Alois Schöpf
Wer braucht noch die Hochkultur?
Apropos

Frau Girkinger und Herr Lutz haben ihr Waffenstillstandsabkommen also unterzeichnet. Man kann nur hoffen, dass die beiden für das Tiroler Landestheater zuständigen Politiker Landeshauptmann Mattle und Bürgermeister Anzengruber ausreichend kompetent sind, um zu begreifen, dass damit nur ein Randproblem gelöst wurde. 

Am Hauptproblem, dem Publikumsschwund, hat sich nämlich, wie es über den Kartenverkauf überprüfbar ist, nichts geändert.

Vielmehr scheint es so zu sein, dass die durch besserwisserisches Regietheater das breite Publikum beleidigende Vorgangsweise der neuen Führung am Tiroler Landestheater lediglich einen Prozess beschleunigt hat, der in den sogenannten fortschrittlicheren urbanen Regionen Mitteleuropas schon längst zum Problem geworden ist: Dass die klassische bürgerliche Hochkultur mit all ihren Werken aus Musik und Literatur, die man noch vor ein paar Jahrzehnten kennen musste und gekannt hat, zum Auslaufmodell wurde, ein Prozess, der nun zeitverzögert auch hierzulande in der Realität angekommen ist.

Wer es nicht glaubt, möge seinen Blick über die weiße Haarpracht des Klassik-Publikums schweifen lassen. Oder auch nur die Programme unserer Musikkapellen studieren, deren Aufgabe es früher einmal war, die leicht zugänglichen Werke der Kunstmusik zu popularisieren. Davon kann selbst im Johann Strauss-Jubel-Jahr kaum noch die Rede sein. Auch im Traditionellsten dominiert inzwischen der triviale Kommerz.

Für jemanden, der Musik und Literatur, wie sie Theater und Orchester zu repräsentieren hätten, als unverzichtbare Quelle von Qualität, Identität und Schönheit einstuft, stellt sich daher die Frage: Was liebe Kulturpolitiker gedenkt ihr zu tun, um unser großartiges klassisches kulturelles Erbe so in der Gesellschaft zu verankern, dass es nicht untergeht bzw. nicht zunehmend zur hoch subventionierten Nische gutsituierter Pensionisten wird?

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 15.03.2025

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor, Journalist, Veranstalter, geb. 1950, lebt bei Innsbruck, schreibt seit 41 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 34 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Nach seiner Tätigkeit als ORF-Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung verfasste Schöpf Romane, Erzählungen, Märchenbücher und in den letzten Jahren vor allem Essays zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Daneben schrieb er Theaterstücke und vier Opernlibretti. Schöpf war auch als Blasmusikdirigent tätig und ist Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die er 25 Jahre lang bis 2019 leitete. Zuletzt gründete er 2020 das Online-Magazin schoepfblog, an dem 40 renommierte Autorinnen und Autoren mitarbeiten.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Karlheinz Veit

    Soll ich mich outen….???
    Gehe das ganze Jahr nicht ins Landestheater und das schon seit Jahren ! Mir geht dabei rein gar nichts ab ! Der schriftliche Diskurs über dieses Thema LT bestätigt mich in meiner Ansicht….!
    MfG
    P.S. Das letzte Mal, als ich im LT war, da trat der Polt mit der Biermöslblasn auf….. ! Lang ist’s her !

  2. Leo Hochner

    Was gedenkt ihr zu tun?
    Nachdem das Volk mit Trivialitäten abgelenkt und das kulturelle Leben als eine endlose Reihe von Unterhaltungsveranstaltungen, als gigantischer Amüsierbetrieb neu bestimmt wurde, verwahrloste der öffentliche Diskurs zum unterschiedslosen Geplapper.
    Aus uns Bürgern („we are the people“) wurden Zuschauer und unsere öffentlichen Angelegenheiten verkamen zur Variete-Nummer, kurz, das Absterben der Kultur setzte ein und nun, so scheint es, kann uns nur noch der totale Krieg gegen einen äußeren Feind retten …

  3. Thomas Gasser

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    Wieder einmal kann ich Ihrem TT-Beitrag (TT 15.03.2025 / „Wer braucht noch die Hochkultur?“) nur voll zustimmen.
    In Wahrheit ist es ein „Trauerspiel“ und „aktive Geldvernichtung“, was hier vor unseren Augen – dem das alles bezahlenden Steuerzahler – stattfindet.
    Wie einfach und selbstverständlich es ist, das „Große Haus“ zu füllen, hat die jüngste Neuproduktion des „Rosenkavalier“ eindrucksvoll bewiesen: jedes Mal ein gut besuchtes Haus und zu guter Letzt sogar ausverkauft! Der „Rosenkavalier“ ist bei aller Heiterkeit nicht unbedingt „leichte Kost“, sondern höchst anspruchsvolles Theater. Trotzdem kam das Publikum in Scharen, weil es durch die in allen Facetten überzeugende Darbietung auch abgeholt wurde, und das waren nicht nur die „Weißhaarigen“ und die verachteten „erz-stock-bürgerlichen“ Theaterbesucher, ich habe da auch viel „Junges und unvoreingenommenes Publikum“ gesehen…
    Die jetzige Intendanz und die damit verbundene künstlerische Ausrichtung haben wir der Amtsvorgängerin des jetzigen Kulturlandesrates Mattle zu verdanken, das wird von Informierten übereinstimmend bestätigt.
    Dass Frau Gierkinger diesen Auftrag nun auch umsetzt, kann man ihr daher nicht wirklich zum Vorwurf machen. Dieses schwierige Erbe liegt nun in den Händen politisch Verantwortlicher, die damit möglicherweise überfordert sind. Die Zukunft unseres wunderbaren „Tiroler Landestheaters“ mit seiner großen Tradition liegt so leider im Ungewissen.
    Der zielbewussten Amtsvorgängerin kann man für ihr segensreiches Wirken daher nur „Danke“ sagen, oder wie es im Theater üblich ist…. „Brava!“.

  4. Christine Tausche

    Guten Tag Herr Schöpf,
    da muss ich Ihnen diesmal vollkommen recht geben! Danke, dass Sie darüber schreiben.
    Ich glaube aber, dass weder Herr Mattle noch Herr Anzengruber kompetente Kulturpolitiker sind, was die von Ihnen erwähnte „Hochkultur“ betrifft. Bei Volkskultur vielleicht. Wie deren Entscheidung, Frau Girkinger als neue Intendantin zu bestellen, zustande gekommen ist, ist mir schleierhaft. Vielleicht könnten Sie das auch mal aufgreifen.
    Die klassischen Stücke der „Hochkultur“ (ein schönes Wort) werden z.T. verhunzt und verfälscht. „Regieeinfälle“ sind oft purer und unverständlicher Aktionismus, um irgendeinen Showeffekt zu erzielen. Die Bühnenausstattung ist oft drittklassig. In einer Inszenierung wie in „Figaros Hochzeit“ hat man das Gefühl, Mozart wird verhöhnt.
    Bei einer Kritik kürzlich in der TT hatte ich übrigens den Eindruck, es handelt sich um eine Gefälligkeitskritik. Würde mich nicht wundern, denn man hat ja das Marketing dem Herrn Lutz weggenommen.
    Leider ist das Regietheater auch anderswo verbreitet.
    Ich fürchte, es wird sich so schnell nichts ändern. Persönlich kann man nur auf andere Theater ausweichen.
    Freundliche Grüße

  5. Reinhard Kocznar

    Shake up with Shakespeare:

    Was am gemeinen Mann Geduld wir nennen
    ist bleiche Memmenfurcht in edler Brust.

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