Alois Schöpf
Agrargemeinschaften und Baulandmobilisierung
Apropos

Zur Erinnerung: Durch die Niedrig-Zinspolitik der EZB, welche die Länder des Südens vor der Pleite bewahrte, verloren zugleich die Finanzvermögen auf den heimischen Bankkonten Jahr für Jahr durch die Inflation immer mehr an Wert. Das hatte zur Folge, dass Anleger, die genug Kapital zur Verfügung hatten, mit ihrem Geld in Immobilien flüchteten, wodurch deren Preise in die Höhe schossen und kein gewöhnlicher Einheimischer, wenn er nicht gerade geerbt hat, sich noch ein Häusl mit Garten darum herum leisten kann.

Genau das aber ist der Lebenstraum sehr vieler Tiroler, weshalb die ehemals auch bürgerliche Eigentumspartei ÖVP nun, unterstützt von den immer noch postmarxistisch infizierten Sozialdemokraten, in Serie unter dem Motto Baulandmobilisierung Ideen entwickelt, wie man den privaten Grundbesitzern ihre Gründe durch neue Abgaben madig machen könnte.

Dabei wäre mit wenigen Ausnahmen das Problem zu lösen, wenn man nur den Mut hätte, in Sachen Agrargemeinschaften endlich reinen Tisch zu machen und ein vom Verfassungsgerichtshof festgestelltes Unrecht aus der Welt zu schaffen. Sprich: durch ein Landesgesetz die Eigentumsübertragung an die Agrargemeinschaften im Sinne der rechtmäßigen Besitzer, der Gemeinden, rückabzuwickeln. 

Genau so sieht es jedenfalls der anerkannte Tiroler Verfassungsjurist Heinrich Kienberger in seinem Werk Das Gemeindegut als Verfassungsproblem.

Realität ist heute ein durch die Scholastik von Substanz- und Nutzungsrecht gekennzeichneter Scheinkompromiss, der die Gemeinden blockiert, da immer noch die Agrargemeinschaften im Grundbuch stehen. Dadurch ist es unmöglich, jungen Familien günstige Bauparzellen auszuweisen, um ihnen den Traum vom Eigenheim zu ermöglichen. Aus dem Erlös solcher Verkäufe könnten übrigens die maroden Gemeindekassen aufgebessert werden.

Mut zur Ehrlichkeit und nicht fiese Tricks sind daher gefordert.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 01.02.2025

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor, Journalist, Veranstalter, geb. 1950, lebt bei Innsbruck, schreibt seit 41 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 34 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Nach seiner Tätigkeit als ORF-Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung verfasste Schöpf Romane, Erzählungen, Märchenbücher und in den letzten Jahren vor allem Essays zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Daneben schrieb er Theaterstücke und vier Opernlibretti. Schöpf war auch als Blasmusikdirigent tätig und ist Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die er 25 Jahre lang bis 2019 leitete. Zuletzt gründete er 2020 das Online-Magazin schoepfblog, an dem 40 renommierte Autorinnen und Autoren mitarbeiten.

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Ernst Waldner

    Sehr geehrter Herr Schöpf, gerne lese ich jeden Samstag Ihren Beitrag in der TT. Meistens kann ich mich Ihrer Meinung anschließen, ab und zu nicht.
    Diesmal teile ich Ihre Ansichten, besonders bezüglich der Agrargemeinschaften. Dass hier die notwendige Rückabwicklung der damals unrechtmäßigen Übertragung von Gemeindegut an die Agrargemeinschaften noch immer nicht durchgeführt wurde, ist natürlich der Volkspartei zu „verdanken“: die hängt ja total am Gängelband des Bauernbundes!
    Ich wohne nun schon seit vielen Jahren mit meiner Familie im kleinen Obernberg, und seit der Änderung im Tiroler Flurverfassungsgesetz (Substanz, Substanzverwalter, …..) hat sich eigentlich im Wesentlichen nichts verändert, die Nutzungsberechtigten freuen sich, dass nun sämtliche Verwaltungsausgaben, Wegerhaltungskosten, usw .von der Gemeinde bezahlt werden, eine vorgesehene, in anderen Gemeinden durchaus übliche Entnahme aus der AG-Kassa für zum Beispiel dringende Investitionen in Kindergarten oder Schule u.a. ist bisher nicht erfolgt. Substanzverwalter ist der Bürgermeister, der selbst Mitglied der Agrargemeinschaft ist.
    Zusammenfassend also möchte ich feststellen, dass die Problematik „Agrargemeinschtaften“ dringend einer gerechten Lösung für alle Gemeindebürger zugeführt werden muss.
    Mit freundlichen Grüßen

  2. Richard Heis

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Ich lese ihre Artikel immer sehr aufmerksam und kann fast immer zustimmen. Als Betreiber eines über 200 Jahren in Privatbesitz befindlichen land- und forstwirtschaftlichen Gärtnereibetriebes, welcher auch seit den 1930-Jahren zum Teil auf ausgewiesenem Bauland liegt (nie wurde etwas verkauft, nur einiges selbst verbaut), darf ich folgendes dazu festhalten.
    Im Burgenland wurde von LH Doskozil schon vor Jahren eine Baulandmobilisierungsabgabe eingeführt. ÖVP und FPÖ sowie der österr. Haus- und Grundbesitzerverband haben sich dagegen ausgesprochen. Die Abgabe wurde bis Ende 2024 nicht eingehoben. Vom Haus- und Grundbesitzerverband (Burgenland) wird eventuell eine Sammelklage angedacht wegen Doppelbesteuerung.
    Aus meiner Sicht kommt eine solche Abgabe einer Enteignung gleich. Gerade in Ballungszentren werden oft Grundstücke, welche als freies Bauland schon längere Zeit ausgewiesen sind, landwirtschaftlich oder gewerblich für Anbauten, Lager- oder Erweiterungsmöglichkeiten benötigt. Eine Rückwidmung der oft voll erschlossenen Baugründe, welche auch als Sicherheiten für Banken unterstellt oder für nachfolgende Generationen angeschafft wurden, ist von meiner Seite auszuschließen.
    Als bürgerlicher Innsbrucker und ehemaliger Wallnöfer-Wähler ist es für mich unverständlich, dass eine christlich/soziale Partei wie die ÖVP es einmal war, Überlegungen hat wie eine Baulandmobilisierungsabgabe, ein Bodenbeschaffungsgesetz (Kreisky 1976 Enteignung möglich), Rückwidmung in Vorbehaltsflächen, Leerstandabgabe auch auf Gebäude, welche nur mit Eigenmittel errichtet wurden usw..
    Wie Sie schreiben:„die ehemalige bürgerliche Eigentumspartei ÖVP“ wird mit diesen Überlegungen ihre letzten Stammwähler vertreiben. Ich bin seinerzeit, als BM Niescher laut über das Bodenbeschaffungsgesetz bei einer Veranstaltung nachgedacht hat, zur „Haider FPÖ“ beigetreten. Als GR von Ibk. und LAbg. zum Tiroler Landtag (FPÖ ) war mir der Schutz des privaten Eigentums immer ein Anliegen.
    Ich hoffe, dass die ÖVP zu ihren seinerzeitigen Werten von Raab/Fiegl oder auch Wallnöfer zurückkehrt, ansonst kann es ihr ergehen wie den Christdemokraten in Italien.
    Sollten Sie in einem weiteren Bericht über diese eigentumsfeindlichen, ja kommunistischen Überlegungen die ÖVP zum Nachdenken bringen, wären viele ehrliche Grundbesitzer sicher dankbar.
    Mit freundlichen Grüßen Richard Heis, Gärtner
    PS: Wir haben uns seinerzeit als Aussteller bei der Gartenschau von Gerda Walton schon kennengelernt.

  3. Ulrich Stern

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Danke für die glasklare Kurzfassung des Jahrhundertunrechtes und seiner Auswirkung. Bravo.
    Ich werde allerdings ein Gefühl nicht los: Ihre wunderbar „spitze Feder“ soll der Redaktion als Feigenblatt für die einseitige Agrarberichterstattung dienen.

  4. Otto Caramelle

    Verehrter Herr Alois Schöpf !
    Ihr Artikel in der Samstag TT vom 1.2.2025 ist ihnen wieder bestens gelungen! Ich kann nicht begreifen, welche Argumente es gibt, die ein solches Landesgesetz (Rückabwicklung der Eigentumsübertragung an die Agrargemeinschaften….) verhindern. Übrigens: diese Probleme hat es im Tiroler Unterland /Bezirk Kitzbühel nie gegeben. Die Gemeinde Kitzbühel besitzt zum Beispiel fünf Almen, die sie an div. Bauern verpachtet.
    Dass nur im Tiroler Oberland seinerzeit tausende Hektar Grund an die Agrargemeinschaften verschenkt wurden, ist schon eigenartig ! Herr Schöpf, DANKE, dass Sie den Finger in die Wunden legen.

  5. hubert haselmaier

    sehr geehrter herr schöpf!
    zu ihrem artikel vom sa. 1.2.2025: dass die übertragung öffentlicher flächen an die agrargemeinschaften nicht rechtens war, ist bekannt. trotzdem wage ich einen vergleich: wenn jemand einen halbkaputten rosenstrauch, dessen pflege niemand (öffentlichkeit) machen kann oder will und jemand diesen strauch übernimmt (Agrargemeinschaften), so ist das eine sache. die andere ist: wenn dieser strauch durch umtopfen, neue erde geben, düngen, wässern und schneiden wieder zu blüten kommt, die auch geerntet werden, zu sagen – oh super – jetzt könnten wir ihn wieder gebrauchen und möchten ihn deshalb zurück, sollte man schon auch die arbeit, die dazu beigetragen hat, belohnen.
    im fall der agrargemeinschaften sind diese arbeiten: durchforsten, aufforsten, schadholzentfernung, wasserbewirtschaftung, den wildstand halbwegs unter kontrolle halten, wege bauen und div., natürlich auch holz nutzen. deshalb die frage: was wäre mit halbe – halbe?
    liebe grüße aus st. johann

    1. Robert Muskat

      Es geht darum, dass die Agrargemeinschaften nur das Recht besaßen, für Eigenbedarf Produkte zu verwenden. Nie war davon die Rede, das Gemeindeeigentum zu erschleichen, durch befreundete Agrar-Bürgermeister in Bauland umwidmen zu lassen und das dann mit fetten Gewinnen zugunsten des eigenen Säckels zu verscherbeln. Das ist der feine Unterschied, und das wurde durch die Höchstgerichte bestätigt!

  6. Johanna ROTTER

    Sehr geehrter Herr Zander!
    Bitte entschuldigen Sie, wenn ich Ihre „Nachhilfe-Mail-Adresse“ (übrigens eine großartige Initiative von Ihnen) verwende, aber ich habe leider keine „persönlichere“ von Ihnen gefunden.
    Denn ich möchte Ihnen und Herrn Schöpf meinen DANK für das „TT-Apropos“ vom 01.02.25 und Ihren Leserbrief in der TT über Gemeindegutsagrargemeinschaften (=GGAG) vom 06.02.2025 ausdrücken, die ganz meiner Meinung entsprechen.
    Für mich sind Ihre Argumente schlüssig und nachprüfbar. Mir fällt dazu nur das Schlagwort „LANDRAUB“ ein …………..
    Herzlichen Dank für Ihren Mut – die „Agrarlobby“ wird sich hoffentlich nicht „rächen“ – für mich das Zeichen eines Schuldeingeständnisses…………………….
    Viele Grüße –

  7. Robert Muskat

    In diesem Zusammenhang stellt sich mir nur eine Frage: was ist bedeutender und für das Zusammenleben wichtiger: ein Höchstgerichtsurteil oder die Begehrlichkeiten von Bauernbund und Agrargemeinschaften? Und wer hat seinerzeit dafür gesorgt, dass Agrargemeinschaften ins Grundbuch kommen? Bitte klären!

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