Alois Schöpf
Was erwarte ich?
Was befürchte ich?
Vor-Kritik
zu den Konzerten der dritten Woche
der Innsbrucker Promenadenkonzerte
Vorrede und Vor-Kritik zur ersten Woche: https://schoepfblog.at/alois-schopf-vor-kritik-zu-deninnsbrucker-promenadenkonzerte/
Vorrede und Vor-Kritik zur zweiten Woche: https://schoepfblog.at/alois-schopf-vor-kritik-zu-den-konzerten-der-zweiten-woche/
Konzert des
Südtiroler Jugendblasorchesters
20. Juli 2025 Uhr, 10:00 Uhr
im Innenhof der Kaiserlichen Hofburg
unter der Leitung von Karl Geroldinger
Der Begriff Jugendblasorchester führt beim Publikum leider immer wieder zu einem Missverständnis, legt er doch die Vermutung nahe, die Musikerinnen und Musiker auf der Bühne seien Anfänger am Instrument. In Wirklichkeit ist oft das Gegenteil der Fall: hier spielen junge Leute, die sich als Amateure meist am im späteren Leben nie mehr erreichten Höhepunkt ihres Könnens befinden und daher für das Projekt eines Landesjugendorchesters ausgewählt wurden.
Dass diese Auswahl durch einen profunden Kenner der Szene erfolgte, legt der Name des Dirigenten Karl Geroldinger nahe, der bis zu seiner Pensionierung Leiter des oberösterreichischen Musikschulwerkes war und mit seinem Symphonischen Blasorchester Ried bereits zwei Konzerte bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten präsentierte. Unter anderem führte er in Innsbruck die bis dahin für ein Blasorchester als kaum spielbar geltende Alpensymphonie von Richard Strauss auf.
All jene also, die immer wieder den Vorwurf erheben, die heimischen und traditionellen Trachtenkapellen würden im Rahmen der Programme der Innsbrucker Promenadenkonzerte zu wenig gewürdigt, was zum Teil sicherlich auch eine Folge des schlechten Kartenverkaufs im Zusammenhang mit Trachtenkapellen ist, sollten dieses Vormittagskonzert als Pflichttermin betrachten. Sie können davon ausgehen, dass hier die Besten der Besten der Südtiroler Blasmusikjugend auftreten. Zumindest lautet so das Versprechen.
Das Programm, welches das Südtiroler Jugendblasorchester vorlegt, ist sowohl im Hinblick auf Originalkompositionen von Thomas Doss oder Robert E. Foster herausfordernd, wird jedoch endgültig zum Maßstab bläsersymphonischen Könnens, wenn Werke wie die virtuose Ouvertüre von Dimitri Schostakowitsch oder der 4. Satz der 1. Symphonie eines Gustav Mahlers erklingen, der in seinen Symphonien wie kaum ein anderer Komponist der Moderne Volksmusik, aber auch Marschmusik zur Grundlage seines oft auftrumpfenden oder auch melancholischen melodischen Materials machte.
Eine besonders schöne Verbeugung der Südtiroler ist zuletzt trotz jahrzehntelanger Reibung mit und der Emanzipation gegenüber der italienischen Kultur die Aufführung des großen Orchesterwerks Pini di Roma, des Klassikers der italienischen Moderne Ottorino Respighi.
Die Fragen an das Konzert lauten: Hat Karl Geroldinger tatsächlich die Besten ausgesucht? Wie klingt das Südtiroler Jugendblasorchester? Kann es mit jenen großartigen Orchestern aus Europa mithalten, die bereits Gäste bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten waren? Wie steht es also um die Tiroler Blasmusikkultur? Und ist Karl Geroldinger nicht nur ein anerkannter Musiklehrer, sondern auch ein Künstler, der große Musik eindringlich zu gestalten versteht?
Konzert des
Upper Austrian Jazz Orchestras
mit Richard Galliano
20. Juli 2025, 19:30 Uhr
im Innenhof der Kaiserlichen Hofburg
Leitung: Christian Maurer
Akkordeon Richard Galliano
Es ist ein Ziel der Innsbrucker Promenadenkonzerte, sämtliche Formen bläserischer Musik, von der Harmoniemusik der Klassik über Brass-Bands und Brass-Ensembles bis hin zum großen Blasorchester dem Publikum zu präsentieren. Im Rahmen all dieser Möglichkeiten darf die aus den Vereinigten Staaten und dem Jazz entstandene Bigband Musik auf keinen Fall vergessen werden, sondern muss in Anbetracht des übergroßen Einflusses des Jazz auf die moderne Unterhaltungsmusik besonders würdig vertreten sein. Die Bigband ist zudem längst eine eigenständige Orchesterform geworden, in der, vergleichbar dem klassischen Symphonieorchester, ausgehend von Ahnherrn wie Duke Ellington mit seinen Bigband-Suiten oder Count Basie, viele zeitgenössische Komponisten vollgültig ihre künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten verwirklicht sehen.
Dass im Jazz auch Tirol kein Niemandsland ist, beweisen nicht nur einige aus Tirol kommenden Jazzgrößen wie Florian Bramböck. Die Szene ist hierzulande auf viele kleine und große Konzertplätze verteilt. Unter ihnen sticht naturgemäß das Innsbrucker Treibhaus besonders hervor. Daher wird auch bei den 30. Innsbrucker Promenadenkonzerten das Genre auch aus heimatlichen Gefilden durch das Jazzorchester Tirol unter der Leitung von Martin Ohrwalder vertreten sein.
Eine wichtige Rolle im Rahmen der österreichischen Jazzszene nimmt auch das Upper Austrian Jazz Orchestra ein, das bereits in der Vergangenheit im Innenhof der Hofburg konzertierte, in diesem Jahr jedoch durch den international renommierten Akkordeonisten Richard Galliano, einer, wie Wikipedia vermeldet, der weltweit bekanntesten französischen Jazzmusiker und Komponisten überhaupt, verstärkt wird.
Allein die Liste der Musiker, mit denen Galliano zusammengearbeitet hat, versetzt in Erstaunen: Juliette Gréco, Charles Aznavour, Ron Carter, Chet Baker, Enrico Rava, Martial Solal, Al Foster, Miroslav Vitouš, Trilok Gurtu, Jan Garbarek, Michel Petrucciani, Michel Portal, Jean Toots Thielemans, Biréli Lagrène und Wynton Marsalis. (Wikipedia)
Für jeden, der an Jazz und Bigband Music auch nur das geringste Interesse hat, ist der Auftritt des Upper Austrian Jazz Orchestras also, unter welchen Wetterbedingungen auch immer, ein Pflichttermin.
Konzert der
R.E.T. Brass Band
am 21. Juli 2025, 19:30 Uhr
im Innenhof der Kaiserlichen Hofburg
unter der Leitung von Andreas Lackner
Brass Bands wurden ursprünglich in den englischen Kohlegruben gegründet, um den Arbeitern nicht nur in ihrem überaus harten Job durch Musik einen emotionalen Ausgleich zu schaffen, sondern auch ganz konkret, um ihre durch den Staub in den Bergwerken geschädigte Lungenfunktion durch die Betätigung eines Blasinstruments zu verbessern. Schon rasch wurden diese Brass Bands der verschiedenen Kohlegruben zu einem Identifikationsfaktor der jeweiligen Unternehmen, was zuletzt zu landesweit viel beachteten und gewürdigten Wettbewerben zwischen den einzelnen Brass Bands führte.
Da Blechbläser im klassischen Orchester stets eine untergeordnete Rolle spielen und vor allem Pausen zählen, aber auch im Blasorchester, vielleicht weniger in deren österreichischer Variante mit Flügelhorn und Tenorhorn, sehr oft eine eher dienende Rolle einnehmen, entwickelte sich auch in Europa eine Brass Band-Szene, die auf dem Ehrgeiz vor allem jugendlicher Blechbläser aufbaut, sich mit ihrem Instrument eine umfassende Literatur und darin die führenden Stimmen zu erobern.
Ganz von dieser Idee ist denn auch das Konzert der schon weit über Tirol hinaus bekannten und vom engagierten Professor des Tiroler Landeskonservatoriums Andreas Lackner gegründeten R.E.T. Brass Band beseelt, ein Ensemble, das im Übrigen bereits auf einer bekannten und sehr schlagkräftigen Jugend-Brass Band, der Catch-Basin-Brass-Band der Musikschule Innsbruck aufbaut.
So wird die R.E.T. Brass Band sicherlich wieder auch dieses Jahr vor ausverkauften Rängen klassische Brass Band-Literatur von Philip Spark bis Peter Graham präsentieren. Als begeisterter Holzbläser darf ich in gebotener Höflichkeit hinzufügen: Sowohl der Sound von Brass Bands als auch ihre bevorzugte Literatur sind Geschmackssache. Um diesbezügliche Rückmeldungen wird gebeten.
Konzert des
Johann Strauß Ensembles
am 22. Juli 2025, 19:30 Uhr
im Innenhof der Kaiserlichen Hofburg
unter der Leitung des Konzertmeisters Josef Herzer
Johann Strauß und die Mitkomponisten seiner Familie gehören ohne Zweifel zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der österreichischen Musikgeschichte. Sie prägten mit ihren Werken die Unterhaltungsmusik des 19. Jahrhunderts und erfreuen sich auch heute noch etwa durch die Konzerte der Wiener Philharmoniker oder des niederländischen Geigers André Rieu bei einem internationalen Publikum großer Beliebtheit.
Dabei war es bereits in der Zeit, als die Kompositionsfabrik Strauß ihre Werke uraufführte, selbstverständlich, diese in Form von Bläser-Transkriptionen über die Militärorchester der Garnisonen und von diesen wiederum verstreut in die verschiedenen Städte und Dörfer der Habsburger Monarchie einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Diese Tradition, ergänzt durch die eigenen Werke ideenreicher Blasmusikkomponisten, begründete denn auch den Kanon der hochwertigen, weltbekannten österreichischen Blasmusiktradition.
Vor diesem Hintergrund ist es gerade für eine Konzertreihe wie die Innsbrucker Promenadenkonzerte, in deren Zentrum die Blas- und Bläsermusik steht, eine Selbstverständlichkeit, bei einem der Konzerte, und dies vor allem im Johann Strauß Jahr, unverfälscht jene Musik in Originalversion erklingen zu lassen, wie sie Johann Strauß und seine Geschwister Eduard und Josef und der Vater komponiert haben.
Für ein solches Vorhaben ist naturgemäß das aus Wien kommende Johann Strauß Ensemble der ideale Partner, bietet es doch die klassische Unterhaltungsmusik des 19. Jahrhunderts so an, wie sie überall in der Donaumonarchie in den Gastgärten und Pavillons vornehmer Kaffeehäuser und Vergnügungsstätten erklungen ist.
Dabei stellen sich naturgemäß für jeden Freund der Blas- und Bläsermusik, der zu diesem Konzert kommt, um sich einmal von einem ganz anderen Orchesterklang verwöhnen zu lassen, die diffizilen Fragen: Ist die Transkription für Blasorchester der im eigentlichen Sinn für Streichorchester komponierten Werke der österreichischen Unterhaltungsmusik des 19. Jahrhunderts auch heute noch legitim? Oder ist es geradezu, naturgemäß von exzellenten Musikern exekutiert, ein Genuss, diese oft süßliche und zur Dekadenz neigende Strauß´sche Musik in der etwas kräftigeren, knackigeren Klangbeleuchtung durch Bläser zu genießen?
Solche Fragen kann naturgemäß nur ein Blasmusikfreak stellen.
Konzert der
Royal Band of The Belgian Navy
am 23. Juli 2025, 19:30 Uhr
im Innenhof der Kaiserlichen Hofburg
unter der Leitung von Bjorn Verschoore
Die Belgian Navy Band wurde am 1. Juli 1947 in Ostende gegründet. In den 1990er-Jahren unternahm die Formation zahlreiche Tourneen außerhalb Belgiens und trat auch bei Tattoos in Ost- und Westeuropa sowie in Nordamerika auf.
1995 wurden die früheren Namen Zeemacht in Flämisch bzw. Force Navale in Französisch durch die Bezeichnung Marine (im Englischen Navy) ersetzt. Zu ihrem fünfzigjährigen Bestehen erhielt die Band zuletzt die Ehrenbezeichnung Royal, also königlich.
Seit dem Jahr 2010 steht Bjorn Verschoore der Band als musikalischer Leiter vor. Zusammen mit Kurt Callebert (seinem Assistenten) und Alain Mertens leitete er die Band im Rahmen verschiedenster Veranstaltungen und bei CD-, Radio und Fernsehaufnahmen sowie im Zuge unzähliger Feierlichkeiten militärischer und ziviler Natur.
Die Royal Navy Band ist ein flexibles Orchester mit militärischer Tradition, das seine kulturelle Herkunft und die Welt der internationalen Unterhaltungsmusik mit Elementen der Show zu verbinden versucht.
Dieses künstlerische Ziel findet seinen Ausdruck auch in einem Programm, das mit Namen wie Quincy Jones, John Williams oder Justin Timberlake aufwarten kann. In diesem Sinne ist das Konzert ein Pflichttermin für alle jene auch in Tirol immer zahlreicher werdenden Kapellmeister und Musikvereine, die sich, obgleich in Tracht aufspielend, zunehmend von der traditionellen österreichischen Blasmusikliteratur ab und im besten Fall der internationalen Unterhaltungsmusik, im schlechtesten Fall den Primitivitäten von Holzstock (Woodstock) der Blasmusik zuwenden.
Sollte es der Royal Band of The Belgian Navy gelingen, beispielhaft vorzuführen, wie ein in dieser Art vor allem an Pop und Jazz orientiertes Konzert ohne Peinlichkeiten zu gestalten ist, hat das Orchester für das ganze Land und seine Musikkapellen, sofern Vertreter davon es über sich bringen, zuzuhören und lernen zu wollen, Vorbildliches geleistet.
Konzert des
Polizeiorchesters Bayern
am 24. Juli 2025, 19:30 Uhr
im Innenhof der Kaiserlichen Hofburg
unter der Leitung von Johann Mösenbichler
Das Polizeiorchester Bayern unter Johann Mösenbichler hat bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten schon einige sehr schöne Konzerte abgeliefert. Erinnert sei nur an Gustav Mahlers großartiges Orchesterlied Urlicht oder an Les nuits d’été von Hector Berlioz oder gelungene Bearbeitungen von Werken Franz Schuberts.
Johann Mösenbichler ist wohl einer der umtriebigsten Musiker der Bläserszene in Mitteleuropa. Er lehrt an Konservatorien und Hochschulen, hat ein eigenes Festival gegründet und leitet es immer noch, gibt Seminare, ist Juror bei Wettbewerben und nunmehr schon seit vielen Jahren Chef des Polizeiorchesters Bayern.
Weshalb er für das heurige Promenadenkonzert zwei richtiggehende Orchesterschinken auf das Programm gesetzt hat, nämlich Respighis Pini di Roma und die 3. Symphonie von James Barnes, muss er selbst erklären.
Dem gewogenen Zuhörer bleibt es überlassen, sich bei hoffentlich besten Wetterbedingungen die Frage zu stellen: Wie spielen die Bayern als Profis im Vergleich zum Südtiroler Jugendorchester, das mit besten Amateuren besetzt ist, dasselbe Werk des Italieners Respighi? Und kann sich Mösenbichler als gestaltender Dirigent in die Reihe jener wunderbaren Orchesterleiter einreihen, die heuer schon aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Norwegen das Niveau extrem hoch angesetzt haben? Der Juror wird selbst beurteilt. Um dementsprechende Meinungen wird gebeten.
Fotorechte: Innsbrucker Promenadenkonzerte
Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.
Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen
