Alois Schöpf
Die EU sägt wieder am Ast, auf dem sie sitzt.
Apropos
Ich bin ein begeisterter Anhänger der europäischen Idee. Trotzdem halte ich die von der EU auferlegte Verpflichtung, zur Abschreckung grauslige Bilder auf die Zigarettenpackungen aufzudrucken, für einen gouvernantenhaften Übergriff auf das Privatleben der Bürger. Ich benötigte, wie viele andere auch, nicht die Brüsseler Bürokraten, um mit dem Rauchen aufzuhören.
Und ich bin entsetzt, wenn ich beobachte, dass von dort niemand reagiert, wenn im Trentino eine Volksabstimmung abgehalten wird, bei der von den 63 Prozent, die teilgenommen haben, 96 Prozent der Ansicht sind, dass Wölfe und Bären eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und einen Schaden für die Wirtschaft und die Erhaltung der lokalen Bräuche und Traditionen darstellen.
Den Wimmelbuch-Ideologen der EU scheint es gleichgültig zu sein, wenn sogar die begeistertsten Europäer aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskommen.
Wobei es die jüngste Bürokraten-Attacke noch nicht einmal zu medialen Schlagzeilen gebracht hat. Eine neue Verordnung zur Bekämpfung der Entwaldung Europas (European Union Deforestation Regulation) sieht nämlich vor, die Produktion von Büchern als Umweltrisiko einzustufen und die Druckereien zu verpflichten, den Nachweis zu erbringen, dass sie ihr Papier aus nachhaltiger Forstbewirtschaftung beziehen. Viele Buchverlage, die es zurzeit schwer genug haben, bangen um ihre Existenz.
Ob es der Kampf gegen das Rauchen ist, die Renaturierung oder der sparsame Umgang mit Holz: Alle diese Ideen liegen ohnehin stromlinienförmig im Zeitgeist. Man kann sich des Verdachts nicht erwehren, dass dieser von Leuten, die ihre bestens bezahlten Jobs rechtfertigen müssen, rücksichtslos dazu missbraucht wird, mit dem Wahnwitz realitätsferner Überbürokratisierung die großartige Idee der europäischen Einigung immer unbeliebter, wenn nicht gar verhasster zu machen.
Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 09.11.2024
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