Alois Schöpf
Die Verpflichtung zum Miteinander.
Apropos
Schon dieser Titel geht eigentlich gar nicht. Korrekt müsste es heißen, dass jeder mit jeder und jede mit jedem und jeder mit jeder und jeder mit jedem kann – alles andere ist nicht zeitgemäß. Wobei derlei Genderprobleme harmlos sind gegen die Corona-Pandemie, wo alte Freundschaften aufgekündigt wurden und eine Blasenbildung Mode wurde, die längst die Politik erreicht hat und etwa bei unseren Nachbarn dazu führt, dass mit deutscher Gründlichkeit ideologische Mauern gegen rechts bzw. je nach Bedarf auch gegen links errichtet werden. Auch in Österreich vergeht keine Woche, in der nicht ein Politiker verkündet, mit wem er gerade kann und können möchte und mit wem nicht.
Vielleicht wäre es in diesem Zusammenhang sinnvoll, an die Kreisky’sche Empfehlung zu erinnern: Lernen Sie Geschichte! Wenn man nämlich bedenkt, was im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, welche Verbrechen geschahen und wie viele Menschen umgebracht oder lebenslänglich traumatisiert wurden, dann kann man nur darüber staunen, dass nach all diesem Horror die Feinde von gestern nicht untilgbare Rache schworen, was menschlich verständlich gewesen wäre, sondern von der Politik bis in die Familien hinein nach und nach mit allen wieder zusammengearbeitet und ab 1945 ein Österreich aufgebaut haben, in dessen Wohlstand wir uns den Luxus leisten, nicht miteinander zu reden und damit unser Zusammenleben zu gefährden.
Wenn Gegensätze nicht mehr ausdiskutiert werden, tritt gesellschaftlicher Stillstand ein. Dies ist zumindest die Überzeugung des großen Philosophen und Liberalen John Stuart Mill in seinem Essay Über die Freiheit. Danach unterliegt die Verpflichtung zu Dialog und Miteinander nicht Sympathien und Wahltaktik, sondern der Frage, ob der politische Gegner im Rahmen der Verfassung agiert oder nicht. Tertium non datur: Ein Drittes gibt es nicht, wie schon die alten Lateiner sagten.
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