Alois Schöpf
Kitzbühel und die Weißwurstpartys
So sind wir nicht!
Notizen
Dieses Wochenende wird fürchterlich werden. In Kitzbühel sind nämlich wieder Skirennen angesagt, deren prominentestes wie zu Zeiten der alten Römer junge, in eigenen staatlichen Gymnasien ausgebildete Gladiatoren bestreiten, deren Aufgabe es ist, sich zum Gaudium eines tausendköpfigen Publikums bei aktueller Lebensgefahr und langfristiger Selbstverkrüppelung auf einer eisigen Skipiste so schnell wie möglich ins Tal zu stürzen. (Meines Erachtens sollte man Eltern, die ihre Kinder in ein Skigymnasium stecken, wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht vor Gericht zitieren.)
Ein auf das einfachste intellektuelle Niveau, nämlich die Zeitmessung reduzierter Sieg ist selbst noch vom größten Simpel als etwas Besonderes zu begreifen. Ganz im Gegensatz etwa zu einer schwierigen Opernarie, dem Malen eines schönen Bildes oder der Ausformulierung einer schlüssigen Argumentation. Aufgrund dieser Massentauglichkeit sind denn auch der Andrang zum Event „Hahnenkammrennen“ und die verblendete Lust der Medien beträchtlich, darüber exzessiv zu berichten. Können sich doch zumindest einmal im Jahr die ewigen Besserwisser mit ihren ewig Belehrten in der rauschhaften Freude, unter den Völkern der Erde beim Hinunterfahren von einem Berg die Schnellsten zu sein, wenn schon sonst das Meiste verschlafen wurde, ein paar glückliche Stunden der Selbstbeweihräucherung gönnen.
Damit das Design eines solch einfach gestrickten Triumphs und der daraus abgeleiteten Siegesfeiern nicht getrübt wird, trifft man sich bei Partys, bei denen zu horrenden Preisen Schlachtabfälle in Form sogenannter Weißwürste verspeist werden. Hier ergänzt die Minderwertigkeit der Ware die Unerheblichkeit des Anlasses in schönster Harmonie. Und weil eine solche Idylle, vor allem jedoch ihr ungestörter Genuss gegen die Gefahr von Niveauansprüchen seitens einer globalisierten Welt abgesichert werden sollte, wird sie unter den Schutz einer aus Lederhosen, Dirndln, Volksmusik, Blasmusik, Schützen und Landeshauptmann zusammengeschusterten alpinen Identität gestellt, die dick mit dem Begriff Tirol übermalt ist, der Name eines zur Marke degenerierten Landes, auf die bzw. auf das wir in medialem Einklang stolz zu sein haben.
Die Wir Tiroler präsentieren sich der Welt, sofern sie sich überhaupt dafür interessiert, an diesem Wochenende in Kitzbühel wieder einmal als Verschnitt aus Karl Schranz, DJ Ötzi, Hansi Hinterseer, dem Stanglwirt und unseren Tirol Heute Moderatorinnen. Und das äußerst erfolgreich. Über vier Millionen in Österreich und an die zwei Millionen in Deutschland und weitere Hundertausende in vielen Ländern erleben unser Land als sportbegeisterten Halligalli-Festplatz, ein Status, der durch die anbiedernde Anwesenheit der hohen Politik gleichsam zur Staatsräson erhoben wird.
Dagegen muss aus tiefster patriotischer Empörung Protest eingelegt werden: So sind wir nicht! – um die Worte unseres Staatskaunertalers zu zitieren. Zumindest sind wir nicht alle so! Wir sind weder unreflektiert skisportbegeistert noch unreflektiert halligallibegeistert, die peinliche Prominenz, die sich da im Tiroler Unterland um die Kameras drängt, sind wir allerdings reflektiert wirklich nicht, obgleich wir niemandem die intrinsischen Freuden am Skifahren noch am Halligalli noch an seiner peinlichen Prominenz noch am Vergnügen nehmen wollen, all dem am Fernsehschirm beizuwohnen. Wir sind keine Spaßbremsen!
Wir sind aber auch keine alpinen Trottel, deren Höchstes ein Paar Ski, eine Weißwurst und ein paar Bier sind, die wir bei blödsinnigen Gesängen in uns hineinschütten, als die wir jedoch gleichsam weltweit im Rahmen der erfolgreichsten Sendung des ORF, die von und in Tirol handelt, dargestellt werden: und zwar so penetrant, so flächendeckend, so stundenlang, so distanzlos, so maßlos, so ohne Ironie, dass nicht nur das Ausland, sondern wir selbst vor lauter medialer Gehirnwäsche gezwungen sind, uns zumindest bis zur Mitte der nächsten Woche, wenn wir uns wieder gefasst haben, für so beschränkt zu halten wie wir es zu sein scheinen.
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Hallo Alois Schöpf,
als regelmäßiger Leser des samstägigen TT-Artikels von Alois Schöpf und regelmäßiger Besucher des schoepfblogs muss ich heute ihrem letzten Artikel, der über Kitzbühel und das Hahnenkammrennen handelt, einiges entgegenhalten.
Sie sind ein Großer, was Kultur betrifft, und ein Eifriger, die Kulturszene Tirols hoch leben zu lassen und gelegentlich auch zu kritisieren….Hochachtung. Was mir aber überhaupt nicht taugt, ist Ihr absolutes „Nichtengagement“,
was den Sport betrifft, das gipfelte jetzt im besagten Artikel.
Unbestritten hat der Leistungsport, so wie alles, was bis zur Spitze getrieben wird, auch seine negativen Auswüchse, aber ich bin überzeugt, das passiert auch in der Kulturszene. Dennoch sehe ich lieber da wie dort das Positive. Das Verbindende unter den Besuchern, und wenn man bezüglich Weißwurstparty und Co auch kritisch sein kann, so taugt es mir, dass über alle persönlichen Einstellungen hinweg noch ein gemeinsames Fest stattfinden kann, bei dem die Freude und Ausgelassenheit im Vordergrund steht.
Ich bin mir sicher, dass sich in solchen Umgebungen Freundschaften finden und gelegentlich Dispute beigelegt werden können. Wo geht dies besser als in solch ungezwungener Umgebung? Habe hier Leute aus den verschiedensten Bereichen „gesichtet“, auch aus der Kulturszene. Wenn Menschen miteinander feiern und reden, dann ist die Welt zumindest noch ein biss`chen in Ordnung.
Auch die Weißwurst als „Schlachtabfälle“ zu bezeichnen ist eines Schöpf Alois nicht würdig! Ein Metzger hat hier sein Bestes gegeben.
So …….. ich bleibe trotzdem ein Fan von Ihnen und grüße herzlichst.
Für dummheit gibt es nach oben keine grenze, und kitzbüchel hat in zeiten, wo dieser dekadenz noch niemand widersprochen hat, freien lauf gehabt, geld,auch gier und geiz waren die zutaten für die versalzene suppe, die wir alle heute auslöffeln müssen, und die suppe wird noch dicker kommen, weil es aufgrund der drei G noch dicker kommen wird. bleibt nur der bittere trost, dass die natur in kürze nicht mehr mitmachen wird und dem unsinnigen spektakel ein ende bereiten wird. Nur wird dann das kind mit dem bad ausgeschüttet sein, allerdings wieder zum leidwesen aller.