Alois Schöpf
Eines hat Donald Trump schon jetzt bewiesen:
Man kann auch in einem demokratischen Staat
regieren, wenn man regieren will.
Was bedeutet das für Tirol?
Notizen mit Vorschlagsliste

Donald Trump scheint neben Golfspielen in den Jahren, die ihm angeblich Joe Biden gestohlen hat, eine Writers School absolviert zu haben. Entsprechend leicht fällt es ihm, in kürzester Zeit über 200 Dekrete zu verfassen bzw. zu lektorieren und sie zuletzt geradezu kalligraphisch zu unterschreiben.

Da ich davon ausgehen muss, dass ich von unseren beamteten Mainstream-Medien, ganz im Gegensatz zur Einschätzung meines geschätzten Kollegen Walter Plasil, tendenziös, vor allem also links-woke und trumpfeindlich informiert werde, hüte ich mich, mir ein vorschnelles Urteil zu bilden, zumal zumindest einige Entscheidungen des zur Schumpeter’schen creative destruction neigenden, disruptiven Präsidenten zumindest aus meiner Sicht einen Ansatz von Vernunft erkennen lassen.

Wenn er zum Beispiel die für jeden bei Verstand gebliebenen Menschen biologische Tatsache per Dekret bestätigen lässt, dass es nur Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gibt, insofern selbst die reizendste transsexuelle Abstufung zwischen Mann und Frau, bislang zumindest, keine eigenständige, in ihrer Art fortpflanzungsfähige Spezies, sondern wiederum nur Mann oder Frau ergibt. Dieses Faktum als diversitätsfeindlich einzustufen, zeigt lediglich die weltanschaulichen Gräben auf, auf deren rechter Seite die Konservativen in Gelächter ausbrechen, während auf der linken Seite empörtes Geschrei ausbricht.

Oder wenn Trump erneut feststellt, dass es sich die Europäer unter dem militärischen Schutz der USA über Jahrzehnte gut gehen ließen, ohne selbst Nennenswertes zu ihrer Verteidigung beizutragen, was ja besonders für Österreich mit seiner Neutralitätslüge gilt. Aber auch für Deutschland, was den begnadeten Kolumnisten der Die Zeit Harald Martenstein unlängst zur Frage veranlasste, wo eigentlich die jährlich 66 Milliarden Euro des Deutschen Verteidigungsbudgets landen, wenn die Bundeswehr dafür nicht einmal einsatzfähig ist?

Beide Beispiele dienen hier nicht dazu, der Regierungsweise und den Programmen Trumps in irgendeiner Weise eine besondere Bewunderung entgegenzubringen, sie sind vielmehr alarmierende Symptome dafür, dass unsere Demokratien in moralistischer und daraus erwachsender bürokratischer Selbstlähmung und pragmatisierter verwaltungstechnischer Selbstverdauung zunehmend weder die Versprechen einhalten, die sie bei Wahlen abgeben, noch die grundlegenden Pflichten wie Sicherheit oder Schutz der Grenzen erfüllen, eine kollektive Enttäuschung, die Ingolfur Blühdorn in seiner Analyse „Unhaltbarkeit. Auf dem Weg in eine andere Moderne“ ausführlich darstellt. Endergebnis dieser Entwicklung ist dann der Ruf nach starken Männern, die sich sehr oft aus den Reihen gefährlicher Narzissten rekrutieren.

Beide Beispiele werden aber auch erwähnt, um zu begründen, dass es für eine einigermaßen faire Beurteilung des Trump’schen Dekretismus noch zu früh ist. Nicht zu früh hingegen ist die Feststellung, dass hier jemand, obgleich nicht Diktator, sondern gewählter Präsident eines demokratischen Staates, in einer geradezu korrekten Auslegung des Werks „Der Fürst“ von Niccolò Machiavelli nicht nur regiert, sondern herrscht, was sich vor allem darin äußert, dass er Maßnahmen von gestern schon morgen wieder zurücknehmen kann, ohne im Gelächter seiner Untertanen und der Medien unterzugehen.

Daraus jedoch folgt, dass der zögerliche, stets marketinggetriebene, anbiedernde und auf ewigen Ausgleich und damit auf Stagnation ausgerichtete Regierungsstil unserer österreichischen und vor allem tirolerischen Amtsträger nicht notwendiger Ausdruck des Systems selbst ist, sondern Ausdruck eines mangelnden Wissens darüber, was Politik ist und dass ihre Aufgabe nicht darin besteht, anbiedernd die nächste Wahl zu gewinnen.

Dabei ist das Argument, dass es sich bei den USA um eine Präsidialdemokratie handelt, bei der dem Staatsoberhaupt wesentlich mehr Machtbefugnisse zur Verfügung stehen als im Rahmen unserer Verfassung und schon gar im Rahmen eines kleinen Bundeslandes wie Tirol, nur auf den ersten Blick stichhaltig. Es zeichnet kompetente Politiker nämlich geradezu aus, dass sie sich den jeweiligen Verhältnissen anpassen können, ohne an Durchsetzungskraft zu verlieren.

Was Tirol betrifft, sei nur an einen Eduard Wallnöfer erinnert, der dem Land rücksichtslos eine Infrastruktur verpasste, die etwa durch die Brennerautobahn die üblichen 60 km langen Staus auf den Landstraßen beendete, und der durch den Arlbergtunnel eine gefahrlose, witterungsunabhängige Verbindung nach Vorarlberg und in die Schweiz initiierte. Ganz abgesehen von der strikten Zurückweisung von etwaigen Plänen honoriger Universitätsprofessoren, die Bergtäler aufgeben wollten, während Wallnöfer sie durch den Ausbau der Infrastruktur und einen offensiven Tourismus vor der Entsiedelung rettete.

Ein eher übles Beispiel des Wallnöfer´schen Machttalents ist die Tatsache, dass es ihm gelang, eine verfassungswidrige Vermögensübertragung von Gemeindegütern in die Verfügungsgewalt von Agrargemeinschaften durchzuführen, was auch als ein bis heute noch nicht reparierter milliardenschwerer Raubzug zu Ungunsten der nichtagrarischen Bevölkerung eingestuft werden muss.

Nicht minder durchsetzungsstark war jedoch auch Wallnöfers Schwiegersohn Herwig Van Staa, der gemeinsam mit Hilde Zach Innsbruck vom verschlafenen Provinznest Romuald Nieschers zu einer modernen Stadt machte, internationale Architekten mit Aufträgen bedachte und der als Landeshauptmann das Kunststück zuwege brachte, über 100 Tourismusvereine zu einigen wenigen schlagkräftigen zusammenzuziehen, was ihm zuletzt als Regierungschef mit den Kopf kostete. Denn sosehr es Hilde Zach mit ihrem herben Charme gelang, mit lediglich einem Viertel der Wählerstimmen Innsbruck gleichsam diktatorisch zu regieren, so wurde Van Staa für seine Durchsetzungskraft und seine Intellektualität im immer noch voraufklärerischen Tirol bei Wahlen abgestraft, sodass er das Zepter an den charmanten Konsenspolitiker Günther Platter weitergeben musste.

Auf Bundesebene sei lediglich an Bruno Kreisky erinnert, der trotz heftiger Widerstände nicht nur wichtige Bereiche der UNO nach Wien holte und sich eine eigenständige Palästina-Politik erlaubte, sondern auch gemeinsam mit Christian Broda im katholischen Österreich eine Strafrechtsreform durchsetzte, die das Land geradezu revolutionär veränderte.

Vor dem Hintergrund all dieser Persönlichkeiten, aber auch vor dem Hintergrund des Verhaltens Trumps als eines zeitgenössischen Renaissancefürsten ermisst sich erst, ganz unabhängig vom Sinn und Erfolg seiner Dekrete, die Untätigkeit und Phantasielosigkeit der Tiroler Landespolitik, welche die unausweichlichen Katastrophen des Niedergangs, die immer dann erfolgen, wenn nur verwaltet wird, nicht einmal wahrzunehmen und einzugestehen in der Lage ist.

Um nur einige Vorschläge für allfällige „Dekrete“ aufzulisten:

Energie:
Beendigung der absurd langen Genehmigungsverfahren für den Bau von mehreren Pumpspeicherkraftwerken zur Speicherung des in Tirol immer reicher anfallenden Stroms aus PV-Anlagen.

Landwirtschaft:
Rücküberführung der illegal an die Agrargemeinschaften verschobenen Gemeindegüter an die Gemeinden auf Basis der Analyse des Verfassungsrechtlers Heinrich Kienberger mittels eines einfachen Landesgesetzes.

Verkehr:
Beendigung des Andreas-Hofer-Theaters Tirols als Opfer des internationalen Transitverkehrs und Erarbeitung einer Transitlösung gemeinsam mit Deutschland und Italien bei gleichzeitigem Ausbau der Brennerautobahn auf drei Spuren und Komplettierung noch notwendiger Lärmschutzmaßnahmen.

Medien:
Gemeinsam mit Südtirol Gründung einer landeseigenen Rundfunk- und Fernsehanstalt, deren Aufgabe es ist, Tirol und seine Identität vor dem Hintergrund der Präambel zur Landesverfassung als eigenständigen Kulturraum zu repräsentieren.

Gesundheit:
Neupositionierung aller Kliniken in Tirol, vor allem der Standorte Hochzirl, Natters und Hall zwecks Verhinderung von Doppelgleisigkeiten.
Entkonfessionalisierung der Hospizbewegung und Ermöglichung von selbstbestimmtem Sterben auf Basis des Sterbeverfügungsgesetzes.

Kultur:
Sofortiger Stopp des vollkommen unsinnigen Museumsumbaus und Neuausrichtung der gesamten Museumslandschaft.
Sofortige Entlassung der künstlerischen Führungsmannschaft des Tiroler Landestheaters.
Entpolitisierung der Volkskultur als ÖVP-Vorfeldorganisation.

Hochschulen:
Neustart für einen Standort des MCI, dessen bisherige dilettantische Planung bereits Millionen verschlungen hat und nun durch die beabsichtigte Sanierung eines ungeeigneten, im Privatbesitz befindlichen Standorts weiter fortgesetzt wird.

Umwelt:
Errichtung einer eigenen Müllverbrennungsanlage zwecks Beendigung des sündteuren Florianiprinzips durch Transport des Mülls nach Arnoldstein in Kärnten bzw. Zistersdorf in Niederösterreich.

Die geneigten Leserinnen und Leser des schoepfblog werden höflich ersucht, im Sinne eines öffentlichen Brainstormings dieser Liste weitere Punkte hinzuzufügen.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor, Journalist, Veranstalter, geb. 1950, lebt bei Innsbruck, schreibt seit 41 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 34 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Nach seiner Tätigkeit als ORF-Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung verfasste Schöpf Romane, Erzählungen, Märchenbücher und in den letzten Jahren vor allem Essays zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Daneben schrieb er Theaterstücke und vier Opernlibretti. Schöpf war auch als Blasmusikdirigent tätig und ist Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die er 25 Jahre lang bis 2019 leitete. Zuletzt gründete er 2020 das Online-Magazin schoepfblog, an dem 40 renommierte Autorinnen und Autoren mitarbeiten.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Otto Riedling

    Energie:
    Jedes Hausdach, das dafür geeignet ist (www.tirolsolar.at) wird mit PV-Anlage samt nachgelagerter
    Speichermöglichkeit bestückt. Errichtung von mittleren / größeren Batteriespeicheranlagen.

    Bildung:
    Inklusives, ganzheitliches Lernen wird zur Pflicht.
    Privatschulen in freier, nichtkonfessioneller Rechtsträgerschaft werden rechtlich
    / finanziell jenen in konfessioneller Rechtsträgerschaft gleichgestellt
    (Derzeit gibt es diese Benachteiligung durch ein „verfassungswidriges Verfassungsgesetz“)

    Gesundheit:
    Prävention wird zur Pflicht. Arztbesuche werden oft als „Gesprächstherapie“, Medikamente als
    „Nahrungsergänzungsmittel“ angesehen.

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