Alois Schöpf
Kickl hat es vergeigt! Kreisky nicht!
Apropos
Wenn ich FPÖ-Mitglied wäre, was ich nicht bin, hätte ich auf Herrn Kickl eine Mordswut. Zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik stand die FPÖ nämlich vor der Chance, den Kanzler zu stellen und Politik zu machen, statt immer nur zu kritisieren. Und da scheitert ihr Parteivorsitzender am Auftrag des Bundespräsidenten, eine Regierung zu bilden. Angeblich auf den letzten Metern. Und natürlich sind die anderen schuld. Die ÖVP vor allem, die angeblich nie ernsthaft verhandeln wollte!
Wie war das eigentlich unter dem legendären Bruno Kreisky, den Herbert Kickl gern als Vorbild zitiert? Kreiskys SPÖ wurde im Jahre 1970 trotz Warnungen der Konservativen vor der Roten Katze zur stimmenstärksten Partei gewählt und konnte mit Duldung der FPÖ, deren Vorsitzender ein ehemaliger SSler war, eine Minderheitsregierung bilden.
Ein Jahr später gewann Kreisky bei einer neuerlichen Wahl die absolute Mehrheit.
Schon aus dieser kurzen Darstellung von Situationselastik eines inzwischen bei aller Kritik herausragenden Politikers geht hervor, in welchem Ausmaß Herbert Kickl ganz persönlich gescheitert ist, indem er für den Job eines Spitzenpolitikers trotz aller Intellektualität zu wenig strategisch denkt und nicht über den Dingen steht, um es höflich auszudrücken.
Dass dem so sein muss, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass keiner in seiner Partei aufmuckt, obwohl gerade jetzt viele allen Grund dazu hätten. Sie wissen, dass sie einen Kopf kürzer sind, wenn sie es tun.
Ob eine FPÖ-geführte Regierung eine Katastrophe geworden wäre oder nicht, hätten spätestens die nächsten Wahlen gezeigt. Wie auch bei Kreisky, der zusammen mit Christian Broda dem Land einen höchst fälligen Reformschub verpasste und dafür belohnt wurde.
Auf diese Chance wollte Kickl trotz eines dringenden, wenn auch anders gelagerten Reformschubs nicht warten. Er hat es vergeigt!
Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 22.02.2025
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Sehr geehrter Herr Schöpf,
ich bin auch Ihrer Meinung. Weiters glaube ich, dass Hr. Kickl im Innersten niemals Bundeskanzler sein will und wollte (so wie derzeit Hr. Schallenberg dies nicht will). Als Hr. Kickl das Ende der Verhandlungen verkündete, wirkte er so glücklich und befreit wie selten davor (im Gegensatz zu Hr. Nehammer, als er vom Ende der Verhandlungen berichten musste).