Alois Schöpf
Vom lauten Leben auf dem Lande
Apropos

Das Landleben gilt als idyllisch. Das mag sogar stimmen, an schönen Samstagvormittagen im Sommer eher nicht. Da packen nämlich gewisse Zeitgenossen, die als Pensionisten eigentlich immer Zeit hätten, ausgerechnet jetzt, wenn ihre Mitmenschen im Freien frühstücken wollen, die Rasenmäher und Motorsensen aus. 

Aber auch Städter, die in ihr Paradies aufs Land übersiedeln und selbiges nur schätzen können, wenn die Wiese vor dem Haus an einen englischen Adelssitz erinnert, vergessen ihr grünwählerisches Denken und vernichten mit blindem Genuss, was eine Blume bzw. Schutz und Nahrung für kleine Lebewesen hätte werden können.

Die Freiheit besteht vor allem im Recht auf Irrtum. Sie endet allerdings dort, wo die Nasenspitze des anderen anfängt. In diesem Fall müsste man sagen: der Gehörgang. 

Denn dem Rasenwahn wird meist mit so lauten Maschinen gehuldigt, dass der Verdacht naheliegt, es gehe hier nicht nur um die Pflege des jeweiligen mit Bausparvertrag finanzierten Kleinversailles, sondern im anthropologischen Sinn zusätzlich um männliches Markierverhalten: Hallo, liebe Zeitgenossen, ich bin auch noch da! Bitte das nicht zu vergessen!

Wenn zu solch oft Stunden währender Anwesenheitsbekundung rasende Traktoren, Heutrockenmaschinen, Laubbläser und eine Kreissäge dazu kommen und das Ganze von Kirchenglocken und gen den Brenner rasende Altachtundsechziger auf ihren Benzin-Viagras übertönt wird, kann niemand mehr von einer Idylle sprechen, weil nur noch akustischer Horror herrscht.

Zum Glück kehrt dann am Sonntag halbwegs wieder Ruhe ein, weil der Lärm per Gesetz verboten ist. Wobei sich die Frage erhebt, weshalb nicht auch unter der Woche zumindest bei Gartengeräten nur noch solche erlaubt sein sollten, die so leise sind, wie es von einem modernen Baukompressor verlangt wird. 

Mit freiwilliger Rücksichtnahme der Zeitgenossen ist nämlich nicht zu rechnen.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 10.08.2024

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor, Journalist, Veranstalter, geb. 1950, lebt bei Innsbruck, schreibt seit 41 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 34 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Nach seiner Tätigkeit als ORF-Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung verfasste Schöpf Romane, Erzählungen, Märchenbücher und in den letzten Jahren vor allem Essays zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Daneben schrieb er Theaterstücke und vier Opernlibretti. Schöpf war auch als Blasmusikdirigent tätig und ist Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die er 25 Jahre lang bis 2019 leitete. Zuletzt gründete er 2020 das Online-Magazin schoepfblog, an dem 40 renommierte Autorinnen und Autoren mitarbeiten.

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Rosi Baumann

    Sehr geehrter Herr Schöpf !
    Ein BRAVO für Ihren heutigen Beitrag in der TT…..
    Auf den Punkt gebracht, DANKE!
    Ich hoffe Sie haben ein schnelles Pferd! 😉
    Sie wissen, wer die Wahrheit sagt ….
    Schönes Wochenende!

  2. Peter Neurauter

    S.g. Hr.Schoepf
    Vielen Dank für diesen Artikel.
    Es stimmt zu hundert Prozent was Sie geschrieben haben. Endlich hat ein Journalist Mut gezeigt und die Missstände über Lärmschutz aufgezeigt, etwas, was unsere Bürgermeister scheinbar nicht interessiert, wenn sie immer auf die bundesweite im Gesetz verankerte Lärmschutzverordnung verweisen, obwohl es den Gemeinden überlassen ist, diese zu ergänzen.
    Es den wenigeren Menschen zu überlassen, der Mehrzahl anderer die Lebensqualität mit Lärm zu mindern, funktioniert wegen der Rücksichtslosigkeit dieser kleineren Menge nicht.
    Sie haben vollkommen recht, dass die Freiheit des Einzelnen in diesem Fall am Ohr des anderen endet, nur freiwillig kapieren tun das wenige. Daher gehört das geregelt. Warum sollten sich viele ein paar wenigen unterordnen müssen.
    Bitte mehr solche Artikel. Ich bin überzeugt, dass die Wirksamkeit höher ist als bei einem Leserbrief.
    Nochmals danke!

  3. Hartlieb Wild

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    Aus Sicht der Küchenpsychologie 😉 könnte man sagen, dass Lärm aus Moped– und aufgemotzten Bolidenmotoren ein Hinweis auf zu wenig ausgelebtes Pubertätsgehabe einer (männlichen) Person wäre. Hinter dieser und den anderen treffend geschilderten Lärmerzeugungen steckt aber, meiner Ansicht nach, abnehmende oder überhaupt ignorierte Rücksichtnahme auf Andere. Und das scheint mir ein zentrales Problem der Erziehung, auch: Kinderstube, zu sein (ohne aber eine autoritäre, schwarze Pädagogik zu befürworten!).
    Im Straßenverkehr geht’s weiter, wenn man erlebt, wie einzelne Rad– und Rollerfahrer durch Fußgängerbereiche und am Gehsteig dahinbrettern, Motto: Hallo, aus dem Weg ihr Fußlatscherloser, jetzt komme ICH, ICH, ICH …!
    Eine andere Lärmseuche sind – wie richtig beschrieben – die Trimmer und Laubbläser, insbesondere die mit den Zweitaktmotoren ohne Schalldämmung. Deren Einsatz ist deshalb lächerlich daneben, weil man in den meisten Fällen mit Besen und Heurechen gleich schnell ist. Der liebe Gesetzgeber soll sich da gefälligst eine Beschränkung des Lärms einfallen lassen, auch wenn er damit vielen „Lärmertaubten“ auf die Zehen steigt.
    Damit grüße ich Sie freundlichst

  4. Gottfried Kapferer

    Sehr geehrter Herr Schöpf,

    so sehr ich viele Kommentare von Ihnen schätze und Ihnen meist zustimme, dieses Mal liegen sie meiner Meinung nach meilenweit daneben. Keines der von Ihnen gezeichneten Horrorszenarien trifft zu. Wo leben Sie eigentlich, dass Sie unter einer solch schlechten Lebensqualität leiden müssen? Ich wünsche Ihnen bessere Lebensbedingungen und lassen Sie öfters mal Ihren Blutdruck kontrollieren.

    Mit besten Grüßen
    Gottfried Kapferer
    6166 Fulpmes

    1. Robert Muskat

      Lieber Herr Kapferer, ich würde Ihnen einige Zeit bei mir in Leutasch-Moos empfehlen! Da ist der „Traktor-Lärm“ zu vernachlässigen, aber die pubertierenden Jungs jagen fast den ganzen Tag mit ihren gesäuberten Zweirädern mit Getöse und Höchstgeschwindigkeit durch das Ortsgebiet, von Nord nach Süd und ein paar Minuten später in der Gegenrichtung! Ein ganz Spezieller steigt beim Passieren meines Nachbarn sogar mit dem Vorderrad in die Höhe und streift fast mit dem Kennzeichen auf dem Asphalt! In dem Haus wohnt übrigens eine „Frau“, die neulich ihren 20er gefeiert hat.. Außerdem sind einige ohne Kennzeichen unterwegs, was die zuständige Behörde aber nicht stört, da die ja Mitglieder der „Jungen ÖVP“ sind und daher unberührbar. Das ist die Realität am Lande!

  5. Reinhard Kocznar

    Voll daneben.
    Ich habe lange neben einem Bauernhof gelebt, da lief ständig ein Gerät. Das hat mich nicht im Geringsten gestört, die machen ihre Arbeit. Hätte mich das gestört, dann hätte ich wegziehen müssen.
    Jetzt bin ich wieder am Land und da ist es ruhig. Wenn gelegentlich ein Rasenmäher oder sonst was läuft kümmert mich das nicht. Ich habe auch einen, sowie zwei Nachbarinnen, die ich als binärer Hetero als solche erkenne. Die bereits geäußerte Theorie von Alois mit dem Rasenmäher als Penisersatz kann also nicht völlig treffsicher sein.
    Jungbauern mit dem Motorrad? Die sind mit ihren Traktoren unterwegs zu den Feldern oder Wiesen, wo sie arbeiten.
    Die Motorradfahrer (so wie ich) kommen aus allen Gruppen. Kein Motorradfahrer will damit das schöne Geschlecht beeindrucken, diese Theorie ist so treffsicher wie die oben. Hier und anderswo fahren sie ständig durch den Ort, zivilisiert und ruhig.
    Der Gehsteig ist übrigens für diejenigen, die zu Fuß gehen –ausschließlich.
    Ressentiments.

    1. Robert Muskat

      Glaube ich nicht. Ich kann sehr gut ein Moped von einem Traktor unterscheiden. Außerdem: Warum sollte ein normaler Motorradfahrer beim Nachbarhaus, wo eine holde Maid, gerade 20 geworden, sein Vorderrad in die Höhe reißen, sodass die Nummerntafel am Asphalt kratzt? Doch nur zum Anbaggern!
      Normalerweise ist mir ein Rasenmäher oder eine Schneefräse auch wurscht, ich frag mich nur, warum Herr X das nicht untertags macht, sondern prinzipiell dann anfängt, wenn alle Arbeitenden ihren Feierabend genießen wollen.

  6. Robert Muskat

    Voll ins Schwarze! Bei mir sieht’s so aus: In der warmen Jahreszeit donnern täglich die pubertierenden Jungbauern mit ihren Zweirädern, natürlich mit gesäubertem Auspuff, mit oder ohne Kennzeichen sinnlos von Nord nach Süd und umgekehrt durchs Ortsgebiet, natürlich nicht mit 45-50. Wahrscheinlich in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit irgendwelcher Frauen auf sich zu richten.
    Mein einer Nachbar lässt sich den ganzen Tag nicht blicken und ist im Haus. Aber wehe es ist nach halb sechs, dann wird Sommers bis acht Rasen gemäht und winters läuft die Schneefräse, natürlich auch nach Feierabend. Schließlich soll ja die ganze Umgebung hören, wie fleißig man ist.
    Autos im Ortsgebiet? Doch nicht mit 50, sondern mindestens mit 80 im zweiten Gang! Leider die Realität, und die Kasperln haben weder Auge noch Ohr dafür, man will sich ja nicht mit dem Bauernbund anlegen. Aber wehe ich warte eine Minute am Gehsteig, um mit meinem Partner in die Stadt zu fahren, dann werde ich angestänkert und man dreht sogar um, um eventuell einen Strafzettel loszuwerden!

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