Alois Schöpf
Sogar am Vatertag werden
die Väter belehrt.
Die jüngste moralistische Selbstüberhebung
des ORF
Notizen

Der Vatertag ist in Österreich selbst Jahrzehnte nach seiner Einführung im Jahre 1955 durch Helmut Herz, der den Absatz seiner Gloriette-Hemden damit zu steigern versuchte, nie so recht vom Fleck gekommen. Er kann es mit dem Muttertag und seinen Blumensträußen, Konzerten und Restaurantbesuchen weder wirtschaftlich, noch auch nur annähernd in Hinblick auf seine rituelle Bedeutung aufnehmen.

Letzteres hat vor allem zwei Ursachen: Zum einen die Tatsache, dass die Schwangerschaft, die Geburt und die ersten Monate nach der Geburt trotz aller in beschaulichen Büchern hochgelobten Freuden der Mutterschaft den Frauen hohe Risiken, Schmerzen und große Anstrengungen abverlangen, deren berechtigte und dankbare Würdigung niemand bestreitet.

Der zweite Grund, weshalb dem Vatertag bis heute etwas Mickriges und Peinliches anhaftet, weshalb ihn denn auch die Nachkommen mit einem kräftigen Händedruck bzw. einem Bussi rasch hinter sich zu bringen versuchen, ist dem feministischen, dekonstruktivistischen, antikolonialistischen Zeitgeist geschuldet, der den Mann in seiner stets gewaltbereiten schlimmsten Manifestation als weiß und alt zum sündhaften Hintergrund macht, vor dem die Frau als Opfer des Patriarchats zur Verwirklichung ihrer Menschwerdung schreitet.

So läppische Fakten, dass immer noch die meisten Familien vor allem vom Einkommen der Männer leben (Mann Frau 70:30 in Österreich), Männer die Häuser bauen, Männer für das Funktionieren von Autos, Geschirrspülmaschinen und Heizungen verantwortlich sind, Männer immer noch um 5 bis 6 Jahre früher sterben, im Verhältnis 4 zu 1 öfter Suizid begehen, im Verhältnis 80 zu 20 in die Obdachlosigkeit absinken, im Verhältnis 80 zu 20 alkoholabhängiger sind und im Verhältnis 25 zu 20 Prozent mehr körperliche Gewalt erfahren, werden in der Regel entweder als ungerechtfertigtes Selbstmitleid oder als Folge selbstverschuldeten toxischen Fehlverhaltens abgetan. 

Ursachenforschung interessiert nicht. Anerkennung der väterlichen Leistungen? Gar einmal und zwischendurch ein Lob? Mitnichten! Grundsätzlich gilt, dass Frauen mehr leiden und daran weniger selbst schuld sind. 

In diese Gnadenlosigkeit passt punktgenau die Schlagzeile des staatlichen Leitmediums ORF, wenn auf seinen Blauen Seiten der Online-Nachrichten unter folgendem Titel des Vatertags gedacht wird: 

Männer hinken bei Sorgearbeit hinterher. Mit einer Kunstaktion wird anlässlich des Vatertags am Sonntag österreichweit auf die nach wie vor geringe Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung und der Karenz aufmerksam gemacht. 

Den PredigerInnen der führenden Meinungsmaschine des Landes ist wirklich jede Gelegenheit recht, um uns vom Thron der hohen Moral herab zu belehren und auf diese Weise ihre unverschämten Gehälter zu rechtfertigen bzw. durch die Positionierung des eigenen Hinterns am medialen Richterstuhl unangreifbar zu machen.

Wer diese Zusammenhänge nicht durchschaut, ist wütend, ärgert sich oder fühlt sich verletzt und wählt Kickl. Oder in den USA Donald Trump. Wer sie durchschaut, muss sich daran gewöhnen, in den ungerechten Verlogenheiten des instrumentalisierten Moralismus intellektuell heimatlos zu sein. Und sich gegen alle Anfeindungen einen letzten Rest an Würde als Mann und Vater zu bewahren.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor, Journalist, Veranstalter, geb. 1950, lebt bei Innsbruck, schreibt seit 41 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 34 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Nach seiner Tätigkeit als ORF-Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung verfasste Schöpf Romane, Erzählungen, Märchenbücher und in den letzten Jahren vor allem Essays zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Daneben schrieb er Theaterstücke und vier Opernlibretti. Schöpf war auch als Blasmusikdirigent tätig und ist Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die er 25 Jahre lang bis 2019 leitete. Zuletzt gründete er 2020 das Online-Magazin schoepfblog, an dem 40 renommierte Autorinnen und Autoren mitarbeiten.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Alfred Lerchbaumer

    Werter Herr Schöpf,
    zur moralischen Vatertagsbelehrung fehlte seitens unserer „Leitmedien“ nur noch die karikaturanalytische Verspottung – betrunkene Männer im Gänsemarsch mit dem bierkistengefüllten Bollerwagen.

    Herzliche Grüße

  2. Werner Schandor

    100 % Zustimmung! Als zweifacher, sorgender Vater fand ich den gouvernantenhaften ORF-Beitrag „Männer hinken bei Sorgearbeit hinterher“ am Vatertag ebenfalls völlig unangebracht.

    Ich denke mir: Was beim ORF seit einiger Zeit abgeht, hat sich im 19. Jahrhundert ähnlich in den Männersalons abgespielt – nur halt, dass es damals hieß, die Frauen sind minderbemittelte Tschopperln. Und so daneben das damals war, so daneben ist es heute, wenn Männer von chauvinistischen Feministinnen, die sich als das bessere Geschlecht begreifen, laufend als potenzielle Gewalttäter und Gesellschaftsschädlinge dargestellt werden.

    Während es sich der Feminismus verbietet, dass Männer über Frauen urteilen, ist es beim ORF üblich geworden, dass sich Frauen die Männer zurechterklären. Da gab’s Anfang Mai z.B. einen Artikel, in dem eine feministische Journalistin erklärte, wie man Burschen dazu bringen könne, mehr zu lesen („Burschen auf dem Weg zur Lust am Lesen“). Aber nicht, damit die Burschen Freude am Lesen haben, sondern damit das emotional verwahrloste Geschlecht mehr Empathie entwickelt. Männer sind die neuen Mängelwesen.

    Ich stimme dir auch in deiner Schlussfolgerung zu: Wenn man die stets wiedergekäuten Genderklischees hinterfragt, die beim ORF breitgetreten werden, fühlt man sich bald ziemlich heimatlos im österreichischen Journalismus. Und der Gesellschaft tut das Schwarz-Weiß-Bild, das von den Geschlechtern gezeichnet wird, auf keinen Fall gut.

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