Alois Schöpf
Der Wolf muss weg und
Franz Hörl vor Gericht.
Geschichte einer Schlamperei
mit grotesken Folgen
Notizen

Der Beitritt Österreichs zur EU wurde in einem 600-seitigen Vertrag festgeschrieben. Es ist davon auszugehen, dass fast kein einziger Politiker, schon gar nicht einer unserer Landespolitiker, dieses Vertragswerk komplett gelesen und auf seine langfristigen Folgen hin durchdacht hat.

Auf Basis solcher Schlamperei wurden unter anderem auch die Fauna Flora Habitat Richtlinien durchgewinkt, deren Ziel es ist, mitten in Europa einen fiktiven paradiesischen Naturzustand zu implementieren, in dem neben der bäuerlichen Almwirtschaft und den Alpen als Tourismusdestination auch Wölfe, Schakale und Bären einen Lebensraum finden. Die Interessen des Menschen haben sich im Zweifelsfall dem Diktum der Renaturierung unterzuordnen.

 

Papier ist geduldig

Nicht nur der EU-Vertrag inklusive der mit ihm einhergehenden Transitvereinbarungen, sondern auch die sogenannte Alpenkonvention, aber auch die Berner Konvention wurden in dieser Art bedenkenlos unterzeichnet, vor allem, um mit Marketinggetöse die Abwanderung von Wählern zu den Grünparteien zu verhindern.

Durch die speziell in Tirol von Eduard Wallnöfer und seiner hörigen Beamtenschaft herbeigeführte widerrechtliche Übertragung von Gemeindegründen an die zu diesem Zweck geschaffenen bäuerlichen Agrargemeinschaften – ein Vermögensraub unvorstellbaren Ausmaßes, der bis heute noch nicht bereinigt ist -, hatte sich die Überzeugung verfestigt, Papier sei geduldig und Verträge müssten, wenn es ans Eingemachte geht, nicht eingehalten werden, selbst wenn der Verfassungsgerichtshof auf den Gesetzesbruch mehrfach hingewiesen hat.

Leider wurde in diesem Fall die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn im Gegensatz zum Vermögensraub durch die Agrargemeinschaften, der den Bauern zugutekam und vom Rest der Bevölkerung, aber auch von den Medien nie so richtig durchschaut wurde, waren es in Sachen Renaturierung nicht mehr wenige Einzelkämpfer, die ihr Gerechtigkeitsgefühl dazu motivierte, den Kampf gegen das Unrecht aufzunehmen. Jetzt ging es um eine in den städtischen und naturfernen Milieus neu erstandene Naturreligion, deren wichtigster und schlagkräftigster Teil (Orden) sich den Tierschutz und die Erhaltung einer auch in Europa ursprünglich vielfältigen Tierwelt zum Ziel gesetzt hatte.

 

Die neue Naturreligion

Die Basis des politisch erfolgreichen Agitierens dieser neuen NGOs war und ist dabei der moralisch absolut verwerfliche Umgang des Menschen nicht nur mit seinen Nutztieren, die durch industrielle Verarbeitung jeglicher Würde, die auch einem Tier zusteht, beraubt werden, sondern auch der Umgang mit wildlebenden Tieren in einer kaum noch existierenden sogenannten freien Natur, die in einem unakzeptablen Ausmaß durch die Wucherungen der menschlichen Zivilisation zerstört wird, sodass ihre wehrlosen Bewohner zum Aussterben verurteilt sind und der bunte Garten der Schöpfung sich zunehmend in eine eintönige Müllhalde verwandelt.

Dieser Hintergrund eines realen und von den meisten Zeitgenossen mit schlechtem Gewissen verdrängten Problems ließ einen sektiererischen Fanatismus aufkommen, der mit den Prinzipien der deliberativen Demokratie im Sinne der klassischen Aufklärung nur mehr wenig zu tun hat und der für die Interessen der betroffenen und von den Städtern verachteten Landbevölkerung kein Verständnis aufbringt.

Wen wundert es auch, wenn im Schutze ihrer Helikoptereltern und Ganztageskindergärten aufgezogene und mit Wimmel-Büchern in das Landleben eingeführte Zeitgenossen, die noch nie eine reale Kuh berührt haben, die Natur als Mittel dafür definieren, sich von den Perversionen des Stadtlebens zu erholen und am Sportgerät Berg die physische und psychische Selbstoptimierung einzuüben.

 

Im Dienste der Städter

Zu diesem Zweck und zu nichts anderem hat die Landbevölkerung zu parieren, die Städte mit biologischen Lebensmitteln zu beliefern, statt dem angeblich krebserregenden Glyphosat mit der Hand das Unkraut zu jäten und sich mit Schaf, Kuh und Ziege an Raubtiere zu gewöhnen, deren Ausrottung von den dummen Vorfahren der Betroffenen und Empörten dereinst als Fortschritt gefeiert wurde.

Dass gegen diese Träume der neuen Wimmelbuch-Ideologen, die sich inzwischen in den Bürokratie-Türmen Brüssels durchgesetzt haben, nichts unternommen wurde, ergab sich, wie erwähnt, aus der unprofessionellen Fehleinschätzung der einen, Papier für geduldig und Verträge für nicht verbindlich zu halten, und dem Fanatismus der anderen, gesellschaftliche Veränderungen über die Auslegung von Gesetzestexten und bindende Entscheidungen von Gerichten herbei zu zwingen.

Das politische Ergebnis dieses Gegensatzes ist aktuell der absolut unhaltbare und skandalöse Zustand, dass Länder wie Tirol, das Trentino, Slowenien, Kantone der Schweiz oder Gebiete der Slowakei in ihre eigene ökologische Vergangenheit zurück gebombt werden. Dagegen konnten sie, wenn es nach dem Gesetz ging, jahrelang nichts unternehmen. Inzwischen unterliegen sie einer verrückten, stets zu spät reagierenden Abschussbürokratie und müssen als von der Almwirtschaft und dem Wandertourismus abhängige Volkswirtschaften dabei zusehen, wie sie zum Opfer eines verqueren Traums vom irdischen Naturparadies werden und wie ihr Almvieh, inzwischen aber auch Menschen (erinnert sei an Todesopfer etwa im Trentino und in der Slowakei) eine per Gesetz verordnete Abschlachtung durch die neu angesiedelten Raubtiere der Vorzeit erleiden.

 

Ziviler Ungehorsam

Die schlüssige Erkenntnis, dass Raubtiere in den Alpen nichts verloren haben, scheitert bis heute an der Feigheit der politisch Verantwortlichen, über Notstandsverordnungen das Problem durch raschen Abschuss und eine neuerliche Ausrottung aus der Welt zu schaffen.

Diese Unfähigkeit wiederum führte zu einem zivilen Ungehorsam, der mit den inzwischen populären Schlagworten schießen – schweigen – eingraben zusammengefasst wird, und zur erstaunlichen Beobachtung, dass sich, etwa in Tirol, jeweils am Ende des Sommers kaum noch Problemwölfe im Lande aufhalten, da offenbar ein Missstand, der offiziell nicht behoben wird, seine geheime private Therapie erfährt.

Hörl muss vor Gericht.

Inwieweit nun der wortmächtige Tiroler Politiker und Nationalratsabgeordnete Franz Hörl im Rahmen eines Sommergesprächs am Bauernhof am 28. August 2024 solche Privatinitiativen ermunterte, was von der klagenden Partei, einem Wiener Tierschutzverein, als Aufruf zum Gesetzesbruch verstanden und eingeklagt wurde, oder inwieweit Hörl seine Empfehlung nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften verstanden wissen wollte, war dieser Tage Gegenstand einer Gerichtsverhandlung.

Dass es überhaupt dazu kam, ist einem schlechten Videomitschnitt der Rede Hörls zu verdanken, den der mitangeklagte Bergsteiger, Volksmusikant und Veranstalter Peter Aschaber auf Youtube weiter verbreitet hatte und der von einem Mitglied von Tierschutz Austria, dessen Vereinssitz in Wien ist, zur Grundlage der Anzeige genommen wurde. Gegen den Freispruch des Gerichts vom 17. Juni hat die Staatsanwaltschaft im übrigen bereits Berufung angemeldet. Hörl und Aschaber müssen also nochmals vor Gericht erscheinen und eine Strafe gewärtigen.

 

Zwei Fragen bleiben:

1. In welchem Staat leben wir eigentlich, wenn ein Politiker, dessen Kollegen offenbar unfähig gehandelt haben und weiterhin unfähig handeln, nicht einmal mehr Notwehrmaßnahmen dagegen empfehlen darf, ohne vor Gericht gezerrt zu werden. Wo bleibt da noch die Meinungsfreiheit, die für einen Nationalratsabgeordneten in besonderer Weise gilt?

2. Wen wundert es, wenn die Justiz unter Personalmangel leidet und zugleich Zeit dafür hat, nicht nur einem Sebastian Kurz monatelang wegen einer läppischen und dann doch nicht erfolgten Falschaussage nachzuschnüffeln, sondern auch einem Franz Hörl, der nur das gesagt hat, was am Land ohnehin alle denken, und der vor allem etwas gesagt hat, das vollkommen richtig ist? Wölfe und Bären haben in Tirol nichts verloren.

 

Die Anklageschrift:

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor, Journalist, Veranstalter, geb. 1950, lebt bei Innsbruck, schreibt seit 41 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 34 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Nach seiner Tätigkeit als ORF-Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung verfasste Schöpf Romane, Erzählungen, Märchenbücher und in den letzten Jahren vor allem Essays zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Daneben schrieb er Theaterstücke und vier Opernlibretti. Schöpf war auch als Blasmusikdirigent tätig und ist Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die er 25 Jahre lang bis 2019 leitete. Zuletzt gründete er 2020 das Online-Magazin schoepfblog, an dem 40 renommierte Autorinnen und Autoren mitarbeiten.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. walter plasil

    Bin auch der Meinung, dass einige Wölfe und Bären im Alpenzoo ein behütetes Leben haben sollen, wenn das in Zoos per se auch nicht tierschutzgerecht machbar ist. Wir sind halt neugierig darauf, solchen Tieren hinter dem schützenden Zaun ins mörderische Auge blicken zu können.
    Aber die Geografie, und vor allem das Ausmaß der Besiedelung in Europa bieten für diese Tiere längst nicht mehr das geeignete Habitat. Lässt man es zu, dass sie sich dennoch hier ausbreiten dürfen, womit sie uns automatisch näher rücken, werden die Tiere sehr schnell zu Problembären und Problemwölfen. Dann wird eben geschossen. Auch keine tierfreundliche Lösung, die auf die zuwandernden Wildtiere wartet! Bleibt nur ein Zuwanderungs-Stopp! Oder hat jemand eine Patentlösung für das Problem parat?

  2. Wolf

    Ich stimme euch da im vollen Ausmaß zu. Weg mit den bösen Tieren, Bären, Wölfen, aber auch den tödlichsten Tieren von allen, den aggressiven Kühen, die unsere, bis zu Selbstaufgabe geschätzten, in Sandalen Bergsteigenden und alles was-nicht-bei-drei-auf den Bäumen ist angrabschenden Touristen bedrohen. Weg mit den Tieren, der Natur, und allem was natürlich ist. Pflastert alles zu mit Hotels und Skihütten. Was bilden sich denn die Tiere ein hier leben zu wollen. Und warum werden die Wölfe und Bären nicht Vegetarier? Das ist doch das Mindeste, was sie tun könnten. Es ist ja nicht so, dass es Wölfe und Bären schon seit Urzeiten hier gegeben hätte, noch bevor Hans und Moidl beschlossen haben ihr Vieh hier oben über den Sommer zu parken, damit der Touri seinen Almabtrieb genießen kann. „Ironie Off“

  3. Reinhard Kocznar

    Wölfe und Bären haben in Tirol nichts verloren?
    Das möchte ich so nicht sagen. Sofern im Alpenzoo Platz ist, dort sind sie gut aufgehoben. Balkonier und andere Ferndiagnostiker können sie dort ansehen.

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