Alois Schöpf
Leidenschaft hält jung.
Gerda Waltons Berichte
aus dem Paralleluniversum der Gartenfreuden
Eine Hommage

Die Begegnung mit Gerda Walton in den 1990-er Jahren sollte mein Leben verändern. Damals war sie noch Mitarbeiterin der legendären späteren Bürgermeisterin von Innsbruck Hilde Zach und organisierte im Areal der Sieberer Schule im Innsbrucker Stadtteil Saggen die Innsbrucker Gartenschau, zu deren musikalischer Beschallung sie einige gerade in der Hochblüte ihrer Beliebtheit stehende volkstümliche Bands eingeladen hatte.

Da die Musikkapelle Saggen, deren Kapellmeister ich war, ihr Probelokal in unmittelbarer Nachbarschaft zur Gartenschau hatte und wir die zu uns herüberklingende Musik geradezu als Provokation angesichts unserer ehrgeizigen hochkulturellen Visionen empfanden, nahmen wir mit der Organisatorin der Gartenausstellung, mit Gerda Walton eben, Kontakt auf und baten sie, für die weitere musikalische Ausgestaltung ihrer an schönen Wochenendtagen von Tausenden besuchten Ausstellung die Verantwortung übernehmen zu dürfen.

Ohne sich auch nur im Geringsten gekränkt zu fühlen, sagte sie uns dies zu. Sie fühlte sich durch unseren Vorschlag nicht nur in ihrer Arbeit entlastet, es entsprach auch ganz ihrem Charakter, für neue Ideen stets ein offenes Ohr zu haben.

Diese Begegnung bildete die Initialzündung für die Innsbrucker Promenadenkonzerte, die zuerst mit einem einzigen Konzert begannen, dann rasch zu einer Konzertserie anwuchsen, inzwischen in den Innenhof der kaiserlichen Hofburg in Innsbruck übersiedelt sind, zu einem der wichtigsten kulturellen Angebote der Landeshauptstadt im Sommer zählen, längst europaweit in der Bläserszene hohes Ansehen genießen und im heurigen Jahr ihr 30-jähriges Bestandsjubiläum feiern.

Die Innsbrucker Gartenschau war, wie schon gesagt, zuletzt so erfolgreich, dass Gerda Walton ihr unbezahltes Engagement neben dem Beruf als Büroleiterin des Innsbrucker Wirtschaftsbundes und ihren Aufgaben als Hausfrau und Mutter zu viel wurde, weshalb sie die Initiative beendete. Im Jahre 2000 trat sie dann ihren Ruhestand an.

Ruhestand! Das völlig falsche Wort für eine Gerda Walton. Statt die Hände in den Schoß zu legen, um vor dem Fernsehkasten zu sitzen und sich über den Weltenlauf zu ärgern, stieg sie in die Reiseleiterbranche ein und wurde über die Jahre zur gesuchten Kapazität für Gartenreisen durch ganz Europa, vor allem jedoch durch das Eldorado der Gartenfreunde: England.

Da Walton für Hilde Zach schon seit Jahren nicht nur die Reden geschrieben hatte – wenn Zach extemporierte, konnte das gefährlich werden – , sondern auch für den Wirtschaftsbund, deren Obfrau Zach war, eine eigene Zeitung herausgegeben hatte, beherrschte sie das Handwerk des journalistischen Schreibens, sodass sie sich problemlos nun auch als Kolumnistin und Sachbuchautorin profilieren konnte.

So schreibt sie bis heute, obgleich inzwischen im 83. Lebensjahr angekommen, immer getragen von ihrer Liebe zum „Garteln“, wie sie das nennt und wie sie es auch privat leidenschaftlich betreibt, für drei Gartenzeitungen gleichzeitig, hält mit ihrem Gesinnungsfreund, dem Bio-Gärtnerpapst Erwin Seidemann in dessen Gartenakademie Vorträge und verfasst daneben Bücher, von denen zwei hier besonders vorgestellt werden sollen.


Gerda Walton, Erwin Seidemann, Alexander Würtenberger: Bienen-Paradies Biogarten. Für Bienenfreunde, die gärtnern, und Gärtner, die Bienenfreunde sind. Cadmos Verlag München 2021. Euro 29,49


Gerda Walton, die neben ihren Fachberatern Erwin Seidemann und dem Förster Alexander Würtenberger für die elegant geschriebenen Texte dieses Buches verantwortlich zeichnet, entführt als dramaturgisch kluge Sachbuchautorin die Leserinnen und Leser in die Welt der Bienen, Wildbienen, Hummeln , Wespen und Hornissen, ohne je zu langweilen oder durch Überinformation zu ermüden.

Nach einer fachlich abgesicherten Erkundung der für den Menschen so bedeutenden Insektenwelt tritt sie eine Reise durch unsere üblichen Gärten an und beurteilt die verschiedenen Pflanzen nach Maßgabe ihrer Nützlichkeit für die Bienen und ihre Artgenossen. Bedrängt von der industriellen Landwirtschaft und oft bereits vom Aussterben bedroht definiert die Autorin die optimalen Rahmenbedingungen für eine Insektenwelt, ohne die es für den Menschen weder die Schönheit der Gärten, noch ausreichend Lebensmittel gäbe, was unter anderem auch darin seinen Niederschlag findet, dass für Obstplantagen von industriellen Bienenzüchtern ganze Bienenvölker angemietet werden, deren Aufgabe es ist, im Frühjahr die Befruchtung der Pflanzen durchzuführen.

Zuletzt endet das Buch in jenen idealen Paradiesen, welche die menschliche Sehnsucht nach Schönheit mit der Nützlichkeit verbinden, eine Symbiose aus Insekten und Pflanzen durch kluge Planung unter optimalen Bedingungen zu ermöglichen. Und dies alles auf biologischer Basis.

Auch hier: Alle Texte sind in subtiler Weise von Waltons Liebe und Begeisterung getragen, für sich selbst, aber auch für die Tier- und Pflanzenwelt Lebensräume zu erhalten. Wer Waltons Buch im Frühling liest, geht daher umgehend hinaus in den Garten, um mit der Arbeit loszulegen. Wer es in der Winterzeit liest, freut sich umso mehr auf wärmere Zeiten und legt sich zumindest eine To-do-Liste an.



Gerda Walton: Gärtnern wie Gott in England. Callwey Verlag. Eine Reise in die Welt der englischen Gartenkunst.München 2024. Euro 46,27

Wie schon angedeutet, ist Gerda Walton inzwischen als Reiseleiterin durch europäische Gartenparadiese eine gefragte Expertin, wobei es ihr vor allem England angetan hat, das nicht nur aufgrund der dort herrschenden klimatischen Bedingungen, sondern auch aufgrund eines kaum geminderten Status‘ des Adels, was man in vielen anderen Bereichen durchaus bedauern mag, über besonders viele prächtige, oftmals Schlösser umgebende Gärten und Parkanlagen verfügt, die, um überhaupt finanziert werden zu können, für das Publikum geöffnet sind. Sollten derlei Anlagen von ihren Besitzern übrigens nicht mehr erhalten werden können, werden sie dem National Trust übergeben, der an die 200 Gärten und Parks für die Nachwelt instand hält.

So beschäftigt sich der Prachtband Gärtnern wie Gott in England, womit natürlich auf das französische Pendent Leben wie Gott in Frankreich angespielt wird, zuerst mit den historischen Gärten, sodann mit der englischen Gartenkunst als solcher und zuletzt mit jenen Lieblingspflanzen der Engländer, denen oft ganze Anlagen gewidmet sind.

Das Buch ist opulent mit Fotografien ausgestattet, die Gerda Walton auch als exzellente Fotografin ausweisen. Hinzu kommen mehrere geographische Schautafeln, welche übersichtlich verdeutlichen, wo die jeweiligen Gärten zu finden sind.

Ein Muss also für Gartenfreunde, die an ihre Reisen zurückdenken wollen, und ebenso für jene, die eine Gartenreise nach England planen. Die Qualität des Buches wird übrigens auch durch die Einladung Waltons zur Verleihung des Deutschen Gartenbuchpreises 2025 bestätigt.

PS:
Was mich betrifft, so wäre ich schon längst einmal mit Gerda Walton auf einer ihrer Gartenreisen mitgefahren, wenn ich nicht allzu genau wüsste, dass ich hiermit ein Paralleluniversum betreten würde, das leidenschaftlich zu lieben ich schlicht und einfach keine Zeit habe, weshalb ich mich von ihm lieber fernhalte.

Dennoch bin ich aus einem ganz einfachen Grund ein Bewunderer Gerda Waltons. Ich bewundere nicht nur ihre Entschlossenheit, sich keine Sekunde lang als untätige Pensionistin zu definieren, sondern diesen Lebensabschnitt, wie es auch sehr viele Autoren und Autorinnen des schoepfblog tun, zu nutzen, um als jemand, der nicht von seiner Arbeit leben und sich dementsprechend den Verhältnissen beugen muss, durch seine geistige Freiheit und den disziplinierten Fleiß des Alters aus seiner reichen Erfahrung zu schöpfen und der Nachwelt Wichtiges weiterzugeben.

Walton selbst sagt dazu: Meine Pension ist die Zeit der Ernte. Ganz so sehe ich es auch für mich selbst. Ich kann nur hoffen, dass mich ebenso wie Gerda Walton nicht so bald Kraft und Kreativität zum Ernten dazu verlassen.



Nachtrag vom 11.03.2025:

Liebe Frau Kollegin, lieber Herr Kollege, beim Deutschen Gartenbuchpreis, der Freitag verliehen worden ist, sind zwei Titel mit dem ersten Preis ausgezeichnet worden:

Gerda Walton, Gärtnern wie Gott in England hat den 1. Preis Kategorie E-Book gewonnen. Das Buch hat die Jury umfassend überzeugt – und ist gedruckt mal mindestens genauso schön.

Das Buch Stauden im Garten und die Gesellschaft der Staudenfreunde e.V. sind mit dem 1. Platz „Stihl Sonderpreis“ für außergewöhnliche Bücher und Photos im Besonderen geehrt worden.

Herzliche Grüße!

Andreas Hagenkord
Leiter Presse und Information
Callwey Verlag München

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor, Journalist, Veranstalter, geb. 1950, lebt bei Innsbruck, schreibt seit 41 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 34 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Nach seiner Tätigkeit als ORF-Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung verfasste Schöpf Romane, Erzählungen, Märchenbücher und in den letzten Jahren vor allem Essays zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Daneben schrieb er Theaterstücke und vier Opernlibretti. Schöpf war auch als Blasmusikdirigent tätig und ist Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die er 25 Jahre lang bis 2019 leitete. Zuletzt gründete er 2020 das Online-Magazin schoepfblog, an dem 40 renommierte Autorinnen und Autoren mitarbeiten.

Schreibe einen Kommentar