Alois Schöpf
Der Bundespräsident fordert
die Wiederherstellung eines Vertrauens,
dessen Zerstörung er mit unterstützt hat.
Essay
Gesamttext
Irgendwann hab ich vor Jahrzehnten im Staatsbürgerkundeunterricht gelernt, dass der Bundespräsident eine Art Staatsnotar ist, dessen Aufgabe vor allem darin besteht, die Gesetze, die das Parlament beschließt, im Hinblick auf ihr Zustandekommen und ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung zu überprüfen und, wenn alles in Ordnung ist, zu unterschreiben.
Unser derzeitiger Kaiser-Franz-Josef-Darsteller in der Hofburg scheint hingegen seine Aufgabe eher darin zu sehen, das Volk der Österreicher mit eitlen Moralpredigten zu quälen, in deren vorletzter er vor allem die ÖVP aufforderte, der angeblichen Korruption in ihren Reihen ein Ende zu bereiten und das am Boden liegende Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wieder zurück zu gewinnen.
Entweder ist der alte Herr inzwischen altersbedingt von seinem Amt intellektuell überfordert oder er spielt bewusst das spirituelle Oberhaupt einer Medien-, Künstler- und Politikerclique, die jede Regierung rechts der Mitte als gefährliche Bedrohung ihrer seit Jahrzehnten in Zeiten sozialdemokratischer Herrschaft erworbenen höfischen Privilegien empfindet. Staatsnotar ist er jedenfalls schon längst keiner mehr.
Wie auch immer die Motivationslage unseres in Anbetracht mehrheitlich unwählbarer Alternativen gerade wiedergewählten Staatsoberhaupts sein mag, Tatsache ist, dass zumindest beim konservativen bis liberalen, auf jeden Fall jedoch nicht durch egoistische Eigeninteressen geistig beeinträchtigten Teil des österreichischen Bürgertums weniger die angeblich korrupte ÖVP als Ursache des Vertrauensverlustes gilt, als vielmehr die immer gravierendere Aushöhlung des Rechtsstaates und die Selbstermächtigung gewisser Medien unter der Führung des mit Zwangsgebühren finanzierten und somit als geschützte Werkstätte gefahrlos operierenden ORF.
Konkret sei in diesem Zusammenhang und zur geistigen Ertüchtigung der Leser eine alternative Darstellung der Innenpolitik der letzten beiden Jahre angeboten. Sie widerspricht dem medial aufoktroyierten Narrativ naturgemäß diametral.
Dabei geht es allerdings nicht darum, den zahlreichen Vorverurteilungen von angeblich korrupten ÖVP-Politikern nunmehr einen gleichsam außergerichtlichen Freispruch zur Seite zu stellen, sondern darum, juristische Grauzonen aufzuzeigen, deren zynische Ausweitung zum Zwecke der Publikumsanbiederung das Vertrauen der Bevölkerung in Politik, aber auch Justiz in letzter Zeit zu Recht stark sinken ließ.
1. Obgleich für jeden, solange er nicht von einem Gericht rechtskräftig verurteilt ist, die Unschuldsvermutung gilt, wurde der Satz „Es gilt die Unschuldsvermutung“ im Zuge der Berichterstattung über das gesetzeskonforme oder gesetzeswidrige Verhalten von Politikern und Personen des öffentlichen Interesses im besten Fall zu einer ungeliebten Routine, in den meisten Fällen jedoch zum spöttischen Abschluss eines Berichtes, dessen Aufgabe darin besteht, gleichsam augenzwinkernd mit dem tratsch-geilen Bürger zu vereinbaren, es sei von Gaunern die Rede, die man nur deshalb nicht so nennen dürfe, weil sie über ausreichend Geld, Macht und Anwälte verfügen, um gegen die Überbringer der Wahrheit vorzugehen.
2. Gesetze sind die verschriftlichte Moral, nach der alle, die der österreichischen Rechtsordnung unterworfen sind, Anspruch auf ein faires Verfahren und objektive Berichterstattung haben.
Inzwischen hat sich eingebürgert, solchen Verfahren vorgelagert und neben solchen Verfahren auf politisch korrekten Verhaltens- und Redeweisen zu bestehen und danach über Menschen Urteile zu fällen, als hätten sie Gesetze übertreten, die allerdings nicht existieren, sondern lediglich Symptome moralistischer Hyperventilation sind.
3. Eine faire Berichterstattung entschuldigt nicht die radikale Missachtung des Menschenrechts auf ein unbeobachtetes Leben, auch wenn dem Beobachteten aufgrund seiner Eigenschaft, eine Person von öffentlichem Interesse zu sein, der Schutz des Privatlebens nur in einem begrenzten Maße zusteht.
Heute ist eine solche Grenze kaum noch existent und ermöglicht es nicht nur der Justiz, Untersuchungen abseits eines konkreten Verdachts in der Hoffnung auf Zufallsfunde durchzuführen, es kann auch das Privatleben samt aller Peinlichkeiten unter dem Vorwand, es handele sich um eine Person öffentlichen Interesses, risikolos vor einem voyeuristischen Publikum ausgebreitet und abgeurteilt werden.
4. Bereits staatsanwaltliche Voruntersuchungen sind heute dazu geeignet, die Existenz von Personen grundlegend zu ruinieren, ganz abgesehen von Anklagen, die auch dann, wenn sie mit einem Freispruch enden, die Karriere von Politikern oder Künstlern beenden.
Es wäre daher hoch an der Zeit, die Arbeit der Staatsanwälte und der Justiz unter ein gewisses institutionelles, aber auch privates Risiko zu stellen, insofern als bei nachweislich flagranter und unprofessioneller Vorgangsweise gegen eine Person Schadenersatz geleistet werden muss.
2. Teil:
Literarische Korrespondenz:
Lieber Andreas Niedermann! Lieber Hannes Hofinger!
Eure Leserbriefe nehme ich trotz ihrer lapidaren Kürze sehr ernst, denn ich schätze euch nicht nur als schreibende Kollegen, sondern auch aufgrund eurer Ehrlichkeit und Geerdetheit, von der aus ihr denkt.
Vorab darf ich euch zusichern, dass ich mir die Frage, ob ich in Sachen Kurz und seine Regierungen nicht unter einer pathologischen Verehrungsneurose gelitten habe und immer noch leide, sehr oft selbst stelle, wenn ich mich dem außergerichtlichen Mainstream verweigere, wonach ganz Österreich, seine politische Kaste und hier vor allem die ÖVP zutiefst korrupt seien.
Da sich der Verdacht hinsichtlich meines Geisteszustands nach gründlicher Selbsterforschung nicht bestätigt hat, möchte ich euch und den Lesern des schoepfblog zu erläutern versuchen, weshalb ich absolut allergisch auf moralistisches Geschwafel, unter anderem auch jenes unseres Herren Bundespräsidenten, reagiere. Und zwar zuerst aus persönlicher Sicht und sodann, bestärkt von so renommierten Autoren wie Alexander Solschenizyn, Francis Fukuyama und Precht/Welzer, die sich auf historischer, philosophischer und soziologischer Ebene mit der moralistischen Aufrüstung von Politik, Medien und Intelligenzija beschäftigen.
Zuletzt möchte ich meinen Gedankengang durch einen kurzen Rückblick auf das sogenannte Ibiza-Video abrunden, ist es doch das bis zum Abwinken ikonisch wiederholte Narrativ, auf dem mit Bildern der schwadronierenden Machos Strache und Gudenus erfolgreich ein Regierungswechsel und, zumindest aus meiner Sicht, die avantgardistische Form eines nicht durch das Militär, sondern durch die Medien herbeigeführten und durch den Bundespräsidenten abgesegneten bzw. zumindest nicht verhinderten Staatsstreichs möglich war.
Ich hatte das Privileg, meine letzte Volksschulklasse und acht Jahre lang im Jesuitengymnasium Stella Matutina in Feldkirch zu verbringen. Dabei lernte ich als immer schon an Philosophie interessierter Mensch nicht nur die Feinheiten der katholischen Theologie kennen, sondern auch Menschen von hoher Intellektualität, denen es jedoch verwehrt war, sich von ihrem Glauben, der dem Stande ihres Wissens und ihrer Intelligenz in keiner Weise mehr entsprach, zu distanzieren.
Ich hatte also neun Jahre lang die Gelegenheit, die geistige Beschaffenheit sogenannter Intellektueller zu studieren, die ununterbrochen gezwungen waren, sich mit höchstem Aufwand selbst zu belügen, um ihrer totalitären Gesinnung und einer daraus abgeleiteten unmenschlichen Moral, die sich im Internat vor allem in Sachen Sexualität niederschlug, nicht abschwören zu müssen. Hätten sie dies nämlich getan, so hätten sie nicht nur den Orden und damit ihre Lebenssicherheit verlassen müssen, im Rahmen derer ihnen täglich dreimal das Essen serviert und wöchentlich die frisch gebügelte Wäsche an die Türklinke gehängt wurde. Sie wären auch all ihrer Freunde verlustig gegangen und hätten ihre bürgerliche Existenz, gnadenlos von den kirchlichen Instanzen hinausgeworfen, von Null auf wieder aufbauen müssen.
Die Beobachtung dieser Menschen, die uns Pubertierenden das Onanieren als schwere Sünde verkauften, sofern wir die Kühnheit besaßen, ihm mit Lust zu frönen, haben mich sensibilisiert, tief geprägt und mir inklusive vieler Bücher über die Sowjetunion und ihre Künstler, Schriftsteller und Musiker die bedrückende Verführbarkeit und Biegsamkeit der sogenannten Intelligenzija vor Augen geführt.
Ich verwende den aus dem Russischen abgeleiteten Begriff Intelligenzija deshalb, weil ich in diesem Zusammenhang auf das Werk des Nobelpreisträgers und Gulag-Aufdeckers Alexander Solschenizyn Die Eiche und das Kalb, Skizzen aus dem literarischen Leben hinweisen möchte.
Es ist dies eine eher unbekannte, für einen Intellektuellen jedoch ungemein erhellende Beschreibung des sogenannten sowjetischen Tauwetters von 1953 bis 1964, als es plötzlich möglich war, im Rahmen der Zeitschrift Nowy Mir unter seinem Chefredakteur Alexander Twardowski über den Stalinismus und seine Mordmaschinerie zu schreiben. Im Zentrum des Buches stehen dabei die Erfahrungen des Autors mit seinen Kolleginnen und Kollegen, die sich ihm, solange er der Liebling der Partei und berühmt war, unterwürfig zuwendeten, um sich, sobald die Gnade nach der neuerlichen Unterdrückung der Meinungsfreiheit ab 1970 von ihm abgezogen wurde, opportunistisch von ihm abzuwenden und ihn wie einen Aussätzigen zu behandeln.
Wenn man dieses Buch gelesen hat, wundert man sich über nichts mehr, was sich zwischen Schriftstellern, Künstlern und Journalisten an menschlicher Niedertracht ereignen kann. Für die meisten nämlich, deren Beruf darin besteht, als säkulare Prediger die Priester der alten Religionen, darunter auch die Jesuiten meiner Jugend, zu ersetzen, ist es in Wahrheit das höchste Ziel, sich selbst zu erhöhen, sich in Gestalt ihrer tunlichst hohen Eigenmarke gewinnbringend zu verkaufen, meist aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammend in die Elite der Privilegierten aufzusteigen und sich gegen einen drohenden Abstieg mit allen Mitteln der Denunziation zu wehren.
Obgleich die Zeiten, die Alexander Solschenizyn schildert, vorbei sind, haben sich die Mechanismen des intellektuellen Geschäfts nicht wesentlich geändert. So bemängelt Francis Fukuyama in seinem neuesten Buch Der Liberalismus und seine Feinde, dass die Medien im Kampf gegen das Internet und ihren eigenen Bedeutungsverlust inklusive Niedergang des Inseratengeschäfts die ursprüngliche Aufgabe des Journalismus aus den Augen verloren haben, die Leser so aufzuklären, dass sie in die Lage versetzt werden, sich durch Selbstdenken ein Urteil zu bilden. Stattdessen regiert die Dramaturgie der Übertreibung, der Hysterisierung, der Angstmache, des Anbiederungszwangs und der Gier nach Postings, Likes, Klicks und einem aufgrund von hohem Wasserverbrauch für die Toiletten nachweisbaren dumpfen Fernsehkonsum.
Ganz in die ähnliche Richtung gehen die Argumente der beiden Autoren Richard David Precht und Harald Welzer, die in ihrem Buch Die Vierte Gewalt, Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist. den Medien schlicht und einfach vorwerfen, sich neben den klassischen staatlichen Einrichtungen Legislative, Exekutive und Justiz als neue bestimmende Macht etablieren zu wollen und den leider chronisch marketingverseuchten Politikern nicht nur Themen vorzugeben, sondern auch die Art und Weise, wie sie zu lösen seien.
Besonders bedeutsam an diesem Buch ist die Tatsache, dass der Autor Richard David Precht, selbst von den Medien gleichsam als Deutscher Hofphilosoph zur Marke erhoben, sich nunmehr radikal gegen diese wendet und damit an die Zeiten der französischen Revolution erinnert, an deren Beginn vor allem nachdenkliche Adelige bzw. von ihnen alimentierte bürgerliche Philosophen standen, die unfreiwillig den Boden für die Blutorgie des Pöbels bereiteten, der dann ein Robespierre das moralistische Mäntelchen umhängte. Das Buch ist aber auch deshalb interessant, weil es die These eines durch die Medien herbeigeführten Staatsstreichs keineswegs abwegig erscheinen lässt.
Genug für diese Woche!
Mit herzlichen und kollegialen Grüßen Alois
3. Teil:
Die b´soffene Partie (Sigi Maurer)
In den beiden ersten Teilen des Essays wurden die Voraussetzungen geklärt, von denen aus argumentiert wird, was eine neue Bewertung der innenpolitischen Ereignisse der letzten Monate ermöglicht.
Dies resultiert zum einen aus der These, wonach Gesetze die verschriftlichte Moral einer Gesellschaft sind, über die hinaus es keiner weiteren Instanz bedarf.
Und es resultiert, basierend auf den Werken von Solschenizyn, Fukuyama und Precht/Welzer, aus der Beobachtung, dass sich die Medien inzwischen zu einer Vierten Gewalt ohne demokratische Legitimation selbstermächtigt, ihre ursprüngliche Aufgabe der Aufklärung und Hinführung zum Selbstdenken der Bürger hinter sich gelassen haben und den Politikern zunehmend aus eigener Machtlust Themen und ihre angeblich richtigen Lösungen vorgeben.
Eine Vierte Macht übrigens, die, wie nicht nur das Buch Alexander Solschenizyns Die Eiche und das Kalb, sondern auch die jüngsten Chats der Chefredakteure von Die Presse und des ORF Novak und Schrom aufzeigen, niemals von sich behaupten kann, eine über die durchschnittliche Befindlichkeit der Normalbürger hinausgehende ethische Kompetenz zu besitzen.
Basierend auf diesen beiden Voraussetzungen muss das Narrativ des Ibiza-Videos, dessen Kurzausschnitt mit Strache im T-Shirt und Gudenus beim fiktiven Gebrauch einer Schusswaffe in unendlichen Wiederholungsschleifen den Österreichern die Korruptheit der beiden FPÖ-Politiker einbläuen sollte, anders als bisher üblich interpretiert werden.
Rekapitulation:
Ein Wiener Rechtsanwalt und ein wegen Drogendelikten rechtskräftig verurteilter Detektiv kamen offenbar zur Ansicht, man könne doch auch in Österreich, den düsteren Werken des Amerikaners James Ellroy abgeschaut, statt all der langweiligen Dokumentationen der immer gleichen Ehebrüche Geld damit verdienen, wenn man Politiker, wie schon beim ehemaligen Innenminister Ernst Strasser erfolgreich praktiziert, bei korruptem Geschwätz erwische und selbiges dann, wenn es Schwierigkeiten gäbe, als eine Art Reinigungsdienst aus der Mitte der Zivilgesellschaft heraus verkaufe. Genial!
Ganz im Dienste dieser ihrer Drehbuchidee engagierten die beiden Herren als Hauptdarstellerin des geplanten Reality-Krimis eine zierliche Blondine mit Donnerbusen und schönheitschirurgisch korrigiertem Näschen, allerdings mit nicht ganz einwandfrei gereinigten Zehennägeln.
Die Dame wurde in Folge als angeblich steinreiche russische Nichte eines russischen Oligarchen mit Herrn Gudenus als ihrem ersten Opfer bekannt gemacht. Sie hatte den Eindruck zu vermitteln, nicht nur an den Liegenschaften des schnöseligen Adeligen interessiert zu sein, sondern ihr Geld insgesamt in Österreich loswerden zu wollen, was effektiv und zuletzt nur möglich sei, so ihr Ansinnen, wenn sie mit dem Führer jener Partei zusammentreffen könne, in der Gudenus als jugendlicher Hoffnungsträger fungierte, das Gewicht des Amtes als Parteivorsitzender jedoch auf den Schultern des zweiten in Aussicht genommenen Hauptdarstellers, auf jenen Heinz-Christian Straches lag.
Um das geplante Stück zur Aufführung zu bringen, wurde auf Ibiza, dem immer wieder gern besuchten Urlaubsort Straches, eine auch sonst von Geheimdiensten genutzte Villa angemietet und, wiederum getreu nach James Ellroy, verwanzt und zusätzlich mit Videokameras ausgestattet.
Befördert durch Drogen, bei denen der Einsatz von Alkohol eindeutig nachgewiesen ist, jener anderer Rauschmittel lediglich nur behauptet wird, aufgegeilt durch die schöne, spärlich bekleidete Oligarchen-Nichte und zusätzlich durch selbige immer wieder durch gezielte Fragen zu gewissen heiklen Themen hingeführt, lieferten die beiden hormonell überdosierten, im Zenit ihrer Manneskraft und Macht stehenden Herrn Gudenus und Strache sieben Stunden Geschwätz ab, das nun als Material zur Verfügung stand.
Leider ein Flop
Leider war es mit diesem Material jedoch eher schlecht bestellt und die ganze Aktion im Grunde von vorneherein ein grandioser Flop. Denn, so betrunken und notgeil die beiden Herren auch gewesen sein mögen, sie ließen sich in Wirklichkeit niemals zu strafrechtlich relevanten Äußerungen hinreißen, ganz abgesehen davon, dass sie es verabsäumten, genau das zu tun, worauf alle nicht minder notgeilen Österreicher gewartet hätten: nämlich die für die Beurteilung einschlägiger Filme erfahrenen Fernsehzuschauer mit bühnenreifem Live-Gruppensex zu verwöhnen.
Die sieben langweiligen Stunden reichten gerade dazu aus, daraus eine 5-Minuten-Montage herzustellen, in der der Name des Bauunternehmers Haselsteiner ebenso auftauchte wie der Plan, die Kronenzeitung auf- und das österreichische Wasser zu verkaufen: Letzteres eine geradezu nach sowjetischen Maßstäben avancierte Zusammenschusterung von Aussagen Straches, der in Wirklichkeit nie über den Verkauf der Quellen selbst, sondern lediglich darüber schwadroniert hatte, sauberes österreichisches Alpenwasser durch eine renommierte Getränkefirma international vermarkten zu lassen.
Wie mager die Ausbeute in Wirklichkeit war, ergab sich auch aus der Tatsache, dass die Montage der abendlichen Zusammenkunft, welche stets als geradezu noch harmloser Appetizer für Nachfolgendes, offenbar viel und nun wirklich Schlimmes (Gruppensex?) verkauft wurde, bei den Vertretern der österreichischen, der FPÖ mitnichten wohlgesonnenen Parteien, aber auch bei Vertretern der österreichischen Medien auf wenig Interesse stieß und ein Ankauf um einen Millionenbetrag zurückgewiesen wurde. Wohl auch deshalb, weil sich in den politischen und medialen Eliten bei aller Abneigung gegen den kleinbürgerlichen Populismus der Freiheitlichen doch noch ein gewisser Anstand und eine gewisse Scheu vor Grenzüberschreitungen erhalten haben mag.
Es könnte aber auch sein, dass es sich sowohl die politischen als auch die medialen Vertreter, denen Teile des Videos gezeigt wurden, nicht zumuteten, die Folgen eines solchen Negative Campaignings, das gerade bei der SPÖ großen Schaden angerichtet hatte, richtig abzuschätzen.
Die Folgen
Inwieweit das Ibiza-Video oder Teile davon, aus der Affäre Waldheim bestens bekannt, bewusst ins Ausland verschoben wurden, um es von dort gleichsam mit der Autorität großer deutscher Zeitungen wieder nach Österreich zurückzuholen, konnte bislang nicht geklärt werden. Tatsache ist jedenfalls, dass Süddeutsche Zeitung und Spiegel und die in ihren Diensten stehenden deutschen Journalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer die heiße Ware nicht selbst einkauften, um zumindest nominell ihre journalistische Unschuld zu wahren, sondern sich die von den Produzenten des Videos geforderten 600.000 € von einer sogenannten Gesellschaft für politische Schönheit bezahlen ließen. Zum Zwecke des finanziellen Zugewinns und zur präventiven Abwehr bevorstehender Entschädigungsprozesse ergänzten Obermaier und Obermayer die Berichterstattung mit der schludrigen Aufbereitung des Falles in Buchform, welche in Folge zum Zwecke der durch Heiligsprechung erzielten Selbstimmunisierung der Branche mit einem renommierten Journalistenpreis behängt wurde.
Ein erster Vorschlag, die geforderten 600.000 € in Form eines per Gutachten viel zu gering eingeschätzten, wertvollen Gemäldes zu übergeben, wurde von den Verkäufern nicht akzeptiert, weshalb zuletzt der Betrag in Form von südafrikanischen Krügerrand Goldmünzen übergeben wurde.
Bis heute ist nicht geklärt, woher die ominöse, dem politischen Anarchismus zuneigende Gesellschaft für politische Schönheit dieses Geld bezogen hat oder ob sie es selbst besaß, wer die Summe in Wirklichkeit bezahlte, an wen sie konkret floss und wo der Betrag inzwischen gelandet ist. Genauso wenig wie in der Öffentlichkeit die doch interessante und geradezu an William Shakespeares Königsdramen erinnernde Frage ventiliert wurde, ob 600.000 € für einen in Österreich herbeigeführten Staatsstreich ein eher günstiger oder doch ein etwas zu hoher Betrag sind.
Bilanz
Wie auch immer all diese Fragen geklärt werden, bereits jetzt und in distanzierter Rückschau muss sich jeder einigermaßen politisch interessierte Staatsbürger die Frage stellen, ob die Clubobfrau der Grünen Sigi Maurer mit ihrem im Parlament verwendeten Ausdruck b´soffene Partie die Ibiza-Affäre nicht unzulässig verharmlost hat, liegen hier doch für den juristisch nicht einschlägig Gebildeten der Verdacht der Täuschung, Verletzung der Privatsphäre, Rufschädigung, Erpressung, des Schwarzgeldhandels bis hin zu Landesverrat und staatsfeindlicher Verbindung klar auf der Hand.
Und es stellt sich die Frage, weshalb die Staatsanwaltschaft, die sonst wegen jeder lächerlichen Chat-Kommunikation aktiv wird, nicht schon längst Anklage erhoben hat und einer der Produzenten des Videos lediglich mit einer Diversion davonkam, bei der das Gericht immerhin feststellte, dass das öffentliche Interesse das Delikt der Verletzung der Privatsphäre nicht überwogen habe, weshalb denn auch Heinz-Christian Strache die exorbitante Summe von 500 € Schadenersatz für erlittenes Ungemach erhielt. Ganz abgesehen davon, dass der zweite Urheber des Videos nicht wegen eines direkten Zusammenhangs mit diesem einsitzt, sondern wegen Drogenhandels verurteilt wurde.
Könnte es gar sein, dass weder an der Erstellung des Ibiza-Videos noch an den Inhalten, die dabei dokumentiert wurden, strafrechtlich irgendetwas dran ist, ganz Österreich also einer von den Medien induzierten moralistischen zeitgeistigen Selbstgeißelung zum Opfer fiel?
4. Teil:
So sind wir sehr wohl!
Es sind gleich mehrere Untersuchungen, die – bezogen auf Deutschland – den in den Medien Beschäftigten eine Gesinnungs- und Parteipräferenz links der Mitte attestieren.
So wählen zum Beispiel Volontäre bei ARD und Deutschlandfunk, wie Kollege Reinhard Kocznar(1) in seinem Artikel bereits vermerkt hat, zu 92% SPD, die Linke oder die Grünen. Die auf professioneller Ebene tätigen Journalisten wiederum beschreiben sich selbst zu etwa 70% als links oder eher links(2/3). Dies führt unter anderem dazu, dass selbst im Zentralorgan des deutschsprachigen Wohlstandsspießers „Die Zeit“(4) das Fehlen konservativer Standpunkte und Kommentatoren bedauert wird. Und es hat in den letzten Jahren naturgemäß dazu geführt, dass sich zwischen Medien und Publikum immer größere Diskrepanzen ergeben und das Vertrauen in den Journalismus insgesamt mehr oder weniger zerstört wurde.
Obgleich einschlägige Untersuchungen im Hinblick auf Österreich fehlen, dürften sich die Verhältnisse abzüglich eines gewissen katholisch-habsburgischen Konservativitätskoeffizienten hierzulande nicht wesentlich anders darstellen. Vor allem nicht in Wien, wo seit Jahrzehnten sozialdemokratische Stadtregierungen herrschen und die dort aufhältigen Geistes- und Kultureliten auf ein halbes Jahrhundert ebenfalls sozialdemokratischer, sie großzügig nährender Bundesregierungen zurückblicken können.
Paradigmatisch sind diese Verhältnisse an der wahrhaft nur in Österreich möglichen Karriere eines Schriftstellers wie Gerhard Ruiss festzumachen. Er legte gemeinsam mit seinem Kollegen Hannes Vyoral im Jahre 1978, also am Zenit der Ära Kreisky, in der Kunst und Kultur durch staatliche Subventionen erfolgreich zu einem höfischen Faktor umfunktioniert wurden, um dem Bürgertum die Angst vor der Farbe Rot zu nehmen, eine Bestandsaufnahme der österreichischen Literaturszene(5) vor und wurde aufgrund dieser Tätigkeit 1982 Geschäftsführer der Interessensgemeinschaft Österreichischer Autorinnen und Autoren, was er bis heute seit unvorstellbaren 40 Jahren geblieben ist.
Trotz unübersehbar vieler Resolutionen zu durchwegs bedeutungslosen Themen, wie etwa zur Neuregelung des Gebrauchs des scharfen S, war vonseiten dieses folgsamen Dichter-Funktionärs niemals ein Sterbenswörtchen darüber zu vernehmen, dass die angebliche Objektivierung von Stipendienvergaben und Preisen durch sogenannte Jurys über Freundesbande und Netzwerke einen geradezu kasachischen Korruptionsgrad erreicht hat. Auch nicht über die geradezu kriminellen Geschäfte, mit denen sogenannte Vorlässe(6) besonders braver Skribenten um Millionenbeträge von öffentlichen Institutionen aufgekauft werden, wurde im Interesse der mit solchen Apanagen nicht bedachten und oft wesentlich besser schreibenden Kolleginnen und Kollegen keinerlei Protest erhoben. Hier seien nur an die 700.000 € für die Zettelwirtschaft eines gewissen Peter Turrini, an die 450.000 € für einen Josef Winkler(7) oder an die 7 Millionen Schilling für einen Gerhard Roth erinnert, nicht zu reden von einem Marketinggenie wie Peter Handke, der es inklusive Nobelpreis bereits auf mehrere Euro-Millionen gebracht hat.
Um das Panorama solch korrumpierter Kunst und Kultur abzurunden, soll nicht unerwähnt bleiben, dass infolge der sogenannten 68-er Revolution und dem Entstehen der Massenuniversitäten die Geisteswissenschaften fast ausschließlich von vulgär-marxistisch sozialisiertem akademischen Personal bevölkert wurden, eine Tatsache, die für deutsche Verhältnisse korrekt dokumentiert ist(8), für Österreich fehlen dementsprechende Untersuchungen, wobei auch in diesem Fall von vergleichbaren Verhältnissen ausgegangen werden kann.
All dies muss vorangeschickt werden, um begreiflich zu machen, dass der Aufstieg des jungen, konservativen und rechts der Mitte agierenden Sebastian Kurz wie eine Bombe in die vor allem hauptstädtische Geisteselite einschlug und sich durch die Tatsache geradezu zu einem Endzeitdrama entwickelte, als Kurz sich anschickte, eine Koalition mit den Freiheitlichen einzugehen, einer Partei, der gegenüber mit Recht Einwände im Hinblick auf eine nicht ausreichende Distanzierung vom Gedankengut des Nationalsozialismus besteht. Bei aller Verlogenheit, im Dienste derer der Begriff immer wieder instrumentalisiert wird, um sich selbst auf der Höhe der Zeit befindlich zu definieren, ist ein glaubwürdiger, authentischer Antifaschismus, der eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen als Tabubruch einstuft, anzuerkennen.
Vor diesem Hintergrund kann nun das sogenannte in kongenialer medialer Instrumentation an die Öffentlichkeit gespielte Ibiza-Video als eine Initialzündung dafür interpretiert werden, endlich den Anlass gefunden zu haben, eine Regierung loszuwerden, die sich mit hohen Beliebtheitswerten bei der Bevölkerung anschickte, seit Jahrzehnten erworbene Privilegien und hier insbesondere einen aus dem Kleinbürgermilieu heraus, meist auf Kosten des Staates erwirtschafteten hedonistischen Wohlstand inzwischen bereits ins Pensionsalter vorgerückter linksliberaler bis linksextremer Künstler und Geistesarbeiter zu gefährden.
Dabei geht es jedoch mitnichten nur um die Absicherung des materiellen Wohlstands, sondern noch viel fundamentaler um die Frage, ob sich nicht diese sogenannte 1968-er-Bewegung oder gar 1968-er-Revolution, aus der heraus sich auch die österreichischen Geistesgrößen gleichsam als opportunistische Nebenwirkung des großen deutschen Nachbarn entwickelt haben, in wesentlichen Teilen als billige Verblendung erweist? Oder ob sie zumindest in Teilen zuletzt doch als innovative Fortschrittsbewegung eingestuft werden darf?(9) Und dies auch noch in einer Gegenwart, in der von der Migrationsproblematik bis hin zur Gender-Debatte, wie eingangs bereits erwähnt, die Übereinstimmung mit einer offenbar immer mehr zu rechtem Gedankengut hinneigenden Bevölkerung verloren zu gehen droht.
Statt nun diese hochkomplexe Gesellschaftskomödie zu durchschauen, was man von einem durch lange Lebenserfahrung und seine politische Tätigkeit weise gewordenen Bundespräsidenten erwarten könnte, gab Alexander Van der Bellen die Devise aus: So sind wir nicht!
Aus heutiger Sicht eine vollkommene Fehleinschätzung. Eine Verblendung! Denn so sind wir sehr wohl! Es wird nämlich wenige zumindest männliche Österreicher geben, die nicht die Erfahrung gemacht haben, in betrunkenem Zustand und in Anwesenheit begehrenswerter weiblicher Personen unendlichen Unsinn von sich gegeben zu haben, wie es auch ein Herr Gudenus und ein Herr Strache taten, wobei noch einmal darauf hingewiesen werden muss, dass ihr Geschwätz trotz genauester Untersuchung durch die WKStA, keinerlei strafrechtliche Folgen hatte und ganz abgesehen davon die Frage im Raum steht, ob in einer Demokratie von Gleichen unter Gleichen politische Funktionäre unter höheren Heiligkeitsanforderungen zu stehen haben als die Bürger, von denen sie gewählt wurden. Und wer Strache ist, wissen wir seit Jahren!
Anstatt die Lage also zu beruhigen, um Zeit zu gewinnen und überhaupt erst herauszufinden zu können, woher das Video kam, unter welchen Umständen es entstanden war und inwieweit es tatsächlich strafrechtlich relevante Tatbestände enthielt, missbrauchte der ehemals selbst linksextreme und nunmehr wieder in den Schoß der evangelischen Kirche zurückgekehrte Bundespräsident die Autorität seines Amtes dazu, eine Regierung auf Basis rein moralistischer Hysterie auseinanderbrechen zu lassen.
Statt ihr Weiterregieren zu verordnen, Strache bis zur genaueren Klärung der ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe zeitlich beschränkt aus dem Verkehr zu ziehen, den Taktiker Kurz dazu zu veranlassen, die Krise nicht dazu zu benützen, um den intellektuell möglicherweise sogar überlegenen, auf alle Fälle lästigen Herbert Kickl in ein unbedeutendes Ministerium zu entsorgen – statt all dem, was staatstragend ein Gebot der Stunde gewesen wäre, hängte Van der Bellen sein Fähnchen wieder einmal in den Wind und setzte sich auf die Zeitgeistwelle der Moral und auf die beim kleinbürgerlichen Publikum so beliebte schnelle Empörung und Wut auf die da oben. Somit scheiterte er krachend, wie es zeitgeistig heißt, an den Ansprüchen seines Amtes als Präsident und erwies sich als Hauptmitverursacher des Vertrauensverlustes der Bevölkerung in die Politik.
In diesem Zusammenhang kann die Frage natürlich nicht ausbleiben, weshalb auch Sebastian Kurz und Heinz Christian Strache auf die Veröffentlichung des Ibiza-Videos derart dilettantisch reagierten? Statt nämlich zu versuchen, die rufschädigende und das Menschenrecht auf Privatheit missachtende hundertfach wiederholte Zitation des tendenziösen Zusammenschnitts aus sieben Stunden Material zu unterbinden, standen sie der gouvernantenhaften Empörung der Medien, deren Mitarbeiter die Chance witterten, ihre Felle zu retten, vollkommen hilflos gegenüber.
Einer der Gründe dürfte darin liegen, dass etwa die ÖVP, in den Großstädten abgewirtschaftet und seit Jahrzehnten auf das rurale Landdesign von Schützen, Blasmusik und Prozessionen vertrauend, den politischen, ethischen und philosophischen Diskurs der hohen Geistlichkeit überlassen hat und dadurch nicht nur unfreiwilliges Opfer von deren durch Missbrauchsfälle zerstörten Autorität, sondern auch einer während der Corona Pandemie zutage getretenen weltanschaulichen Sprachlosigkeit wurde.
Selbst eine marode und überholte linke Ideologie muss nämlich immer noch durch kluge konservative Argumente entkräftet werden, wozu die Bürgerlichen seit Jahrzehnten ganz im Sinne der von Kant definierten größten Feinde der Aufklärung zu faul und zu feige waren und immer noch sind.
Eine ähnliche Diagnose dürfte auch für die FPÖ gelten, die bis heute von der verletzten Eitelkeit jener und ihrer Nachfahren lebt, die sich nicht einreden lassen wollen, dass in Österreich zwischen 1938 und 1945 alles schlecht war.
Auch diese Partei hat sich nie dazu aufgerafft, darüber nachzudenken, worin eigentlich ein konservativer, das Dritte Reich als absoluten Sündenfall definierender deutschnationaler Liberalismus bestehen könnte. Wobei auch hier gilt, dass es nicht genügt, Meister des Marketings zu sein, wenn man vom politischen Gegner fundamental angegriffen wird.
Wo halten wir heute? Die türkis-blaue Regierung Kurz 1, die vor Ibiza auf eine Zustimmung der Bevölkerung von 56 % verweisen konnte, wurde verantwortungslos in die Wüste geschickt und durch eine Experten-Regierung ersetzt, worauf, als Reaktion einer empörten Öffentlichkeit, die Türkisen bei der folgenden Wahl umso triumphaler zurückkehrten und die mit ihrem medialen Ibiza-Putsch so erfolgreiche österreichische Medien- und Kunst-Elite sich erst wieder um einen mit der Waffe des Moralismus herbeigeführten Triumph betrogen sah.
5. Teil:
Kurz muss weg!
Die Veröffentlichung des Ibiza Videos hatte also nur am Rande etwas mit dem Anliegen zu tun, der Parteibuchwirtschaft in Österreich und der damit einhergehenden angeblichen Korruption ein Ende zu bereiten. In Wahrheit stand die Selbstermächtigung von Leitmedien im Vordergrund, die wahre Macht im Staate abseits jeder demokratischen Legitimation und zumindest auf Gebieten, die von der sogenannten öffentlichen Meinung beherrscht werden können, zu übernehmen.
Dies gilt vor allem für das mächtigste Medium im Lande, den durch Zwangsgebühren opulent ernährten ORF, deren durch Bildschirmpräsenz besonders prominenten Mitarbeitern es ein Anliegen ist, durch priesterliches Gehabe und inquisitorisches Heruntermachen marketinghöriger Politiker nicht nur ihre exorbitanten Gehälter, sondern auch ihre noch exorbitanteren Nebenverdienstmöglichkeiten in Vergessenheit geraten zu lassen.
Dass dieser Selbstermächtigung gleichsam als Nebenwirkung auch die Aufgabe zufällt, den nostalgisch über ihr schütteres Haar streichenden und aufgrund ihres Marsches durch die Institutionen müde gewordenen Altrevolutionären einen narzisstisch-nostalgischen Rückblick auf die sogenannte 1968-er Revolution zu erlauben, darf nicht unerwähnt bleiben.
Neben dieser gleichsam geistesgeschichtlichen Verpflichtung, eine ganze Generation noch vor ihrem biologischen Ende vor der Erkenntnis ihrer eigenen Verblendung zu bewahren, hätte natürlich nach einem halben Jahrhundert sozialdemokratischer Kunst- und Kulturdominanz eine länger währende Machtübernahme durch eine Regierung rechts der Mitte, wie schon gesagt, die Gefahr mit sich gebracht, dass all jene, die sich noch nicht mit beträchtlichen Pensionen aufs gesicherte Altenteil zurückziehen konnten, möglicherweise ihrer Privilegien in Gestalt von Pöstchen und Posten, Stipendien, Projektförderungen und umfänglichen Vorlässen verlustig gegangen wären. Auch das musste unter allen Umständen verhindert werden.
Insofern verrieten die Demonstrationen, die am Wiener Ballhausplatz sofort nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos, in dessen Zentrum bekanntlich zwei FPÖ-Politiker standen, mit ihren offenbar bereits auf Reserve produzierten Plakaten „Kurz muss weg“ die eigentliche Zielrichtung des gerade laufenden Medienputsches.
Und vor allem aus diesem Grund musste es den durch die triumphale Wiederwahl der Regierung Kurz um ihren Sieg betrogenen Medienleuten, Oppositionspolitikern und Staatsanwälten der WKStA wie ein Geschenk des Himmels erscheinen, dass ihnen mit Thomas Schmid nicht nur der beflissene Exekutor der machtbewussten konservativen Regierungsmannschaft ins Netz ging, sondern dass sie dabei auch auf einen geradezu pathologischen Info-Messie stießen, dessen 300.000 Chats, obgleich unter fragwürdigen Umständen beschlagnahmt, unter juristisch fragwürdigen Umständen ausgewertet und ganz bestimmt unter fragwürdigsten Umständen an die Öffentlichkeit gespielt, einen unerschöpflichen Fundus für ein immer neues Aufkochen kleinbürgerlicher moralistischer Wut- und Neidattacken angesichts einer aus pastoralsäkularer Sicht unverzeihlichen Niveaulosigkeit im Kontakt der politischen Würdenträger untereinander abgaben.
Nicht nur das hartnäckige Gerücht, dass sich unter den 300.000 Chats auch 1000 Abbildungen männlicher Geschlechtsorgane befinden sollen, sondern auch die Tatsache, dass es durch die Veröffentlichung von Interventionen prominenter Chefredakteure bei Schmid umgehend zum Abschuss zweier besonders eitler Ehrgeizlinge kam, lässt zwar auf strafrechtlich wenig Relevantes schließen. Dafür eröffnet es den Blick auf die Tiefen eines abgründigen österreichischen Gesellschaftsromans, für den derzeit jedoch kein ausreichend kompetenter Schriftsteller in Sicht zu sein scheint, gehören doch all jene, die das Handwerk einigermaßen verstehen würden, zur Partei der gouvernantenhaften Ankläger, wenn nicht gar zu den um ihre Bonifikationen bangenden Seilschaften, die sich in den letzten Jahrzehnten um den demokratisch gewählten Wiener Kultur-Hof angelagert haben.
Somit bleibt zuletzt nur die nüchterne Feststellung, dass noch jede Revolution ihre Kinder gefressen hat, in diesem Fall einen Rainer Nowak, Chefredakteur der Die Presse, der so gern Generaldirektor des ORF geworden wäre, weshalb er noch in den Diensten der katholischen Styria-Group mit dem Handy am Ohr beflissen seine Netzwerke aufbaute. Und es erwischte einen Mathias Schrom, dessen karrierebewusstes Emporkrabbeln schon vor Jahren unser aller verehrter Ötztaler Blogger an die Öffentlichkeit gebracht hat, und der offenbar auf einem FPÖ-Ticket einer darüber lange Zeit lediglich im Verborgenen wütenden Nachrichten-Redaktion aufs Haupt gedrückt wurde.
Dass nun ein solcher Mann von einem ORF-Generaldirektor, der selbst als Inhaber eines ÖVP-Erste-Klasse-Tickets in seinen Job einrücken durfte, umstandslos fallen gelassen wird, ist die logische Folge all jener Verfilzungen, in die, wie der ehemalige Stiftungsrat Andreas Braun es dieser Tage im Der Standard betont, ORF-Stiftungsräte verflochten sind, die nach dem Gesetz unabhängig sein sollten, nach alpenländischer Realität jedoch ihre Position nicht ihrer Kompetenz, sondern einer Schleimspur verdanken, die sie im Laufe ihrer Karriere mit beredter Zunge zu den Mächtigen der jeweils richtigen Partei gelegt haben.
Ein Stiftungsrat, der im Verhältnis zu seinem gesetzlichen Auftrag als korrumpiert bezeichnet werden muss, ein Generaldirektor, der als eine in den meisten anderen Bereichen inakzeptable Hausberufung jegliche Distanz zur eigenen Kollegenschaft und damit ausreichend Autorität vermissen lässt, eine ÖVP, die sich aus feigem Opportunismus der öffentlichen Meinung gegenüber ihrer eigenen Führung, mit der sie Wahlen gewann, berauben ließ, beraten von einem Ethikrat, der die moraltheologische Escort-Dame des Wiener Bischofs Waltraud Klasnic vorsitzt und eine Regierung, die nur noch versucht, sich bis zum gesetzlich vorgeschriebenen Wahltermin über die Runden zu retten, um die Rechnung vom Wähler nicht schon früher präsentiert zu bekommen: Dieter Bornemann, der Vorsitzende des Redakteursrates und oberster Journalisten-Vertreter des ORF wäre schön blöd, wenn er nicht die Gunst der Stunde nützen würde, als Vertreter des mächtigsten Mediums im Lande und damit auch für alle Kolleginnen und Kollegen in den anderen Medien ganz offen Redaktionsstatuten einzufordern, die die Freiheit der neu erstandenen Vierten Gewalt im Staate abseits jeder demokratischen Legitimation durch das Volk, das Parlament oder durch den Obersten Gerichtshof für alle Zeiten festschreiben sollten.
Um dieses Ziel zu erreichen darf in den Nachrichtensendungen des ORF und in bester altsowjetischer Tradition der allabendliche journalistische Dreschflegel gegen eine angeblich korrupte ÖVP und die insgesamt korruptionsgefährdete politische Elite nicht fehlen. Dies vor allem deshalb, weil die juristische Suppe, um es populär auszudrücken, die sowohl noch bei Heinz-Christian Strache als auch bei Sebastian Kurz auf gerichtliche Klärung wartet, in einer Weise dünn ausfällt, dass die mit Ibiza begonnene und nunmehr strikt aufrecht zu erhaltende Desavouierung der Regierung Kurz 1 ohne moralistische Dauer-Gehirnwäsche der Bevölkerung nicht erfolgreich Bestand hätte und somit die Gefahr bestünde, dass Kurz nach Abwicklung der zweifelsfrei künstlich in die Länge gezogenen Untersuchungen durch die WKStA noch rechtzeitig vor den nächsten Wahlen zurückkehren könnte und selbige vielleicht noch höher gewinnen würde als er sie schon einmal gewonnen hat. Denn ein relevanter Teil der Bevölkerung ist wahrlich nicht so blöd, um nicht zu begreifen, was sich da in den letzten zwei Jahren abgespielt hat.
Was gegen Sebastian Kurz vorliegt, ist lediglich der Verdacht, sich bei einer sechs Stunden währenden Befragung im parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Widersprüche verwickelt zu haben und, auf persönliche Anordnung hin oder nicht, über Inserate des Finanzministeriums gezinkte Umfragen bei dem vom ORF als gefährlichen Konkurrenten eingestuften und daher, wenn möglich im Zweifelsfall auch über Metoo zu disqualifizierenden Herrn Fellner vom Sender oe24TV lanciert zu haben.
Letzteres ein besonderer Lachschlager, da jeder, der auch nur im Geringsten etwas mit Medieneinschaltungen zu tun hatte, genau weiß, dass Werbung auch dann mit Redaktionsberichten belohnt wird, wenn mit weihrauchgeschwängerter Geste behauptet wird, dass sich zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung kosmische Abgründe auftun. Der literarisch Interessierte möge lediglich die Literaturbeilage der hochmögenden deutschen Wochenzeitung Die Zeit, die dort geschalteten Inserate von Verlagen und ein paar Seiten weiter die dazu passenden Buchempfehlungen studieren, um zu wissen, wie die Verhältnisse wirklich sind.
Dass dieses großartige und zugleich von menschlicher Niedertracht gekennzeichnete Schauspiel von unserem Bundespräsidenten in regelmäßigen Abständen mit die Handlung befördernder und die verlogene Moral vertiefender, langweiliger und betulicher Zwischenaktmusik bedacht wurde, mag als Antwort ausreichen, weshalb Alexander Van der Bellen als präsidiale Fehlbesetzung mit Verantwortung dafür trägt, dass das Vertrauen in eine dem Aufstieg einer neuen, unlegitimierten Vierten Gewalt hilflos zusehenden politischen Elite zu Recht verloren ging.
Literatur:
1.Teil:
Alexander Solschenizyn: Die Eiche und das Kalb. Skizzen aus dem literarischen Leben. Luchterhand 1975
Francis Fukuyama: Der Liberalismus und seine Feinde. Hoffmann und Campe 2022
Richard David Precht / Harald Welzer: Die Vierte Gewalt. Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist. S. Fischer 2022
3. Teil:
Werke (Auswahl) von James Ellroy:
Allgemeine Panik (Widespread Panic); 2021
Blut auf dem Mond (Blood on the Moon); 1984
In der Tiefe der Nacht (Because the Night); 1984
Hügel der Selbstmörder (Suicide Hill); 1986
Blutschatten (The Big Nowhere); 1988
Stadt der Teufel (L. A. Confidential); 1990
White Jazz (White Jazz); 1992
4. Teil:
1 https://schoepfblog.at/reinhard-kocznar-greenflation/
2 https://www.medienpolitik.net/2021/02/das-herz-des-journalismus-schlaegt-links-so-what/
3 https://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/BEITRAG/DISKUSIO/umfrage_auswertung.pdf
4 Die Zeit. Nr. 46 vom10. November 2022. Seite11: Warum gibt es einen wie mich nicht mehr?
5 Gerhard Ruiss. Handbuch Literarisches Leben in Österreich. 1985
6 Alois Schöpf. Wenn Dichter nehmen. Über das Vorlass-Kartell. 2014
7 https://schoepfblog.at/egyd-gstaettner-josef-winkler-grusst-nicht/
8 Gerd Koenen. Das rote Jahrzehnt, Unsere kleine deutsche Kulturrevolution, 1967-1977. 2001
9 Gerd Koenen. Die Farbe Rot. Ursprünge und Geschichte des Kommunismus. 2017
5. Teil:
Christian Neuhäuser, Christian Seidel: Was ist Moralismus? Über Zeigefinger und den Ort der Moral. Reclam 14273
Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.
Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen
@Michael Motz:
„Verfolgt werden Politiker und Journalisten, die nicht links sind.“
Kleiner habens Sie’s nicht? Verfolgt werden Journalisten und Politiker in totalitären Staaten, wie Russland, Iran, Venezuela und andere.
Zu ALOIS SCHÖPF vom 25.November:
In eine Nussschale gepresst: Verfolgt werden Politiker und Journalisten, die nicht links sind. Die bürgerliche Mitte schweigt und fürchtet sich. Wofür auch Chefs von Medienhäusern triftige Beispiele sind. Teile der Justiz und der Meinungsmacher haben Freiheiten bar jeder Kontrolle.
Michael Motz