Alois Schöpf
Sagen Sie doch einfach,
es wird alles gut!
Apropos
Mit dieser Aufforderung stellte Mirjam Weichselbraun, unser weltgewandter TV-Star aus Tirol, dem Bundespräsidenten beim Opernball die Frage, ob er im Hinblick auf das deprimierende Weltgeschehen nicht etwas Positives sagen könne.
In seiner Antwort meinte Van der Bellen, man müsse zuversichtlich sein, denn Angst lähme und Europa möge sich nicht kleiner machen als es ist.
In ihrer Rede vor den Parteimitgliedern der NEOS wiederum begründete Frau Meinl-Reisinger, den Tränen nahe, ihr politisches Engagement damit, ihren drei Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen. Sowohl die Sorgen Weichselbrauns, ebenfalls Mutter von zwei Kindern, als auch jene Meinl-Reisingers wirkten berührend authentisch und entsprachen sicherlich der Gefühlslage vieler Österreicher.
Die freundliche Antwort Van der Bellens wiederum war in ihrer Allgemeinheit nicht geeignet, Zuversicht aufkommen zu lassen. Was mich betrifft, bekam ich diese erst durch den polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk vermittelt, der ebenfalls zu mehr europäischem Selbstvertrauen aufforderte, darüber hinaus aber feststellte, dass Europa inklusive Großbritannien und Türkei über 2 Millionen Soldaten verfüge, Russlands marode Armee über 1,3 Millionen, die USA über 1,3 Millionen und China ebenfalls über 2 Millionen.
Im Falle einer Einigung und Kooperation ist Europa also eine Weltmacht und Russland nur aufgrund seiner Atomwaffen ein Faktor.
Wie es allerdings um unser Verhältnis zu dieser unserer eigenen Macht bzw. zu fremden Mächten steht, darauf gab in der gleichen Sendung ein in Kiew befragter Passant die Antwort: Er meinte, unser Hedonismus sei so stark, weshalb wir zu bequem seien, uns gegen Putin zu wehren.
Wie wahr: Nach Jahrzehnten eines Goldenen Zeitalters sind, wenn wir unser gutes und friedliches Leben retten wollen, plötzlich unbequeme Tugenden gefragt: Mut und Solidarität etwa!
Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 08.03.2025
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„Er meinte, unser Hedonismus sei so stark, weshalb wir zu bequem seien, uns gegen Putin zu wehren.“
Welchen Hedonismus meinte er? Den von ca. 1,2 Millionen Ukrainern, die in Deutschland leben und von denen ein Teil so dem Wehrdienst in ihrer Heimat entflieht?
Oder den Hedonismus von ca. 700.000 Ukrainern, die in Deutschland Sozialleistungen beziehen?
Laut einer jüngsten Forsa Umfrage wären ca. 60% der Deutschen „wahrscheinlich nicht“ oder „auf keinen Fall“ bereit, Deutschland im Falle eines militärischen Angriffs selbst mit der Waffe zu verteidigen. Ob das allerdings mit Hedonismus, Mutlosigkeit und mangelnder Solidarität assoziiert ist, darf bezweifelt werden. Es ist wohl eher so, dass vielen Menschen nicht klar ist, für welche Werte sie eigentlich unter Einsatz ihres Lebens kämpfen sollen.