Alois Schöpf
Josef Cap versus Peter Westenthaler
Der Funktionsintellektuelle
in der Diagnosemaschine des Fernsehens
Analyse

Ich bin ein Fan der Debatten zwischen Josef Cap und Peter Westenthaler im Fellner oe24TV. Nirgendwo sonst nämlich tritt der Unterschied zwischen einem Funktionsintellektuellen und einem, der tatsächlich durch Denken die laufenden Ereignisse zu durchdringen versucht, so deutlich zutage.

Bei einem Funktionsintellektuellen befindet sich, wie der Name schon sagt, am Schädeldach ein fiktiver Schlitz, in den Geldscheine oder Beförderungsdekrete, fallweise auch Orden hineingestopft werden, auf dass bei seinem Mund herauskommt, was der edle bzw. mächtige Spender sich wünscht.

Dem echten Intellektuellen hingegen fehlt ein solcher Schlitz, was ihn befähigt, den Überdruck seiner Gedanken durch Ironie und Humor abzubauen, eine Fähigkeit Josef Caps, die Westenthaler immer wieder zu einem gequälten Lächeln veranlasst. Dass Westenthaler übrigens keineswegs dumm ist, sondern durchaus seinem Gesprächspartner ebenbürtig sein könnte, zeigt sich dann, wenn zu gewissen Themen der Spendenschlitz am Schädeldach ungenutzt bleibt.

In solchen Momenten blitzt ein authentisches Denken auf, ohne das auf längere Distanz die Rollenverteilung zwischen den beiden Herren vorhersehbar und damit für den Zuschauer zu uninteressant wäre. Ein klassisches Beispiel für die Langeweile solcher Vorhersehbarkeit sind die Debatten zwischen den geistigen Flachwurzlern Sebastian Bohrn Mena versus Gerald Grosz. Es ist wahrlich eine Schande, dass der Sender im Haifischbecken der taxfreien heimischen Selbstdarsteller nicht interessantere Kombattanten auftreibt.

Die funktionsintellektuelle Formatierung Herrn Westenthalers ist übrigens dann am faszinierendsten zu beobachten, wenn er aufgrund eines, wie schon erwähnt, eher harmlosen Themas seine Gedanken frei schweifen lässt und ihm während seines Denkens plötzlich einfällt, dass er das geistige Kapital, das er gerade angehäuft hat, gleichsam im Vorschussverfahren seiner Partei zur Verfügung stellen und an die Themen Impfpflicht, Lockdown, EU oder Putin ankoppeln könnte. In diesem Fall wird plötzlich die Logik der Argumente rüde beendet und auf die Denkform des Krakeelens als Parteisprache umgestellt.

Diese Peinlichkeit der öffentlichen intellektuellen Selbsterniedrigung verpasst dramaturgisch Josef Cap einen ewigen Unterhaltungswert, da bei ihm die Gedanken nie ins Funktionelle einer Partei abgleiten, sondern immer der Logik des Denkens verbunden bleiben, was, bedingt durch die Zeitläufte, zwangsläufig immer neue Ergebnisse zur Folge hat.

Was bleibt, ist allerdings die Frage, ob der Niedergang der Sozialdemokratie nicht auch daran zu erkennen ist, dass Persönlichkeiten wie Cap in das Besenkämmerchen einer Parteiakademie abgeschoben wurden. Und es bleibt die Frage, wie seriös und regierungsfähig eine FPÖ ist, wenn ihre führenden Intellektuellen sich in so offensichtlicher Weise der Parteiraison beugen.

PS: Westenthaler ist durch oe24TV nur ein besonders prominentes Beispiel, auf das Werke wie Julian Bendas Verrat der Intellektuellen oder Alexander Solschenizyns Die Eiche und das Kalb zutreffen. Zu verweisen ist an dieser Stelle auch auf die in diesem Fall verschriftlichten Auslassungen eines Franz Griebl, am Markt Franzobel, die vor zwei Wochen Gegenstand einer Analyse waren. Zu verweisen ist aber auch auf die Gegner einer Liberalisierung der Sterbehilfe, die wider besseres Wissen ein 2000 Jahre altes Buch und die daraus entwickelten theologischen Absurditäten zum Anlass nehmen, um ohne Rücksicht auf menschliches Leid die Realisierung eines Menschenrechts zu ver- oder zumindest zu behindern. Auch davon war im schoepfblog schon mehrfach die Rede.

https://schoepfblog.at/literarische-korrespondenz-franzobel/
https://schoepfblog.at/literarische-korrespondenz-alois-schopf-an-frau-dr-med-elisabeth-medicus/https://schoepfblog.at/alois-schopf-ansturm-und-erbschleicher-alarm/

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Schreibe einen Kommentar