garanča aufgebauten Geldverdienmaschine, bei der unter dem Motto Klassik in den Alpen der Star selbst lediglich ein paar Stückeln singt und für den Rest Schüler vorschickt, wofür all jene, die auf die Anhäufung kulturellen Kapitals mittels Distinktionsgewinns aus sind, bis 220 Euro hinlegen müssen, ein Betrag, für den sie sich in Innsbruck gleich 34 Konzerte auf teilweise mindestens ebenso hohem Niveau anhören können, allerdings minus medial gehyptem Weltstar und daher ohne Distinktionsgewinn.

Mit einem sicheren Publikumszuspruch können auch Bigbands rechnen, wie etwa das fulminante Konzert des Upper Austrian Jazz Orchestra mit dem Akkordeonisten Robert Galliano als Gast bewiesen hat. Vor diesem Hintergrund wird auch das Jazzorchester Tirol unter der Leitung von Martin Ohrwalder mit seinem Konzert am 29. Juli 2025 mit einem glänzenden Publikumszuspruch rechnen können. Dass dieser, zumindest im Vorverkauf, nicht so eindeutig ausfällt wie bei den Oberösterreichern oder bei der Royal Band of the Belgian Navy, die sich sehr stark in Richtung Bigband definiert, hängt auch damit zusammen, dass es in Tirol trotz vieler überregional bedeutender Jazzgrößen nicht gelungen ist, die Marke eines regelmäßig auftretenden Jazzorchesters aufzubauen und durch Tonträger, Internet- und Fernsehauftritte zu festigen. 

Ein weiterer Grund ist, wie auch das eher peinliche Abschlusskonzert von Tiroler Jazzern im letzten Jahr bewiesen hat, ein zu laxes Qualitätsbewusstsein, das zwischen Kaffeehausauftritten, Geburtstagskränzchen, Konzert im Treibhaus oder eben im Innenhof der Hofburg keine klaren Grenzen definiert, wodurch ein kritisches Publikum durchaus verärgert werden kann. Hierzulande hält sich zu oft jeder einzelne Musiker für einen Star, was für eine Ensembleleistung als Jazzorchester keine gute Voraussetzung ist. Man wird sehen!

Womit wir bei den eigentlichen Sorgenkindern der 30. Innsbrucker Promenadenkonzerte angelangt wären, jenen traditionellen Musikkapellen, meist in ansehnlicher Tracht aufmarschierend, deretwegen die Innsbrucker Promenadenkonzerte eigentlich gegründet wurden, um ihnen durch hochwertige Konzerte auch außerhalb der Hofburg wieder zu mehr Ansehen zu verhelfen. Rein statistisch gesehen kann es um dieses Ansehen allerdings weiterhin nicht besonders gut bestellt sein, da die Konzerte genau dieser Trachtenkapellen mit Abstand die schlechteste Buchungslage aufweisen, und dies nicht nur bei schlechtem Wetter, was gern als Ausrede benützt wird, obgleich dies für Auftritte anderer Orchester in keinster Weise zutraf.

Als besondere Skurrilität erweist sich dabei der Umstand, dass die Veranstalter der Innsbrucker Promenadenkonzerte ununterbrochen beschuldigt werden, zu abgehoben zu sein, um noch den heimischen Kapellen einen Platz einzuräumen, zugleich jedoch die Dirigenten, Obleute und auch viele führende Musiker genau jener Kapellen, welche in vielen Fällen sogar die gleichen Stücke spielen, wie sie von professionellen Orchestern beispielhaft dargeboten werden, durch Abwesenheit bei den besonders hochkarätigen Konzerten der Innsbrucker Promenadenkonzerte glänzen. Generell lässt sich sagen, dass nicht nur das neutrale Tiroler Publikum, sondern auch die Blasmusikszene selbst den eigenen Orchestern gegenüber ein nur sehr mangelhaftes Interesse entgegenbringt. Was die Szene selbst betrifft, muss allerdings von manifester Ignoranz gesprochen werden.

Ein weiterer gravierender Aspekt ist die Tatsache, dass sowohl Blechbläserensembles als auch Bigbands durch ihre Besetzung und meist auch durch ihre Programme oder, wie etwa German Brass, durch ihre international bekannte Marke dem Publikum gegenüber genau definieren, was sie zu bieten haben. So spielen Brass Bands Brass Band-Literatur und Bigbands Jazz. Dieses klar umgrenzte Programmangebot bieten auch die klassischen Symphonieorchester, Kammermusik- oder Streicherensembles. Eine Sonderstellung nehmen hier lediglich die Militärmusikkapellen ein, die jedoch meist aus professionellen Musikern bestehen und von professionellen Dirigenten geleitet werden.

Die traditionellen Trachtenkapellen können ein solch klar umrissenes Konzertprodukt nur in den seltensten Fällen anbieten, wobei sie dann, wenn sie sich dazu entschließen, durchaus ebenso auf volle Säle verweisen können. Hier sei nur an die überaus erfolgreiche Geschichte der Tiroler Kaiserjägermusik erinnert.

Bei traditionellen Trachtenkapellen beginnt die Produktproblematik schon damit, dass ihre Musikerinnen und Musiker nicht wie bei Brass Bands, Bigbands oder Militärorchestern ausschließlich aus hervorragenden Amateuren oder professionellen Musikern bestehen und dass sie auch nicht von profilierten und bekannten Dirigenten geleitet werden. Vor allem jedoch bestehen die Programme fast aller unserer Trachtenkapellen inzwischen aus einer undefinierbaren Mischung aus epigonaler Pseudosinfonik, Unterhaltungs- und Filmmusik, selten genug aus wirklicher Kunstmusik. Und vor allem haben sie sich, aus welchen Gründen auch immer, vom großartigen und weltweit bekannten Werkkanon der altösterreichischen Blas- und Militärmusik fast vollständig verabschiedet, von genau jener Musik also, die sich ein gebildeter und im Hinblick auf das musikalische Können durchaus toleranter Zeitgenosse von einer in Tracht aufmarschierenden Tiroler bzw. Österreichischen Musikkapelle wünschen würde.

Das Endergebnis dieser im Grunde krisenhaften und katastrophalen Entwicklung ist eine Publikumsnachfrage, bei der man nur hoffen kann, dass schönes Wetter und der Beweggrund, wie schon gesagt, ein Konzert der Innsbrucker Promenadenkonzerte im letzten Moment doch noch genießen zu wollen, die beiden Konzerte der jeweils führenden Tiroler und Südtiroler Musikkapellen, der Musikkapelle Wilten am 28. Juli und der Musikkapelle Peter Mayr Pfeffersberg aus Südtirol am 30. Juli, einen, wie bei vielen anderen Konzerten fast schon üblich, vollen Innenhof herbeiführen.

Das Publikumsinteresse an den Vormittagskonzerten des Südtiroler Landesjugendorchesters und vor allem des Euregio Jugendblasorchesters am Sonntag 27. Juli, aber auch an den Konzerten des Tiroler Blasmusiktages anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des Landesverbandes der Tiroler Musikkapellen war und ist jedenfalls so gering, dass die Bereitschaft zu derartigen Terminen im nächsten Jahr schon allein aus budgetären Gründen hinterfragt werden muss.

Fotorechte: Amir Kaufmann/Innsbrucker Promenadenkonzerte

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor, Journalist, Veranstalter, geb. 1950, lebt bei Innsbruck, schreibt seit 41 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 34 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Nach seiner Tätigkeit als ORF-Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung verfasste Schöpf Romane, Erzählungen, Märchenbücher und in den letzten Jahren vor allem Essays zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Daneben schrieb er Theaterstücke und vier Opernlibretti. Schöpf war auch als Blasmusikdirigent tätig und ist Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die er 25 Jahre lang bis 2019 leitete. Zuletzt gründete er 2020 das Online-Magazin schoepfblog, an dem 40 renommierte Autorinnen und Autoren mitarbeiten.

Schreibe einen Kommentar