Alois Schöpf
Es ist einmal so Sitte…
Apropos

Die Deutsche Außenministerin Annalena Baerbock besuchte mit ihrem Französischen Amtskollegen Jean-Noël Barrot unlängst den neuen syrischen Machthaber Ahmed al-Scharaa in Damaskus, um dem im Wiederaufbau befindlichen Staat Hilfsgelder seitens der EU zukommen zu lassen.

Nicht einmal diese verlockenden Aussichten veranlassten jedoch den bärtigen Herrn dazu, im Gegensatz zum männlichen Barrot auch Frau Baerbock als Frau die Hand zu geben. Ergänzt wurde diese aus einer offenbar unter schweren sexuellen Bedrängnissen leidende Tradition, die das Weibliche als Ursache aller Übel ausmacht, weshalb es in Säcken verstaut werden muss, dadurch, dass ein regierungsnaher Fernsehsender zwar über das Treffen berichtete, Frau Baerbock jedoch vernebelte, um das Publikum aufgrund ihrer vorhandenen Reize nicht in Versuchung zu führen.

Ganz im Sinne des Kulturrelativismus, der dem Prinzip huldigt ‘S ist mal bei mir so Sitte könnte man nun wie in der Johann Strauß-Operette Die Fledermaus locker bleiben und die ganze Sache als volksreligiöse Nebensächlichkeit abhaken. 

Man könnte aber auch hochphilosophisch darüber zu sinnieren beginnen, dass die von der Menschenrechtskonvention garantierte Religionsfreiheit immer wieder dazu führt, dass zentrale Menschenrechte wie etwa die Gleichheit von Mann und Frau massiv verletzt werden.

Vor allem jedoch sollte man aus Anlass des Verhaltens von Herrn Al-Scharaa und auch in Anbetracht all unserer massiven Migrations- und Integrationsprobleme abseits aller taktischer Kalküle einmal die unangenehme Frage stellen: Wie lange finanzieren wir eigentlich noch Politiker, Staaten und Religionsgemeinschaften mit unserem Geld, wenn sie Wertvorstellungen pflegen, die den unseren diametral widersprechen? Und wenn dies auch nur in der auf den ersten Blick unerheblichen Verweigerung eines Handschlags mit einer Frau, weil sie eine Frau ist, besteht!

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 11.01.2025

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Hubert Osl

    Sie haben wieder einmal den Nagel auf den Kopf getroffen – obwohl ich ein Mann bin!
    Mit bestem Dank

  2. Richard Lipp

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Ich stimme Ihnen vollinhaltlich zu. Sollte daher die Überschrift statt auf eine heitere Operettenmelodie nicht eher auf die Anklage Ciceros gegen Catilina (Quo usque tandem abutere, Catilina, patientia nostra?) hinweisen? Wie lange noch wollt ihr unsere Geduld missbrauchen?
    Danke für den Beitrag!

  3. Werner Feldhütter

    S.g. Herr Schöpf, ich habe Ihren Artikel über den Besuch von Frau Baerbock wirklich zweimal lesen müssen, denn sie haben Einiges vollkommen verschwiegen.
    Die deutsche Außenministerin ist mit einem noch nicht richtig installierten Rebellenchef zusammen gekommen, der offensichtlich versucht Syrien in eine bessere Zukunft als unter Assad zu führen.
    Im Gegensatz zu Frau Baerbock ist ihr Gesprächpartner nicht im Rebellenlook, sondern vollkommen westlich und ordentlich gekleidet, aufgetreten!
    Frau Baerbock hingegen ist vollkommen unpassend gekleidet in einer engen Freizeithose und mit Stiffletten wie eine deutsche Touristin aufgetreten – zusätzlich war ihr Auftritt, wenn man dem Englischen halbwegs mächtig ist, total arrogant und überheblich.
    Wenn man das Ergebnis der Reise betrachtet, so hatte Baerbock ja wirklich nicht viel zu bieten. Es kann durchaus sein, dass die Zurückhaltung aus diesem Umstand zu erklären ist. Immerhin war Ahmed al-Scharaa wenige Stunden vor dem Treffen in der arabischen Welt zu Besuch, wo er viel mehr zu erwarten hat, als von Frau Baerbock, Deutschland und der EU.
    Wenn Sie davon sprechen, dass in vielen Ländern die Frauen in Säcke gesteckt werden, so empfehle ich Ihnen einmal die größten Länder im nahen und fernen Osten zu bereisen. Eine Pauschalierung der Kleidervorschriften für Frauen ist kleinkariert und hätte ich von Ihnen eigentlich nicht erwartet.
    Sie haben in einigen Ihrer Thesen hundertprozentig recht, aber alles über einen Kamm zu scheren, ist für einen Mann Ihrer Stellung und Ansehen unwürdig.
    Mit freundlichen Grüßen

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