Alois Schöpf
Ein Scheit brennt auch allein.
Apropos
Derzeit wird ziemlich viel mit edlen Worten und den schlaffen Gesichtszügen der Selbstgerechtigkeit über Versöhnung und Frieden gesprochen bzw. solches gefühlvoll herbeigewünscht. Als gängigstes Rezept, dieses Ziel zu erreichen, gilt dabei der Grundsatz, man möge sich doch gefälligst irgendwo in der Mitte treffen. Das wird dann mit der unschlagbaren Allerweltsweisheit begründet: Ein Scheit allein brennt nicht!
Dieser Satz ist sowohl im privaten als auch im Bereich der hohen Politik äußerst bedenklich. Er täuscht eine Weisheit vor, hinter der sich oft nur blanke Bequemlichkeit und Feigheit verbergen.
Sich auf einen Konflikt genauer einzulassen, kann nämlich sehr unangenehm werden. Zum Beispiel dann, wenn ein Scheit sehr wohl allein brennt. Wenn etwa jemand den Frieden einfach nicht will. Oder wenn er – das soll es ja tatsächlich geben – ein brutaler, böser Mensch ist.
Zum Beispiel gehen in ihrer Bequemlichkeit manche Zyniker sogar so weit, dass sie, ohne es je laut zu sagen, den Juden aufgrund ihres Verhaltens als auserwähltes Volk Mitschuld am Holocaust geben. Wie auch viele einen Frieden mit Putin fordern, obgleich er es war, der die Ukraine überfallen hat. Oder viele in ihren privaten Beziehungen den Mund halten, wenn in der Ehe von Bekannten nur noch die Gewalt regiert.
Sicherlich sind an Ehescheidungen oder Nachbarschaftskonflikten oft beide Parteien schuld. Aber nicht immer. Wie auch Kriege oft mutwillig von einem einzelnen Staat oder von einem einzelnen Politiker vom Zaun gebrochen werden.
Dies sowohl im privaten als auch im Bereich der Politik anzuerkennen, ist nicht nur deprimierend und verstörend, weil das nackte Böse unsere Idyllen stört, sondern weil es, wie schon gesagt, unmöglich ist, sich fein herauszuhalten und etwa in Sachen Landesverteidigung viel mehr Geld ausgegeben werden müsste.
Ein Scheit kann sehr wohl allein brennen!
Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 28.12.2024
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Sehr geehrter Herr Schöpf!
Ich habe ihr heutiges „Apropos“ sogar fotografiert, um im Anlassfall ihre Argumentation parat zu haben. Ich darf ihnen versichern, dass, entgegen der Meinungsmache einer bestimmten politischen Partei, viele in meinem Umfeld ihre Meinung teilen und in Konflikten oder Kriegen nicht einfach Opfer und Täter vertauschen.
Beste Grüße