Alois Schöpf
Die Medien und der Vatikan
Der Katholizismus als "alternative facts"
Notizen

Der Papst ist gestorben. Der Papst ist begraben. Das Konklave trat zusammen und aus dem Kamin stieg nicht viel später weißer Rauch auf, worauf ein neuer, alter Herr auf den Balkon hinaus trat, um vom ekstatischen Geschrei vor allem frommer Damen als neuer Stellvertreter Gottes auf Erden begrüßt zu werden.

Kollegin Susanne Weinhöppel hat letzte Woche in ihrem wie immer brillant formulierten Artikel zwei Dinge im Hinblick auf Religionen festgehalten. Zum einen, dass sie sie mag, weil sie so viel Schönes und so viel Kunst gestiftet haben. 

Damit trifft sie natürlich nicht nur mich voll ins Herz, der Bach-Kantaten liebt und als hocherotisch empfindet, auch wenn die Texte, die der Meister vertont hat, noch so fragwürdig sind. Auch viele meiner Freunde von der bildenden Kunst lassen über die Kirche, immer noch eine wichtige Auftraggeberin, nichts kommen, stehen doch ihre Kruzifixe an belebten Plätzen oder im Foyer von Opernhäusern.

Zum anderen vermerkt Frau Weinhöppel, dass die humorlosesten unter den religiösen Zeitgenossen für sie die Atheisten seien, dem ich nur aus eigener Erfahrung zustimmen kann, weshalb ich auch keinem einschlägigen Verein angehöre.

Ich bin überzeugt, dass die allermeisten meiner Kolleginnen und Kollegen aus der Medienbranche in etwa eine ähnliche Einstellung haben. Ein offen deklarierter christlicher bzw. katholischer Journalist hätte heute kaum noch Chancen am ohnehin total überfüllten und schlecht bezahlten Medienmarkt. Er würde diese seine Einstellung klugerweise verheimlichen, wie ja auch alle seine Kolleginnen und Kollegen, ich betone alle, ihre Einstellungen zur Religion, wie ich sie hier für mich definiert habe, unter den Tisch kehren und am weltanschaulichen Spiel von den Kaisers neuen bzw. alten Kleidern im Dienste ihres regelmäßigen Monatsverdienstes pflichtschuldig mitwirken.

Die Folge davon ist, dass das abstruse Märchen des Christentums kommentarlos zum alternativen Faktum erhoben wird, ein Umgang mit der Wahrheit, den man zwar Donald Trump vorwirft, aber im Hinblick auf den kranken, ein letztes Mal segnenden, verstorbenen und in Folge zu begrabenden Papst vollkommen ausblendet.

Ein Welterklärungsmodell, das sowohl in sich unstimmig ist, eine menschenverachtende, pathologische Moral entwickelt hat und mit unserem heutigen Wissen über die Welt in keiner Weise in Übereinstimmung zu bringen ist, wird also kommentarlos als gültige Wahrheit behandelt und an keiner Stelle, in keiner Randbemerkung nicht einmal mit dem leisesten Anflug von Ironie als eitler Unsinn entlarvt. Selbiges setzt sich natürlich in der Berichterstattung über das Konklave nahtlos fort.

Es ist deprimierend, in welchem Ausmaß die Medienindustrie im Dienste ihres kommerziellen Überlebens auch noch den letzten Rest ihrer Herkunft aus der europäischen Aufklärung vergessen hat bzw. zum Vergessen an den Nagel hängt. Man kann wieder einmal nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte, wenn man zuschauen muss, wie die Antiaufklärung auf Basis von Faulheit und Feigheit, die Kant als die wichtigsten Feinde der Aufklärung benennt, Triumphe feiert.

(Symbolbild KI-generiert von chatgpt)

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor, Journalist, Veranstalter, geb. 1950, lebt bei Innsbruck, schreibt seit 41 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 34 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Nach seiner Tätigkeit als ORF-Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung verfasste Schöpf Romane, Erzählungen, Märchenbücher und in den letzten Jahren vor allem Essays zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Daneben schrieb er Theaterstücke und vier Opernlibretti. Schöpf war auch als Blasmusikdirigent tätig und ist Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die er 25 Jahre lang bis 2019 leitete. Zuletzt gründete er 2020 das Online-Magazin schoepfblog, an dem 40 renommierte Autorinnen und Autoren mitarbeiten.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. walter plasil

    Ein fröhliches Hallo an alle humorlosen Atheisten! Bessert euch gefälligst. Für euch gilt, zu den stets lustigen Katholiken aufzuschließen. Liebe Katholiken, ich denke ihr habt auch sehr gelacht. Nehmt euch euren neuen Anführer zum Vorbild. Der verströmte gleich am ersten Tag allerlei Humorvolles. Entgegen aller Erwartung appellierte er nämlich an die kriegsführenden Truppen, sie sollen ihr Handwerk gefälligst an den Nagel hängen und mit den Feinden, auch wenn es Todfeinde seien, Frieden schließen. Es ist zu erwarten, dass dieser Appell des neuen Leo gleich wirksam und gleich erfolgreich sein wird, wie der wörtlich gleichlautende des verblichenen Franziskus. Und der aller weiteren Vorgänger.

    Die gewagteste Prognose, die man sich zur Zeit in Rom zuflüstert ist jene, dass der noch nicht bekannte Nachfolger Leos einst exakt das selbe verkünden wird, wie es aktuell der neue Leo tat. Und auch das wird wieder als Sensation tituliert werden. So macht eben Wahrsagen Spaß!

    Die Gesichter wechseln, die Plattitüden bleiben gleich. Es ist das Erfolgsrezept des heilsbringenden Männervereins, dass er über die Jahrhunderte berechenbar bleibt. Ein Verein, der seinen Anhängern durch die Frohbotschaften des Anführers die Freudentränen ins Gesicht treibt.

    Bei einem Frauenverein wäre so etwas undenkbar. Die würden dann ja diskutieren. Deswegen auch ein Gruß an die Katholikinnen! Versorgt ja den Klerus gut mit Kuchen und Kaffee, erfüllt ihnen alle Wünsche, damit alles so bleibt wie bisher. Stabilität und Beharrung im Hinblick auf die Existenz von erfundenen Weltenlenkern, Erzählungen von unglaubhaften Geschichten, also Fakenews, sichern das Fortkommen des weltweiten Männerbundes.

    Bald wird der neue Anführer in die weite Welt reisen. Er wird im Alitalia-Flieger entschweben und dort verkünden, was ohnehin alle schon wissen. Helft den Armen, schließt Frieden! Und die Medien werden Leo begleiten und ihm die weisen Worte von den Lippen ablesen.

    Leo, also geh jetzt du voran! Und bitte keine unliebsamen Überraschungen! Die zweitausend Jahre alten Textfragmente mit Berichten aus dem Leben des Wanderpredigers reichen immer noch, um den Geist von Milliarden Menschen zu vernebeln. Wehe, wenn sich einst die Nebel lichten. Dann Gnade Gott der Kirche!

  2. Andreas Braun

    Hallo Alois!
    Im Jahre 2007 kritisierte ich im Stiftungsrat des ORF das unsäglich anbiedernde mediale Theater rund um den Ratzinger Papstbesuch mit der an Goethe angelehnten Metapher, dass sich die einmalige Chance ergeben würde, über das „verborgene Gift“ -sprich Blausäure in den Adern des Autokraten – zu berichten!
    Alle waren empört, der Landeshauptmann rügte mich etc. etc.
    Das „geframte Narrativ des katholischen Aberglaubens“ bildet offenbar im „aufgeklärten“ Österreich ein sakrosanktes, unreflektiertes Faktum……und bereitet erschreckender Weise ( siehe Friedrich Heer „ Der Glaube des Adolf Hitler….Anatomie einer politischen Religiosität“ ) nach wie vor den willkommenen Humus für Geistlosigkeiten und Extremismen von Links bis Rechts.

  3. Helmut Schiestl

    Nun man kann ja vieles in der katholischen Kirche erotisch finden, die androgyn-femininen Engel etwa, die meistens halbnackt die barocken Kirchen bevölkern, oder auch diverse Darstellungen entblößter Heiliger. Manche Mariendarstellung könnte vielleicht auch dazu zählen. Aber eine Bachkantate hätte ich noch nie erotisch gefunden. Gestern besuchte ich zum Beispiel die Neuverfilmung des Bulgakow-Romans „Der Meister und Margarita“, und auch den fand ich zum Teil sehr erotisch, nicht zuletzt oder vor allem natürlich seiner wunderschönen Hauptdarstellerin wegen, während mir seine metaphysische Botschaft eher etwas unterbelichtet blieb. Großes Ausstattungskino eben, produziert und gedreht im heutigen postsowjetischen Russland, ohne Anspielungen auf die Gegenwart, zumindest konnte ich keine darin sehen. Aber trotzdem eben ein sehenswerter Film!

    Nun, die Institution des Papstes finde ich mittlerweile auch einen Anachronismus, eine Figur – wohl noch längere Zeit männlichen Geschlechts – die mit Erwartungen überladen wird, die eine Person wohl nie erfüllen wird können. Ist sie den einen zu progressiv, ist sie den anderen zu konservativ. Eine Freundin sagte mir gestern, dass sie den eben verstorbenen Papst Franziskus wie einen Landpfarrer wahrgenommen hätte. Und ihr hätte der Vorgänger, der bayrische Ratzinger, besser gefallen, obwohl den eben viele wegen seiner zurückhaltenden Intellektualität eher befremdend gefunden hätten. Ein anderer sagte mir zu Papst Franziskus, er sei zu naiv gewesen, hätte zu einseitig die Sache der Palästinenser bevorzugt. Kann ich zwar so nicht nachvollziehen, sagt aber eben doch einiges über die Quadratur des Kreises des Papstamtes und wie man es anlegen soll, aus.

    Noch einmal der arme Jesus im Film „Der Meister und Margarita“: der ist dort wirklich ein Armer, sagt darin etwa, dass es keinen schlechten Menschen geben würde und alle geliebt werden müssen, den Rest der Geschichte kennen wir ja. Realistischer kommt darin schon Mephisto in der Person des Voland vor, der im stalinistischen Russland die Puppen tanzen und Geld vom Plafond des Theaters regnen lässt. Er ist der „Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“. So wird’s die Kirche wohl weiterhin halten mit der Bekämpfung des Bösen, auch wenn dabei oft das Gute noch nicht zum Blühen kommt.

  4. Ach, Alois: wie wahr, Dein Kommentar! Und wie pointiert und raffiniert formuliert!

    ‚Zum Glück‘ fand ich in Deiner Abhandlung indes auch ein Absätzchen, das mir kurzfristig ein Zornesfältlein auf der ohnehin gefurchten Stirn bescherte, nämlich dieses:

    „Zum anderen vermerkt Frau Weinhöppel, dass die humorlosesten unter den religiösen Zeitgenossen für sie die Atheisten seien, dem ich nur aus eigener Erfahrung zustimmen kann, weshalb ich auch keinem einschlägigen Verein angehöre.“

    Aber hallo’chen! Da werden Atheisten frivolerweise als ‚religiöse Zeitgenossen‘ (!) über den Kamm geschoren und sogar noch als die ‚humorlosesten‘ jener (gottlosen) Zunft charakterisiert. Welch‘ Fehleinschätzung (zumeist)! Meine Wenigkeit – die sich ab und zu wie folgt sozusagen outet: „Ich bin ein mit einer Prise Agnostizismus kontaminierter Atheist“, nimmt einmal pro Monat an einem Treffen (nennen wir ihn ‚Stammtisch‘) in einem Lokal in der Hauptstadt des Heiligen Landes Tirol teil und durfte zu ihrem Vergnügen dort immer wieder auch den Schalk genießen, welcher uns bei unseren Diskussionen wohl nicht leitet, aber phasenweise begleitet.

    Ich erdreiste mich sogar zu behaupten, man könne ohne letzteren und dem Humor als dessen engem Verwandten nur eingeschränkt all die religiösen Märchen und die Folgen daraus, ohne Schaden bei der Vernunft und deren Gebrauch zu nehmen, gewissermaßen geistig absorbieren.

    Und sollten Sie gar noch ein bisschen neugierig geworden sein, weshalb ich bei meiner Eigendefinition von ‚einer Prise Agnostizismus‘, die mir innewohnt, schreibe: Diese Formulierung ist meiner ehemaligen jahrzehntelangen beruflichen Tätigkeit in einer der ‚exakten Naturwissenschaften‘ geschuldet. Denn: 100%ige Sicherheit ist nur verflixt selten vorhanden …

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