Alois Schöpf
Das Fass ist voll!
Wie lange wollen unsere Kultur-Dilettanten
das Theater- und Konzertpublikum
noch verarschen?
Notizen
Das Dramma giocoso um die politische Verantwortung für die Geschicke des Tiroler Landestheaters fängt schon damit an, dass die wichtigsten männlichen Hauptrollen zwei durchaus honorige, schätzenswerte und sonst möglicherweise durchaus verdienstvolle Herren spielen (Anton Mattle – Bass/Johannes Anzengruber – Tenor), die von Hochkultur, Kulturmanagement und dem Theater- und Konzertbetrieb nicht die geringste Ahnung haben, jedoch der Meinung sind, sie hätten genug davon, weshalb sich ihre teilweise durchaus kompetenten Fachbeamten (da ich nicht progressiv bin, gendere ich nicht) den Kopf blutig stoßen, wenn sie ihnen Nachhilfestunden erteilen wollen.
Weil diese beiden obersten Herren nun keine Ahnung haben, wissen sie auch nicht, was zu tun ist, weshalb sie die Nachdenkpause über ein Problem verordneten, über das nicht mehr nachgedacht werden, sondern bei dem nur noch gehandelt werden muss. Stattdessen wurde in Folge zwischen den angeblichen Streitparteien, die keine sind, weil der eine recht hat und die andere eine Fehlbesetzung ist, eine Mediation eingeschaltet, was nichts anderes als ein weiterer Ausdruck dafür ist, dass man nicht weiß, was zu tun ist und daher Zeit schinden möchte, was wiederum, wie jedermann weiß, der von Kulturmanagement ein wenig Ahnung hat, fatal sein kann. Was nämlich in zehn Jahren aufgebaut wird, kann in einem Jahr in Grund und Boden ruiniert werden.
Während sich diese obersten Herren also, um nicht ihre Inkompetenz allzu sichtbar demonstrieren zu müssen, fürs Nichtstun entschieden haben, versuchte die Ursache all der Scherereien, Intendantin Girkinger, uns die neue Chefdirigentin für das Orchester, die allerdings leider ein Mann ist, als Sensation zu verkaufen. Der angeblich nach komplizierten Verhandlungen gefundene und in Berlin nach kürzester Zeit nicht weiter verlängerte und in Kassel gegen den Willen des Orchesters eingesetzte Herr Rubikis, der die künstlerische Leitung und Weiterentwicklung des TSOI in die Hand nehmen sollte, ist zugleich nämlich auch Generalmusikdirektor, was die Kasseler nach übereinstimmenden Zeitungsmeldungen, etwa auch in der FAZ, als einen Fulltimejob betrachten und was den hessischen Kulturminister Timon Gremmels zur Klarstellung veranlasste, dass Rubikis in Innsbruck nur ein paar Konzerte dirigieren werde, was mit seiner Urlaubszeit ja durchaus vereinbar sei.
Die knieweichen Tiroler Kollegen von der Kultur bezeichneten diesen überraschend bekannt gewordenen Doppeljob, wovon einer aus einem Urlaub im Herz der Alpen besteht, als durchaus branchenüblich, womit sie sich endgültig auf die Verarscherseite geschlagen und somit gegen das Publikum, gegen die Nutzer ihrer Medien, vor allem jedoch gegen ein in der Substanz exzellentes Orchester gestellt haben, das nicht nur einen international renommierten tatsächlichen Chefdirigenten, sondern auch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal am Musikmarkt der Klassik verdient hätte.
Welch unverschämter Bluff es ist, zu behaupten, Innsbruck habe einen neuen Chefdirigenten, der sich bislang für drei Konzerte verpflichtet hat, geht aus der Nachfrage bei einer internationalen Konzertagentur und zugleich bei einem international renommierten Dirigenten hervor: beide bestätigen, dass sich nur jemand diesen hohen Titel aneignen kann, der mit seinem Orchester zumindest fünf Konzerte und zwei Musiktheaterwerke einstudiert, was einen branchenüblichen Zeitaufwand von 25 Tagen für die fünf Konzerte und zumindest jeweils 20 Tage, also 40 Tage für zwei Opern voraussetzt. Hinzu kommen der Ausschreibung entsprechend die Entwicklung einer Neuausrichtung, die Programmierung, die mediale Positionierung, CD-Einspielungen, Streaming-Angebote und nicht zuletzt die unabdingbare Anwesenheit bei Probespielen für nachzubesetzende Stellen, was minimal noch einmal 35 Tage in Anspruch nimmt.
Statt solcher insgesamt 100 Tage, die auf 20 Wochen und fünf Monate, inklusive Urlaub also fast auf ein halbes Jahr hochzurechnen sind, wird Herr Rubikis sich lediglich 3 Wochen für die Konzerte und den Rest seines Urlaubs für alle anderen oben genannten Aufgaben in Innsbruck aufhalten und darf sich, für seinen Wikipedia-Eintrag natürlich günstig, trotzdem ungestraft Chefdirigent nennen, weil die dafür Verantwortlichen das Publikum offenbar für noch inkompetenter halten als sie es selbst sind.
Nur ein einziger Vergleich: Der große österreichische Dirigent Franz Welser-Möst ist seit 1993 Chefdirigent des Cleveland Orchesters und hat seither mit ihm 1100 Konzerte präsentiert, was einen jährlichen Durchschnitt von ca. 38 Konzerten pro Jahr und zumindest die Hälfte des Jahres Anwesenheit in den USA ergibt. Das ist ein Chefdirigent!
Aber wie soll der Aufsichtsrat des Tiroler Landestheaters das wissen, wenn er, getreu dem feministischen Motto, demgemäß uns schon eine überforderte Intendantin beschert wurde, aus einem Teekränzchen freundlicher Damen provinziellen Zuschnitts inklusive Alibimann besteht. So wurde grünerseits etwa als jüngstes Mitglied des an sich wichtigen Gremiums gerade die völlig glücklose, der Alternativkultur zuordenbare ehemalige Innsbrucker Kulturreferentin Uschi Schwarzl aus ihrer endlich erfolgten Pension zurückgeholt. Und so darf als neue Vizepräsidentin des Aufsichtsrats von nun an die Fachhochschulabsolventin Katharina Schnitzer-Zach für das Wohl des Tiroler Landestheaters werken, zweifelsfrei eine sympathische Profitouristikerin. Aber als Aufsichtsrätin eines Hochkulturbetriebs mit Theater, Oper, Tanz und unabhängigem Orchester und über 400 Angestellten?
Ich erspare mir in Anwesenheit so vieler Damen, die bodenständige Fragestellung des vorliegenden Artikels noch einmal zu wiederholen.
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Wie so oft, aber ich kann nicht jede Woche gratulieren – volles Einverständnis zu Ihrem Artikel. Viele Jahre war ich Gast im Landestheater. In meiner Innsbrucker Zeit am Stehplatz ganz oben und dann in Landeck jahrelanger Besucher im Landabo. Das waren noch Zeiten! Man verließ den „Tempel“ erfreut und erbaut, und noch Tage danach erinnerte man sich an einen gelungenen Abend. Heute verläßt man das Theater verärgert und bereut die unnütz verbrachte Zeit.
Weiter so!
Zu deinem Text: Man möchte nur noch emigrieren ans andere Ende der Welt, sich und unsere angewachsene Umgebungshaut verlassen. Wie zur Goldgräberzeit in Kalifornien sehe ich mich aufbrechen in ein Chile der Heilung. Salve!
Regina Hilber